Liebe Frau Betz, ich danke Ihnen schon im Voraus dafür, dass Sie sich durch mein Posting durchwühlen, denn dieses wird wohl sehr lang und auch etwas chaotisch… dafür entschuldige ich mich! Ich habe das Bedürfnis, mir einfach alles von der Seele zu schreiben und bin froh, dass es nun auch ein Expertenforum für sehr anspruchsvolle Kinder gibt. Meine Tochter ist 31 Monate alt. Sie war ein sogenanntes 24 h-Baby. Durfte sie nicht an die Brust, hat sie nur geschrien. Ich musste zufüttern, weil ich nicht genug Milch hatte, also dachten wir, sie schreit vor Hunger, und gaben ihr zusätzlich die Flasche. Doch selbst wenn sie mit Sicherheit pappsatt war, schrie sie, wenn sie nicht nuckeln durfte. Einmal versuchten wir, sie anders zu beruhigen (herumtragen und leise singen im abgedunkelten Raum, Schnuller wollte sie absolut nicht). Sie schrie 2,5 Stunden, bis wir abbrachen und ich ihr doch wieder die Brust gab (sie war da elf Tage alt). Ich war nur noch am dauerstillen, vier Monate lang. Mit sechs Monaten bekam sie Beikost. Das gesamte erste Jahr war extrem anstrengend, die Nächte unbeschreiblich. Aufwachen im 1-Stunden-Rhythmus, dauernuckeln in zum Großteil unmöglichen Positionen. Jeden Tag hatte ich Nacken- und Kopfschmerzen, weil ich wieder stundenlang falsch gelegen hatte. Tagsüber war sie meist unzufrieden und quengelig, ein Lächeln war sehr selten, für ein Lachen musste man sich regelrecht zum Affen machen. ;-) Sie war und ist extrem weit entwickelt. Krabbelte mit 7 Monaten, zog sich zwei Tage später an Möbeln hoch und lief mit 8 Monaten daran entlang. Fing mit 20 Monaten an, in ganzen, grammatikalisch richtigen Sätzen zu sprechen. Mit 31 Monaten nun erzählt sie ganze Geschichten, erinnert sich an Dinge, die Monate zurückliegen, hüpft auf einem Bein, macht Purzelbäume etc., hat angefangen, die ersten Buchstaben zu schreiben (V, I, O und A) und buchstabiert einfache Wörter. Sie ist ein sehr empathisches Kind, tröstet andere, ist offen und sehr neugierig, saugt Eindrücke regelrecht in sich auf. Sie hat eine große motorische Unruhe, kommt beim Einschlafen auch einfach nicht zur Ruhe. Will bis heute nicht ohne Brust einschlafen (kann es aber), will beim Essen nicht sitzen bleiben, sondern macht nur Blödsinn, turnt auf ihrem Stuhl herum und rennt durch die Wohnung. Sind wir konsequent, interessiert sie das meist überhaupt nicht. Sie hält sich an kaum eine Regel, wir müssen schreien oder sinnlos bestrafen („Hör auf oder dein Spielzeugzug kommt weg!“), das zieht dann meistens. Wir fühlen uns schlecht, weil es manchmal laut wird, oder weil die Strafen oft sinnlos sind, aber anders geht es meist nicht. Und ich bin langsam, nach 2,5 Jahren, mit meiner Kraft am Ende. Ich weiß nicht, was ich erziehungstechnisch falsch gemacht habe, oder ob überhaupt. Sie bedankt sich, sagt bitte, danke und wünscht Gesundheit, wenn jemand niest, hält sich die Hand vor den Mund, wenn sie hustet oder niest, holt sich beim Naseputzen ein Taschentuch, zieht sich selbständig an (wenn sie will…), macht sich ihr Frühstück selbst. Sie wird in der Krippe, in die sie drei Stunden pro Tag geht, als sehr lieb, hilfsbereit und selbständig beschrieben. Und doch frage ich mich, ob nicht ihre „Baustellen“ und die Tatsache, wie anstrengend sie ist, auf meine Kappe gehen. Immer öfter ertappe ich mich dabei, wie ich sie anschaue und mich frage, was mit ihr nicht stimmt – oder ob ich es bin, mit der was nicht stimmt. Jetzt ist ihr Brüderchen neun Wochen alt, und hier herrscht das totale Chaos. Meine Tochter will abends natürlich noch immer in den Schlaf gestillt werden, mein Sohn will abends auch mal clustern und seine Schmusezeit mit Mama. Meine Tochter hängt mir immer noch (oder wieder?) sehr am Rockzipfel, mein Sohn braucht mich aber natürlich auch sehr. Ich habe das Gefühl, alles allein machen zu müssen, weil Papa sie immer noch nicht ins Bett bringen kann. Wenn er das versucht, schreit sie stundenlang dermaßen, dass ich schon oft zu meinem Mann gesagt habe, das ist nicht normal (natürlich nicht in ihrem Beisein). Oft ist es so, dass ich sie ins Bett bringe, aufspringe, sobald sie eingeschlafen ist, meinen Sohn stille, und eine Stunde später (sie wacht immer noch oft auf bzw. hat heftige Träume…) muss ich wiederum ins Schlafzimmer und sie beruhigen. Sie träumt auch sehr heftig, verarbeitet nachts alle Eindrücke, schreit und schlägt um sich. Sie kommt einfach nicht zur Ruhe, nicht einmal nachts. Ich habe seit sage und schreibe 2,5 Jahren keine vier Stunden am Stück geschlafen. Nun grüble ich, ob sie evt. ADHS oder etwas Ähnliches hat, weil sie so extrem zappelig ist. Fernsehen darf sie gar nicht, wir sind sehr viel draußen, sie macht viel Sport. Trotzdem ist sie IMMER überdreht und in Bewegung, so als könne sie nie genug kriegen. Auch läuft sie durch die Wohnung und macht seltsame Geräusche, hat die Zunge heraushängen und prustet herum. Den halben Tag geht das so. Und ich frage mich einfach langsam, ob das alles noch normal ist... :-( Wird das irgendwann besser? Wird es leichter oder nur anders? Gibt es Wege, mit schwierigen Situationen besser umzugehen? Ich danke Ihnen tausend Mal fürs Lesen und dass Sie sich die Zeit für eine Antwort nehmen!
von Kekskopf am 21.07.2015, 18:58