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Kennt das hier jemand?

Thema: Kennt das hier jemand?

Hallo, ich bin Deutsche, wohne jetzt aber schon zwanzig Jahre in Frankreich. Heute habe ich mit meiner besten Freundin in Deutschland telefoniert und gemerkt, dass ich immer öfter Wortfindungsprobleme im Deutschen habe. Oft fallen mir nur noch die französischen Wörter ein, obwohl ich mit meinen Kindern zu Hause Deutsch spreche. Ich habe jetzt etwas Angst, meine Muttersprache zu verlernen. Kennt das hier einer von euch? Muss ich mir Sorgen machen?

von Kl.Leon am 22.01.2020, 19:19



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Kenne ich. Kam bei mir schon nach 18 Monaten und ist wieder weggegangen, sobald ich wieder in einem muttersprachlichen Land war. Ich habe das so empfunden, dass das Gehirn automatisch als erstes auf die dominante Umgangssprache schaltet und daher vor jedem deutschen Wort erstmal nachgedacht werden muss um die richtige Sprach- "Schublade" zu finden. Abhilfe geleistet im Ausland haben mir deutsche Bücher und Hörbücher. Verloren habe ich nichts. Ähnlich wie sich das Vokabular der Situation anpasst. Uni, Fachsprache, Hobbies....Behördentermin, Kindergarten

von AmyBell am 22.01.2020, 21:17



Antwort auf Beitrag von Kl.Leon

Ich kenne das auch. Ich hatte das am schlimmsten nach etwa 7-8 Jahren Deutschland. Irgendwann kam auch nach längerem Nachdenken statt "Gewissensbisse" so etwas wie "Gewissensgebisse" heraus, da wusste ich, es muss was passieren. Ich habe dann Lehrbücher durchgearbeitet, die ich verpasst habe (bin ja mit 10 nach D gekommen), und habe Bücher zur Übung ins Russische übersetzt. Ach ja, und ich habe versucht, auch nicht mehr auf Deutsch zu denken, sondern viel mehr auf Russisch. Mittlerweile klappt es wieder so gut, dass ich auch meine Kinder auf Russisch erziehen kann. ;-) Deutsch ist aber in vielen Bereichen (fast) genauso stark, und in mehreren Bereichen noch stärker als Russisch.

von Ivdazo am 22.01.2020, 22:37



Antwort auf Beitrag von Kl.Leon

Hej! Nee, passiert mir selten, aber ich sehe auch weitgehend deutsches TV (da bin ich schlecht integriert), ich schreibe viel deutsch, ich lebe absolut in meiner Muttersprache. Aber ich denke auch nicht, Du mußt Dir Sorgen machen, denn sobald Du es brauichst und wieder hörst und sprichst, ist es - wie Fremdsprachen auch - wieder da! Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 22.01.2020, 23:57



Antwort auf Beitrag von Kl.Leon

Oh ja, kenne ich gut, und mein Deutsch ist teilweise peinlich. Ich habe mit 14/15 Deutschland verlassen, und gerade im Berufsalltag fällt mir immer wieder auf das mir teils einfach das Vokabular fehlt - also nicht nur entfällt, sondern ich wirklich nachschlagen muss wie man nun z.B. diese bestimmte Art Heftklammer nennen könnte. Ich merke wie ich sprachlich gerade wieder fauler werde - mein früherer Chef war Deutscher, da wollte ich mich ja nicht nur verständlich machen, sondern zudem durch präzise Wortwahl bestechen - was habe ich in unseren Regelterminen geschwitzt und hatte den Eindruck, ich benutze immer nur dieselben limitierten Ausdrücke und Redewendungen... mein neuer Chef ist Franzose, spricht zwar oft auch Deutsch mit mir, aber da fühle ich weniger Druck, nur hoch gestochenes Deutsch zu verwenden, und er hebt nicht die Augenbraue, wenn ich mal einen englischen Begriff dazwischenwerfe, weil mir gerade das deutsche Wort nicht einfällt. Zuhause sehen wir fast nie fern, und wenn dann meist Englisch, da habe ich wenig Gelegenheit zum Auffrischen. Zeitung lese ich an erster Stelle auf Englisch, wenn ich dann noch eine Minute habe schaue ich kurz in die deutsche Presse - aber das reicht nicht. Auch Bücher lese ich gerade wieder hauptsächlich auf Englisch - ich glaube, das RUB ist wirklich der Moment, wo ich am stärksten ins Deutsche eintauche, und da bin ich nun auch nicht täglich... Bisher ist es jedoch so, dass ich die deutsche Sprache relativ schnell wieder parat habe, wenn wir in Deutschland sind - inzwischen, da meine Eltern nicht jünger werden, sogar wieder einmal im Jahr statt alle paar Jahre. Das ist immer eine gute Gelegenheit zum Auffrischen, auch für die Kinder. LG

von Korya am 23.01.2020, 01:16



Antwort auf Beitrag von Kl.Leon

Vor ein paar Jahren sollte mein aus Schottland stammender Arbeitskollege eine Praktikantin auf Englisch in Sachen Arbeitsschutz belehren. Er hatte da echt Probleme!!! Und das Deutsch von Arnie Schwarzenegger ist doch auch ... stark "beschädigt". Trini

von Trini am 23.01.2020, 11:32



Antwort auf Beitrag von Kl.Leon

Mein Mann ist Niederländer und wir leben in Deutschland, seit nun mehr 18 Jahren gemeinsam, vorher waren wir die gemeinsam 4 Jahre in NL. Mein Mann spricht mit seiner Familie auch oft " Kauderwesch" und mischt deutsche Worte in seine Muttersprache oder weiß Begriffe nicht mehr in NL. Ich glaube, dass das völlig normal ist, und du sobald Du mal 3 Wochen in D wärst wieder "fließend" Deutsch sprechen würdest. Ich glaube, im Alltag mit Kinder spricht man anders als mit Erwachsenen und hat einen kindgerechteren Wortschatz. Andere Begriffe/ Themen bespricht man nur selten mit jemanden und die Begriffe rutschen vielleicht im Gehirn einfach weiter nach hinten, so dass wir sie erst suchen müssen und sie uns in der Fremdsprache geläufiger sind. LG Muts

von Muts am 24.01.2020, 20:37



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Hej Muts! Du erklärst das genauso wie ich mene Leuten oft erkläre, wo Ihr Deutsch aus Schulzeiten abgeblieben ist oder hinverschwindet, wenn sie eben nicht täglich ein paar Minuten (MINDESTENS) Deutsch hören, lesen, sprechen o.ä. Wie die Weihnachtskisten : diestehen bei mir jetzt wieder ganz oben ganz hinten, da kommt die Osterkiste bald vor, da kommen andere Dinge vor - sie snd noch da, aber es wird immer schwerer sie wieder vorzuholen, je länger man sien icht braucht. Wenn aber Weihnachten kommt, kann ichs ie eben hervorkramen, macht Mühe, ich muß viel wegräumen = mich anstrengen: Aber ich kann sie wiederfinden. Wer aberdieweihnachtsksite oder anders: sein deutsch nicht immer wieder so vorkramen will, muß sie frei und vorne stehen haben, und das geht eben ur mit täglichem Nachvorneholen - sonst bauen sich andere Dinge davor, werden davor abgestellt etc. Ich höre und benutze viel Deutsch in meinem Alltag, also fehlen mir da eigentlich selten bis nie deutsche Worte - manchmal jedoch durchaus nochmal ein dänisches. Ist eben meine (inzwischen 1.( Fremdsprache, mein Englisch ist dabei leider wie so eine Weihnachtskiste etwas nach inten gerutscht, kann aber schnell wieder aktiviert und bei mehr Gebrauch so gut wie vorher werden. Jetzt mische ich eher dänische Wörter ins Englische. Fragt mich aber bitte nicht,wo meine französische Weihnachtsiste gelandet ist???? Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 24.01.2020, 22:02



Antwort auf Beitrag von Kl.Leon

Hi, ich habe knapp 6 Jahre in England gelebt und war dort auch mit einer Britin verheiratet, hatte keinerlei Deutsche Freunde oder dergleichen, dass Deutsch was ich sprach kam nur durch Telefonate mit meiner Familie, Video Spielen und eher seltenen Besuchen nach Deutschland. Die Sprache kannst du so einfach nicht verlernen, dass du eine etwas verfälschte Grammatik benutzt ist vollkommen normal, schließlich nutzt du 24/7 Französisch und nicht Deutsch. Du kannst aber dagegen angehen indem du das tust was auch die Leute tun die Fremdsprachen erlernen wollen und das ist PRAXIS. Finde ein Paar Deutsche mit denen du mehrmals die Woche sprechen kannst, ob Online oder im realen Leben. Aber keine Sorge, man kann die Muttersprache nicht wirklich verlernen, da muss man schon im Kindes oder frühen Jugendalter auswandern und wirklich keinen Kontakt mit der Muttersprache mehr haben. Die Muttersprache kann sich nur verschlechtern bzw verändern, mehr aber auch nicht. Hoffe ich konnte dir ein wenig die Sorge nehmen. Gruß Styler

von TheStyler92 am 27.01.2020, 20:31