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Zweisprachig erziehen, auch wenn keine Muttersprache?

Thema: Zweisprachig erziehen, auch wenn keine Muttersprache?

Eine Frage: Kann man seine Kinder eigentlich auch mehrsprachig erziehen, auch wenn die zweite Sprache keine Muttersprache ist? Also zum Beispiel, wenn man sehr gut Englisch spricht und möchte, dass das die Kinder auch gleich lernen? Oder macht das gar keinen Sinn?

von Pauliena am 04.11.2019, 09:55



Antwort auf Beitrag von Pauliena

Definiere "sehr gut Englisch spricht" Ansonsten taucht die Frage immer mal wieder auf, die allerwenigsten alten es durch; empfohlen wird es nirgends. Das Mißverständnis fängt schon damit an, wie man "mehrsprachige Erziehung" definiert. Mehrsprachige Erziehung geschieht (meistens erfolgreich) dort, wo man gezwungen ist, täglich in mehreren Sprachen zu leben, mit ihnen zu jonglieren, nicht, weil man sich das aussucht. Ein Physiker redet auch nicht in Physikformeln, um seinem Kind später das Fach Physik näherzubringen oder zu erleichtern...Dito Mathematik - da rechne ich auch nicht pausenlos, um dem Kind Addition näherzubringen. Aber hier im Forum findest Du dazu etliche Beiträge. Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 04.11.2019, 11:13



Antwort auf Beitrag von Pauliena

ich kenne eine Familie, wo es tatsächlich funktioniert. allerdings nicht mit Englisch.. das lernen die Kinder gut in der Schule & co. aber mit Finisch es erfordert aber wirklich viel Willenskraft. ist schon schwer genug in Muttersprache. weil man automatisch antwortet in der Sprache., in der man angesprochen wird. so merke ich, dass ich den Kindern sehr oft auf Deutsch antworte und dann weiter erzähle. obwohl sie meine Muttersprache gut verstehen und halbwegs beherrschen. aber wenn man auf Englisch alle Alltagswörter kennt, soontan ein Schlaflied, heile heile Gänschen vorsingen kann, spontan reimen und Witze machen kann, verniedlighungswörter in Kindersprache kennt, warum nicht? ich arbeite täglich mehrere Stunden auf Englisch, aber alltags Sprache kenn ich es nicht. Blaufleck? Verstauchung? Holzsplitter? Hoppe Hoppe Reiter? Windelwechseln auf Englich? das ist der Daumen...? keine Ahnung. du?

von lubasha am 04.11.2019, 11:52



Antwort auf Beitrag von Pauliena

Hallo! Also bei mir würde das gehen, ich könnte in meiner Muttersprache UND auf Deutsch meine Kinder erziehen, auch ohne den deutschen Papa. Aber mir fehlen ja auch im Gegensatz zu meiner Muttersprache einige Vögel-, Insekten- und Pflanzennamen. Evtl. noch meinen Vorrat an Kinderliedern und Gedichten erweitern. Ich LEBE aber einen Teil des Tages auf Deutsch, einige Jahre lang war es der Großteil des Tages, und auch die Träume kamen meist auf Deutsch. Da macht es vom Herzen her schon einen Unterschied, welche Sprache man spricht, aber keiner der Außenstehenden kann etwas an meinem Deutsch ankreiden, außer einem Akzent. Im Gegenteil, die meisten meinen, ich spräche es mindestens so gut wie sie. Hochdeutsch natürlich, bei Dialekten bin ich schon froh, wenn ich einem Gespräch folgen kann. Englisch ist auch nicht weit dahinter, also KÖNNTE ich (wahrscheinlich) meine Kinder auch auf Englisch erziehen, aber ich habe mich irgendwann dagegen entschieden. Aber jetzt vor einigen Wochen habe ich angefangen mit Englisch-Unterricht für meine Große, da sie sich dafür interessiert. Sie redet viel auf "Englisch" (=Kauderwelsch), ist gerade in ihrer Kita-Gruppe "in", oder in anderen Fantasiesprachen. Wir haben auch gestern erst ausgemacht, dass die Dinosaurier bei uns jetzt immer Englisch reden. Wenn sie also mit mir und kleinem Bruder Dinosaurier spielt, dann spreche ich jetzt statt Kauderwelsch Englisch. Mal sehen, ob das wirklich als Lernmethode wirkt. Auf jeden Fall macht es den beiden Spaß, und schaden kann es sowieso nicht. Es ist aber nicht mehr "Mehrsprachig Erziehen", sondern "Fremdsprachenunterricht".

von Ivdazo am 04.11.2019, 19:58



Antwort auf Beitrag von Pauliena

Ich würde es dann auch eher als Fremdsprachenunterricht sehen als wirkliche zweisprachige Erziehung. Freunde von uns machen das. Die österreichischen (beide also eigentlich deutschsprachigen) Eltern des Vaters haben schon recht konsequent deutsch und französisch mit ihm gesprochen. Er war dann ein paar Jahre beruflich oft in englischsprachigen Ländern und spricht jetzt nur englisch mit seinem Kind. Französisch findet er weniger wichtig. Das Kind ist inzwischen 12 Jahre alt und spricht gut englisch. Ich schätze, ihre Mitschüler, die daheim nicht Englisch lernen, werden sie in der 9. Klasse aber spätestens eingeholt haben. Für mich, mit amerikanischer Mutter und nicht zweisprachig erzogen, hört sich das Englisch ihres Vaters ganz furchtbar an. Ich lese nur englischsprachige Bücher und schaue alles, was es im TV oder online gibt, nur auf Englisch an. Im Urlaub oder bei Kontakt mit englischsprechenden Leuten switche ich sofort problemlos um. Ich habe in den Sommerferien in USA immer meine viel jüngeren Cousinen gehütet und deshalb auch Worte auf Lager, die man weder in der Schule noch im Businesskurs lernt ;-). Meine Mutter hatte sich damals gegen zweisprachige Erziehung entschieden, weil sie befürchtete, dass sie so nie richtig gutes Deutsch lernen würde. Sie kam schwanger ohne Deutschkenntnisse her und war dann mit uns Kindern daheim. Mein Englisch kommt ganz wenig von daheim. Das meiste von der Schule und viel auch durch Kontakte und Urlaube. Mit den Enkelkindern wollte sie dann englisch sprechen, aber da kam die Sprachentwicklungsstörung meines Neffen dazwischen und das war's dann. Ich spreche mit meinen Kindern nur minimal Englisch. Solche Sachen wie ihre Frühstücksbestellung, welche Kleidung sie anziehen wollen, dass sie dies und das aufräumen oder bringen sollen etc. Im USA-Urlaub machen wir das alle etwas mehr, aber es ist wirklich nicht viel. Meine Große ist jetzt in der 8. Klasse, und sie ist zwar vokabelmäßig sehr faul, aber sie hat ein Gefühl für die Grammatik und eine sehr gute Aussprache. Keine Ahnung, ob unser bisschen Englisch da geholfen hat. Je mehr Englisch sie in der Schule lernt, desto mehr Spaß macht es ihr, mit mir Englisch zu sprechen. Also reden wir jetzt ein bisschen mehr. Mein Kleiner ist 5 und hat mal mehr, mal weniger Lust auf Englisch. Ich dränge es ihm nicht auf, aber gestern hat er sich den alten Nintendo DS seiner Schwester geschnappt und bei einem Vorschulspiel die Englischaufgaben ausgewählt und sehr ausdauernd gespielt. Er fragt mich auch immer mal wieder nach Wörtern. Aktuell interessiert ihn aber gerade eigentlich türkisch mehr, weil er zwei neue Freunde gefunden hat, die untereinander türkisch sprechen. Da kann ich ihm leider nicht helfen ;-) Ich persönlich würde es also eher spielerisch angehen, bestimmte Situationen für Englisch nutzen, damit die Kinder nebenbei ein Gefühl für die Sprache bekommen. Strikte zweisprachige Erziehung, wie sie von den echten mehrsprachigen Familien hier praktiziert wird, wäre mir zu aufwändig.

von Häsle am 06.11.2019, 10:57



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Aus welcher Motivation heraus möchtest du das denn machen? Weil du dir davon einen Vorteil für deine Kinder im Leben erwartest oder weil Englisch deine Herzenssprache ist? Ich habe meine Töchter bis in die frühe Pubertät hinein künstlich zweisprachig Englisch erzogen. Ich habe nur Englisch mit ihnen gesprochen, der Vater deutsch. Englisch hat vor der Geburt der Kinder schon immer eine große Rolle bei uns gespielt, mein Mann und ich haben immer wieder englische Sätze ins Gespräch eingeworfen, wir waren viel im englischsprachigen Ausland und wollten einfach, dass unsere Kinder ohne Einschränkungen an diesem Leben teilhaben können. Es hat bis zu einem gewissen Grad auch gut funktioniert. Ich musste mich bemühen, meinen Kindern immer einen Schritt voraus zu sein, denn natürlich kannte ich manche Vogelnamen nicht (aber ehrlich gesagt, kenne ich auf Deutsch auch nicht viel mehr als Amsel, Spatz und Meise) oder es fehlte mir an Spezialbegriffen wie Gelenkbus oder Abisolierzange. Aber diese Ausdrücke muss man ja nicht sofort bei einem neugeborenen Baby verwenden. Ich bin immer mit offenen Augen durch die Gegend gelaufen und wenn ich festgestellte habe, mir fehlt ein Wort, habe ich erst einmal eine Umschreibung verwendet (also erst vom Bus oder von Zange gesprochen und dann nachgeschlagen, wie Gelenkbus oder Abisolierzange auf Englisch heißt). Beim nächsten Mal habe ich dann den präzisen Ausdruck ins Gespräch eingebracht. Solange die Kinder relativ klein waren, hat das sehr gut funktioniert und sie haben alles verstanden und konnten sich altersgerecht verständigen. Problematisch wurde es, als sie älter wurden, da kamen dann spontan Themen auf den Tisch, wo ich nicht in der gewünschten Tiefe mitdiskutieren konnte. Nach und nach, habe ich das Englischsprechen aufgegeben und die Schule und YouTube haben übernommen. Im Ergebnis muss ich sagen, dass es meinen Kindern sicher nicht geschadet hat. Als kleinere Kinder haben sie bei Aufenthalten im englischsprachigen Ausland profitiert, weil sie an allen Aktivitäten uneingeschränkt teilnehmen und sich verständigen konnten. Heute (sie sind knapp 19 und 21) sprechen Sie perfektes, fehlerfreies Deutsch und sehr gutes Englisch. Aber das erreichen andere auch, ohne zweisprachig erzogen worden zu sein. Sie verstehen sicher mehr als andere, besonders wenn Leute mit starkem Akzent sprechen, ihre Grammatik ist besser, weil sie z. B. intuitiv die Zeiten richtig anwenden, was viele Deutsche nie verstehen, und sie können sich insgesamt eleganter ausdrücken. Auch haben beide keinerlei Scheu, Englisch zu sprechen. Ob es den ganzen Aufwand wert war, den ich betrieben habe, wage ich heute zu bezweifeln. Silvia

von Silvia3 am 06.11.2019, 12:31



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Ein interessantes Thema! Eine Fremdsprache als ERSATZ für die Muttersprache mit dem Kind zu sprechen halte ich für Unsinn. Wenn ihr zum Beispiel beide Deutsch seit, und vorhabt, dass einer Englisch einer Deutsch mit dem Kind spricht halte ich das für Unsinn. Man sollte seine Muttersprache auf jeden Fall mit seinem Kind sprechen. Das Kind merkt es auch irgendwann, wenn man ihm hier etwas vorgaukelt. Als ERGÄNZUNG zur Muttersprache finde ich es aber eine gute Idee. Wichtig ist, dass es mindestens eine Person gibt, die diese Sprache sehr gut beherrscht. Wir sprechen zu hause Deutsch und Chinesisch mit unserer Tochter und draußen alle zusammen Englisch. Das klappt gut.

von Abuziziwalabu am 09.12.2019, 00:54



Antwort auf Beitrag von Pauliena

Das ist natürlich Möglich! Wichtig ist nur, dass mindestens ein Elternteil die Sprache sehr gut beherrscht. Zudem ist es wichtig, dass du deinem Kind das Gefühl gibst, dass die zweite Sprache einen Nutzen hat. Es passiert leider oft, dass sich Kinder wehren und die zweite Sprache nicht lernen möchten ab einem bestimmten Alter, da sie nicht verstehen für was sie diese Sprache benötigen, da ja in der Umgebung eine andere Sprache gesprochen wird. Daher muss die Person die die englische Sprache mit dem Kind spricht, auch konsequent bei dieser Sprache bleiben. Gruß, Peter

von Peter_Lustig18 am 02.01.2020, 12:27