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Patchwork-Familie: große Schwester wächst nicht mehrsprachig auf, Baby schon?

Thema: Patchwork-Familie: große Schwester wächst nicht mehrsprachig auf, Baby schon?

Hallo allerseits, für eure Erfahrungen und Ideen bin ich sehr dankbar. Unsere Situation stellt sich wie folgt dar: Wir wohnen als Patchwork-Familie alle in einem Haus: Mein Partner, seine Ex-Partnerin, die 7-jährige Tochter der beiden und ich. Mein Partner und ich haben bald ein gemeinsames Baby. Wir verstehen uns auch alle sehr gut. Die Verhältnisse sind "klar", auch wenn das von außen manchmal nicht so aussieht! ;) Die Tochter meines Partners wächst einsprachig auf. Deutsch ist hier die Familien- und Umgebungssprache. Unser Baby möchten wir nun aber gerne zweisprachig aufwachsen lassen. Mein Partner ist zweisprachig, hat auch zwei Staatsangehörigkeiten und spricht Englisch fast auf Muttersprachniveau. Er hat sich das bei der ersten Tochter lediglich nicht zugetraut. Unserer Ansicht nach profitieren im besten Fall beide Kinder davon, auch wenn seine ältere Tochter erst jetzt damit anfängt. Sie besucht jetzt einen Englischkurs für Kinder (gemeinsam mit Papi) und ist auch sprachlich begabt. Wir knüpfen gerade zaghafte englischsprachige Kontakte in dem Kurs, aber wer weiß, ob das hält. Geplant ist: Mein Partner wird Englisch sprechen, seine Ex-Partnerin spricht Deutsch, ich spreche ebenfalls Deutsch. Papa nimmt nach dem Mutterschutz die volle Elternzeit. Das heißt, dass er gerade im ersten Jahr Zeit hat für die "sprachlichen Grundbausteine". unserem Umfeld sind die Menschen offen dafür, dass wir das machen. Wir fragen uns allerdings, wie sich das Ganze auf die Ältere und auf die Kind-Papa-Beziehung auswirken kann, wenn Papa plötzlich nur noch Englisch spricht. (Natürlich reden wir mit ihr und erklären es ihr altersgerecht.) Oder ist ein "nur noch Englisch" gar nicht notwendig? Ich freue mich wirklich, von euren Erfahrungen zu lesen. Viele Grüße und vielen Dank, Levine

von Levine am 15.09.2021, 21:54



Antwort auf Beitrag von Levine

Jetzt fällt mir noch eine konkrete Frage ein: Der Papi hat ja bisher in der Familie nur Deutsch gesprochen. Wenn wir unser Baby zweisprachig aufwachsen lassen, sollte er dann mit dem Baby ausschließlich Englisch reden oder sollte er auch in der ganzen Familie nur noch Englisch sprechen? Das wäre sicher sehr ungewöhnlich in der ersten Zeit- auch für ihn ;)

von Levine am 16.09.2021, 08:23



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Fangt doch schon mal an! Papa kann auch jetzt schon viel mit der Grossen Englisch sprechen und ihr so den Einstieg etwas erleichtern. Ganz spielerisch. Wenn sie positiv reagiert, ist alles geritzt, dann kann er mit dem Baby nachher nur Englisch sprechen und alles andere ergibt sich dann ganz von allein. Idealerweise sollte man v. a. am Anfang mit dem Baby bei einer Sprache bleiben, es hört zwar, wie man mit anderen Menschen die andere Sprache spricht, aber wird immer in einer Sprache von einem angesprochen. Wenn ihr es schafft sogar die Tischgespräche, wo alle zusammen sind, öfter auf Englisch zu machen, lernen die Kinder natürlich noch mehr, denn dann hören sie die Sprache noch öfter. Aber da gibt es so viele Wege wie es Familien gibt. Ich finde es am wichtigsten ohne große Erwartungen an das Kind an die Sache heranzugehen. Euer Papa ist mehrsprachig. Das kann man der Grossen schon prima erklären: er hat lange in England oder wo auch immer gewohnt und dort ganz viel Englisch gesprochen. Dort heißt dann z. B. das Brot - bread und man sagt nicht Gute Nacht sondern.... ganz konkret, ganz eng an die jeweilige Situation geknüpft einfach loslegen. Dazu braucht es eine bewusste Entscheidung beim Papa, denn er muss sich "umgewöhnen". Er spricht jetzt nicht mehr nur deutsch mit seiner Tochter, das wird ihm nicht so leicht fallen. Deshalb spielerisch! Und immer in Reaktion auf das Kind. Wird sie schweigsam, tut sich schwer - lieber wieder weniger, ihr Wohlbefinden in der Familie ist wichtiger. Macht sie mit, istt neugierig - super. Ihr hab ja schon angefangen eigentlich. Ich drücke die Daumen :-)

von Kacenka am 16.09.2021, 09:18



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Danke sehr, liebe Kacenka! :) Ja, du hast absolut Recht - das Wohlbefinden der Kleinen ist wichtiger als die Zweisprache. Das sehen wir absolut so! Und eine spielerische Herangehensweise erscheint uns auch wichtig. Der Papa entscheidet sich gerade bewusst für diese Herangehensweise, aber es ist für ihn ja auch eine krasse Umstellung, da er hier immer nur Deutsch gesprochen hat. Wir fragen uns beispielsweise: Spricht er dann mit dem Baby nur Englisch (denke schon) und mit der älteren Schwester Deutsch und Englisch? Oder spricht er in der Familie nur noch Englisch? Oder spricht er überall nur noch Englisch, wenn er mit den Kindern unterwegs ist? (Das denke ich nicht, da ihn dann viele seiner Freunde nicht mehr verstehen ;) ) Sicher wird sich einiges davon auf "natürliche Weise" ergeben, aber anderes kann man ja auch forcieren. Deshalb: Gerne noch mehr Erfahrungen und Ideen von euch! Danke wirklich!! :)

von Levine am 16.09.2021, 09:28



Antwort auf Beitrag von Levine

Hej! hast Du mal 2 Threads unter Dir nachgeschaut? Da haben wir ja ein ähnliches problem erörtert. Ich unterschreibe wie so oft bei Kacenka. So schön es mit 2 Muttersprachen ist: Das Familienlebensollte trotzallem wichtigersein. Leider schreibst Du nicht, wie alt das größere Kind ist,aber Englisch kann man heutzutage ja nicht entgehen, von daher schnappt es auch so schon viel auf, da ist es doch nur praktisch,w ennder Vater als Quasi-Muttersprachler beisteuern kann. Meiner Erfahrung nach sind i mWesentichen 2 Dinge wichtig für einen Erfolg - wie immer der dann auch aussieht. 1,. So natürlich, so selbstverständlich wie möglich. Das ist jetzt für den Vater und das größere Kind die schwierigste Aufgabe, da sie eine andere Gewohnheit haben und Gewohnheiten schwer zu ändern sind. ABER: eben schwer und nicht unmöglich, und der Einsatz lohnt sich. In einem anderen Forum habe ich erlebt, wie eine anfangs skeptische Mutter sich nach Jahren in den USA, nur englisch sprechend, wieder an ihre dt. Muttersprache gewöhnte, als sie ernsthaft erwog, diese ihrem Kind auch nahezubringen - und es ging, trotz ihrer anfängl. Zweifel und ist sicher heute eine neue gute Gewohnheit. Je selbstverständlicher Ihr das macht, je weniger die Kinder Zweifel spüren, umso leichter. Das ist mit allem in der Erziehung dazu, Kinder spüren, ob wir dahinterstehen. 2. Zeit. Der Zeitfaktor ist bei allem wichtig, was wir lernen wollen, denn je mehr Zeit wir der Sache widmen können, umso besser übenwir, umso besser lernen wir sie. Dahersollte der Vater so oft wie möglich Englisch mit Euch allen sprechen. (Kleine) Kinder lernen ind er Regel ehsehr schnell und die Kontexte sind ja auch nicht hochtrabend schwer, das ist also gut machbar. Sehr gut, wie ja auch Kacenka anführt, wenndie Familiesprache, z.B. bei Tisch, auch Englisch sein kann - immerhin versteht Ihr es (bald) alle, dann bekommt sie mehr Zeit, denn die Umgebungssprache dominiert oft sehr stark und schnell. ICH habe es so gemacht, daß ich in Gegenwart derer, die uns kannten und uns verstehen soltlen, auch Dänisch = Umgebungssprache mit meinen Kindern gesprochen habe. Das verkürzt die Zeit für meine Muttersprache, weil bald Spielkameraden, Verwandte etc. ins Haus kamen, aber auch weil wir draußen verstanden werden wollten. Das wollten und brauchten wir jedoch nicht auf dem Spielplatz, wenn ich "zieh bitte die Jacke an, hol mal bite ..." rufen wollte - das passierte durchaus auf Deutsch. ich sprach auch beim Einkaufen oder im Bus, Schwimmbad... Deutsch mit meinen Kindern, wenn wir quasi unter uns waren und die um uns herum uns ja eigentilch nichts angingen und umgekehrt. Die Schuhverkäuferin jedoch, die wissen soll, wieso das Kind oder die Mutter nach Endlosdiskussion jetzt doch was anderes wollen, die soll unser Gespräch von Anfang an verstehen - da reden wir ja quasi zu dritt, die Verkäuferin, das Kind und ich - also Umgebungssprache. Denn ich wollte nicht nur meine Muttersprache um jeden Preis, sondern auch vermitteln, daß Sprache der Kommunikation und eben nicht der Trennung dient und daß man auch höflich ist und sich auf den (kleinsten) gemeinsamen Nenner eingit. Kleine Kinder empfinden es oft auch als spannend, daß sie eine Sprache mit Vater/Mutter sprechen können,die dieanderen nicht verstehen - so eine Art Geheimsprache, so kann man es dem größéren Kind vielleicht auch verkaufen und interessant machen. Meine Große kam als recht kleines Kind mal drauf, daß es für mich doch ein Segen sei, daß sie Deutsch mit mir sprächen, weil ich sonst hier ja niemanden hätte,der meine Sprache mit mir spräche - auch diese empathische Variante könnte ja als Erklärung dienen. Für den Vater wird es am einfachsten sein, er zieht soviel wie möglich seine Sprache durch -steter Wechsel, nachdem er ja mehr ans Deutsche gewöhnt ist, verwirrt alle nur - es reicht sicher, wenn Ihr mit denen, die verstehen sollen, die Sprache wechselt. Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 16.09.2021, 14:58



Antwort auf Beitrag von Levine

Ursel hat Dir ja noch ein paar schöne Beispiele gegeben. Es ist eigentlich nicht wirklich kompliziert, das meiste ergibt sich. Der Papa möchte mit den Kindern zunehmend (große Schwester) bzw. nur Englisch kommunizieren, dafür entscheidet er sich bewusst. Das wird sich aber irgendwann als Gewohnheit einschleifen, dann wird es ihm vielleicht sogar schwer fallen wieder zurückzuwechseln und er spricht ganz normal Englisch, obwohl Leute rundrum sind, die ihn nicht unbedingt verstehen. Also komisch fühlt sich das nur am Anfang an, solang es ungewohnt ist. Ich meine, als Geheimsprache ist ja Englisch eh nur bedingt tauglich :-) Also wenn ihr beim Arzt seid, dann sprecht ihr so, dass der Arzt auch alles versteht, aber wie Ursel schreibt: für sowas wie: Zieh Dir schon mal die Jacke an! braucht man nicht extra die Sprache wechseln. Es ist ja auch so: wenn man jetzt z. B. nach Frankreich in den Urlaub fährt, wird man ja auch nicht plötzlich die ganze Zeit mit den Kindern Französisch sprechen, selbst wenn man es gut genug könnte, oder? Ich habe anfangs recht konsequent mit den Kindern in EINER Sprache gesprochen, obwohl ich auch zwei Muttersprachen habe und in der Umgebung eine dritte dominant ist, welche ich auch fließend spreche. Irgendwann haben sie direkt nach der zweiten Sprache gefragt: Mama ich möchte Deutsch sprechen. Das ist mir nicht immer gut gelungen - aus lauter Gewohnheit! Aber jetzt sind sie größer und wir wechseln ziemlich munter hin und her und an diese Vielfalt haben sich auch die Einsprachigen in der Familie so gut gewöhnt, dass wir manchmal vergessen zu übersetzen :-) Also jeder spricht, wie er gerade Lust hat, ich überwiegend in meinen Muttersprachen, manchmal antworte ich den Kindern aber auch in der Umgebungssprache und meine Fehler werden dann von ihnen verbessert :-)

von Kacenka am 16.09.2021, 18:47



Antwort auf Beitrag von Kacenka

Hallo allerseits, vielen Dank für eure ausführlichen Antworten. Ich werde gleich noch ein weiteres Mal alles in Ruhe lesen und auch mit meinem Partner besprechen. Das Kind meines Partners ist übrigens 7, falls ich es oben vergessen hatte. Ich habe auch den Thread weiter unten gesehen und gelesen, aber da es ja doch noch einige Unterschiede gibt, habe ich mich entschieden, den neuen hier zu eröffnen. Wahnsinn, was ihr alles an Erfahrungen mitbringt. Ich bin ganz perplex über diesen Sprachen- und Erfahrungsreichtum. Im Übrigen freue ich mich selbst schon riesig auf dieses "Experiment", denn selbst wenn ich immer auf Deutsch antworten werde, werde ich ja mein Englisch verbessern, sobald mein Partner (eventuell, hoffentlich) mit dem Baby nur, mit mir oft und mit seiner größeren Tochter immer öfter Englisch spricht. Vielen Dank und viele Grüße, Levine

von Levine am 16.09.2021, 20:18