Mehrsprachig aufwachsen

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Sprachentwicklung bei Mehrsprachigkeit

Thema: Sprachentwicklung bei Mehrsprachigkeit

Hallo! Ich suche etwas Austausch hier im Forum. Mein Kleiner ist 16 Monate alt und spricht außer „Mama“, „nene“ (nein) und „mamam“ (Essen) nichts weiter. Er wird zweisprachig erzogen (deutsch/rumänisch), wobei er deutsch sowohl beim Papa als auch in der Kita hört und nur bei mir und meinen Eltern rumänisch. Das Sprachverständnis ist altersgerecht entwickelt. Er zeigt seit er 12 Monate ist auf Dinge, die er haben möchte oder ihn interessieren, er imitiert Gesten wie Winken/Klatschen schon lange und hört auf Ansprache und seinen Namen seit er 8 Monate alt ist. Er gibt gern „high five“ und wenn ich einen bestimmten rumänischen Kinderreim aufsage, dann macht er die richtige Gestik dazu. Er befolgt Aufforderungen in beiden Sprachen (meist) prompt (sowas wie „hol den Ball“, „bring mir das Buch“, komplexere Sachen gehen noch nicht) und kann Fragen verneinen, indem er mit einer Hand abwinkt (er macht dann eine kurze Wink-Bewegung). Ich kann ihn auch ohne begleitete Gestik Dinge fragen (zB „Willst du etwas trinken?“) und er kann es mir mit dem Abwinken verneinen. Wenn er etwas bejahen will, dann zeigt er auf den entsprechenden Gegenstand (also zum Beispiel auf seine Trinkflasche). Er zeigt in beiden Sprachen meist richtig auf Gegenstände oder Bilder in Bücher, die wir benennen. Seine Lallphase war normal ausgeprägt. Aktuell plappert er mit uns nonstop in seiner Phantasiesprache. Schaut uns an, redet in mehrsilbiger und melodischer Weise, aber eben Phantasiesprache, kein richtiges Wort. Seine soziale Entwicklung ist ebenfalls unauffällig. Er macht normal Blickkontakt, ist an Kindern interessiert, spielt ganz normal (baut Türmchen, räumt alles mögliche ein und aus, Steck- und Stapelspiele). Er liebt es, sich mit uns Bilderbücher anzusehen und hat auch einige Lieblingsbücher. Motorisch auch normal: konnte mit 14 Monaten laufen, dann auch schnell sehr sicher und ohne Stürze. Ist davor lange gekrabbelt. Die Mundmotorik ist auch gut würde ich sagen. Er hat bereits alle Zähne und hat noch nie übermäßig viel gesabbert, er isst seit er 10 Monate alt ist vom Familientisch mit und ist ein begeisterter Esser. Wie war es bei euren bilingualen Kindern? Obwohl wir das empfohlene „one parent one language“ praktizieren bin ich manchmal verunsichert. Sein Sprachverständnis ist so gut, aber verwirre ich ihn mit rumänisch? Zumal er es ja im Alltag nur bei mir hört, also nicht beide Sprachen 50/50 ausgeprägt sein dürften. Gibt es aus eurer Erfahrung etwas, was ich verbessern kann?

von Evelyn91 am 11.01.2022, 20:01



Antwort auf Beitrag von Evelyn91

Hej und willkommen hier. Ich biete eine Erstgeborene, die mit 2 Jahren in einfachen Sätzen sprach und ihre dän. gleichaltrigen Kameradinnen an die Wand quatschte (und mir zuhause in der Nicht-Umgebungssprache ein Ohr ab). Und eine kleine Schwestern dazu, die die gleichen Sätze erst mit 3 rausbrachte und im Alter Deines Kindes und noch lange danach kaum ein Wort sagte. Auch in anderen Familien und hier wirst du erfahren, daß Kinder sich unterschiedlich entwickeln … sowohl im Sitzen, Stehen, Krabbeln, Laufen und… Sprechen. Wenn Du sicher bist, daß das Gehör in Ordnung ist und er ja sogar versteht, was Ihr sagt ( gerade bei der Jüngsten habe auch irgendwann auch längere Sätze benutzt, die sie gut begriff), kannst Du ihm noch Zeit lassen. Redet viel mit ihm, in Euren Sprachen. Schaut Bücher an, erzählt. Und schraubt Erwartungen zurück. Laßt Vergleiche mit anderen sein! Heute sind meine Kinder erwachsen. Die Große ist sprachinteressiert und sprachbegabt wie schon als Kleinkind. Die jüngste spricht auch beide Sprachen muttersprachlich, auch ihre Aufsätze ernteten Bestnoten, aber sie ist deutlich schweigsamer. Übrigens wie ihr Vater. Aber wenn sie will, kann sie auch. Also: Geduld, eine der wichtigsten Tugenden in der Kindererziehung. Gruß Ursel, Dk

von DK-Ursel am 11.01.2022, 22:38



Antwort auf Beitrag von DK-Ursel

Danke liebe Ursel! Das hört sich doch gut an. Kinder entwickeln sich tatsächlich unterschiedlich. Es ist manchmal schwer, nicht zu vergleichen, obwohl ich weiß, dass es nichts bringt. Die Entwicklung anderer Kinder sagt ja nichts über meinen Sohn aus. Es tut gut zu hören, dass auch deine Kinder so unterschiedlich waren und sind. Liebe Grüße zurück!

von Evelyn91 am 12.01.2022, 19:53



Antwort auf Beitrag von Evelyn91

Ja, man ist schnell geneigt, mit anderen zu vergleichen. Gerade unsere Jüngste hat uns aber sehr schnell beigebracht, daß sie SIE und weder andere noch die große Schwester ist. Natürlich gibt es gewisse Richtlinien, wie kinder sich entwickeln sollten, aber das sind Rahmenbedingungen, mit vielen Abweichungen. Wenn wir uns das bewußt machen und uns darauf einlassen, die kinder nicht mit unseren Erwartungen, egal woher die kommen, in bestimmte Richtungen zu drängen, können alle nur profitieren. Ich habe viel bei meiner Jüngsten gelernt. Achte im Stillen auf die, wenn auch passiven, sprachlichen Fortschritte ( wie Verständnis längerer Sätze, miterleben bei Büchern, etc.), aber dränge nicht. Redet, redet, redet, das ist die beste Motivation! Und lobe die Dinge, die er gut macht, weg von Sprache…Kinder müssen merken, daß sie so richtig sind, wie sie sind. Sie sollten nicht merken, daß sie ihre Eltern enttäuschen oder deren Erwartungen nicht erfüllen können. Und je kleiner die kinder, umso seismographischer merken sie das! Alles Gute… und erzähl dich mal, wie es geht! Gruß Ursel, dk P.s.: hier im Forum kannst du auch ein bißchen zurücklesen, die Frage wird öfter gestellt.

von DK-Ursel am 12.01.2022, 20:41



Antwort auf Beitrag von Evelyn91

Glückwunsch zu Deinem Sohn, hört sich so an, als ob er sich ganz prächtig entwickelt. Du verwirrst ihn nicht, keine Sorge. Mach einfach weiter so und freu Dich, jeden Tag, jedes Jahr gibt es etwas Neues. Bilderbücher, Kinderreime und -lieder, zeigen, auf ihn eingehen, wenn er etwas tut oder sagt - all das ist goldrichtig und absolut auch in zwei oder drei Sprachen für Kinder machbar. Da er offensichtlich gut versteht und daher auch sein Gehör in Ordnung ist, gibt es keinen Grund zur Sorge. Unser Großer fing erst nach dem zweiten Geburtstag richtig mit sprechen an, davor fast nur Gestik und Geräusche wie "mamam", "sch". Dann ging es aber recht schnell und er ging zügig zu Mehrwortsätzen und komplexen Sätzen über, der Wortschatz wuchs in allen drei Sprachen rasant wenn auch nicht gleichmäßig. Beim Kleinen war es so, dass er mit einem Jahr schon die ersten Wörter sagen konnte und man dadurch insgesamt die Sprachentwicklung quasi besser mitverfolgen konnte, da eben von ihm mehr "aktiv" kam. Ab zwei Jahren lief es ähnlich wie beim Großen, was die Mehrsprachigkeit angeht. Beide sprechen alle drei Sprachen flüssig, die schwächste immer noch mit Fehlern, aber sie können sich trotzdem gut verständigen und verfolgen auch Filme und Hörspiele in der schwächsten Sprache.

von Kacenka am 13.01.2022, 11:20



Antwort auf Beitrag von Kacenka

Vielen Dank auch dir für deine Erfahrung! Ich bin froh, dass mir hier rückgemeldet wird, dass ich bereits alles richtig mache um ihn zu fördern, denn ich hätte gar nicht gewusst, wie ich ihn noch mehr zutexten sollte :D da es aber weder in der Familie meines Mannes noch in meiner Familie Bilingualität in dem frühen Alter gab (in meinem Fall ist deutsch erst dazu gekommen als ich 3 Jahre alt war, im Alter meines Sohnes wurde ich einsprachig erzogen), kann ich nicht aus dem Erfahrungsschatz meiner Familie schöpfen, auf den ich mich sonst in allen Fragen oft verlasse. Umso schöner, dass es hier Familien mit ähnlichen Erfahrungen gibt!

von Evelyn91 am 14.01.2022, 22:35



Antwort auf Beitrag von Evelyn91

Ja, sag ich ja immer: hier sitzen die Fachleute! Aber letztendlich gelten eben 2 „Regeln oder besser gesagt, Grundsätze: 1. Je mehr Zeit jede Sprache bekommt, gesprochen und gehört wird, umso besser wird sie geübt und somit gelernt. 2. je natürlicher, je selbstverständlicher Ihr die Sprachen in Euer Leben, also Euren Alltag integriert, umso leichter ist es für alle. Meistens kommt das von selber, außer man muß sich ein bißchen an die kandarre nehmen, weil einem die eigene Muttersprache inzwischen etwas nsch hinten gerutscht ist, aber das übt sich ja schnell. Denk an die Einsprachigen: die meisten denken gar nicht darüber nach, wie sie ihrem kind sprechen beibringen sollen, sie üben nicht mit ihm, sie kommunizieren einfach in ihrer Sprache. So machen wir das auch, nur mit mehreren sprachen. Die Kinder sind so toll, die sortieren und wissen genau, was sie mit wem sprechen. Aber lies weiter hier mit, erzähle uns doch von Euren Erfahrungen und hilf damit anderen…wir freuen uns darauf! Gruß Ursel Dk

von DK-Ursel am 14.01.2022, 23:33