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starke Sprache / schwache Sprache - Termini

Thema: starke Sprache / schwache Sprache - Termini

Hej allesammen! Nachdem ich nun mehrmals darüber gestolpert bin und früher ähnlich in die Falle tappte, will ich evtl. mal einen Gedankenanstoß losschubsen. Ihr sprecht von starker und schwacher Sprache, das meint: Umgebungssprache = starke Sprache, weil das Kind sie eben dauernd und öfter hört und Sprache eines (ausländischen) Elternteils oder beider ausländischer Eltern = schwache Sprache, weil die eben nur von der betreffenden Person / den betreffenden Eltern gesprochen wird. Soweit so gut. Nun wurde ich vor sehr langer Zeit auf der dänischen Mailingsliste zu mehrsprachigen Kindern mal darauf aufmerksam gemacht, daß eine Mutter diese Begriffe (stark / schwach) gar nicht mochte. Heute verstehe ich sie noch besser, denn ich habe zumindest 1 Tochter, die keine starke oder schwache Sprache hat, sie hat 2 (gleich) starke Muttersprachen. Vielleicht, vielleicht würde ich bei meiner kleinen Tochter von einer stärkeren und einer schwächeren Sprache reden, aber eben nur vielleicht, weil ich wesentlich ausgeprägtere Fälle kenne. Nun, worauf ich hinaus will: Wir sollten uns angewöhnen, die Termini richtig anzuwenden, denn wenn wir es nicht tun, wer dann? Und wenn wir es alle nicht tun, dann schleichen sich fatale Mißverständnisse und Fehlinformationen ein. Was denkt ein Sprachtherapeut, ein Lehrer,.... wenn er hört, das Kind wird mit einer starken und schwachen Sprache erzogen? Aaha, denkt der kluge Mann - die schwache ist Sprache ist also fehlerhaft, nicht so geläufig/fließend, nicht so gut beherrscht... kann evtl. also auch weggelassen werden - wer will Fehlerhaftes? Stimmt aber doch nicht unbedingt, ist nicht das, was wir meinen. Hier in Dk haben wir eine schlimme Entwicklung durchlaufen, als die Medien und Politiker irgendwann anfingen (aus lauter Scheu, das Kind beim Namen zu nennen und von Ausländern zu reden), von "Zweisprachigen" zu reden - meistens waren damit ethnische Minderheiten gemeint, die fast noch kein Dänisch konnten,die sozale Probleme verursachten, die in den Schulen plötzlich überrepräsentiert waren, die kriminell waren etc. --- der Begriff zweisprachig - wertneutral oder eigentlich fast positiv - bekam in DK einen schlimmen negativen Ruch --- nur weil er leichtfertig mißbraucht wurde. Wir stoßen, das weiß ich von den Listen, auf denen ich war oder bin und von den Menschen, mit denen ich in Kontakt stehe, auf genügend Probleme - wir müssen wirklich m.E. darauf achten, daß wir unsere "Problematik", unser Phänomen, mehrsprachige Kinder zu haben, richtig erklären - deshalb meine Bitte, einmal darüber nachzudenken, ob die schwache Sprache wirklich die zuhause gesprochene sein muß ... (für ein Kleinkind, das weitgehend zuhause ist, kann sich das durchaus andersherum präsentieren). Umgebungssprache, Familiensprache etc. sind Begriffe, die eindeutiger erkären, was wir meinen - oder was meint Ihr? Ring frei zur Diksussion - und verzeiht einer, die sowieso schon immer mit Sprache(n) einen ausgeprägten Knall hatte und sich gern genau und differenziert ausdrückt. Ursel, DK

Mitglied inaktiv - 13.02.2006, 21:48



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Hallo Ursel, als betroffenes zweisprachiges 'Kind' und nun junge Mutter bin ich voll und ganz Deiner Meinung. Von diesen Bezeichnungen halte auch ich nichts - solche Termini können unsere Einstellung und Wahrnehmung beeinflussen - negativ in diesem Falle. Es ist eine großartige Sache Sprachen zu sprechen und multi-kulti in sich als Person zu leben. Wenn man von vorn herein eine Sprache als schwach abstempelt, hat man irgendwie nicht die richtige (positive) Einstellung und gibt diese Wertabstufung mehr oder weniger bewusst auch an die Kinder weiter. Für mich ist meine Muttersprache sehr stark - emotional und als wichtiger Teil meiner Identität. Sprachen sind in jedem Fall eine Stärke! galia

Mitglied inaktiv - 13.02.2006, 23:18



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Ursel, du hast eben Glueck, dass deine Kinder keine "schwache" Sprache haben. Also warum in deinem Fall diese von dir eh nicht geliebte Terminologie benutzen? Bei meinen Kindern ist es aber eindeutig so, dass die Sprache der Mutter ihre schwache Sprache, die Sprache des Vaters und der Umgebung die starke Sprache ist. Ist nunmal Tatsache und die schwache Sprache ist in der Tat fehlerhaft, sowohl im Verstaendnis, im aktiven Sprachgebrauch und erst recht im lesen und schreiben. Es gibt keinen Bereich in dem sie deutsch genauso gut gebrauchen wie englisch. Ich sag zwar immer andern Leuten meine Kinder verstehen alles was ich auf deutsch sag - aber Tatsache bleibt, dass ihr passives Vokabular auf englisch groesser ist als auf deutsch. Wobei bei Annika das englische Vokabular zudem wesentlich groesser ist als ihrem Alter entsprechen wuerde. Wenn unerfahrene von unserer Zweisprachigkeit hoeren, denken sie oft erstmal "oh wie schoen, da wachsen die Kinder ja ganz leicht/automatisch mit zwei Sprachen auf". Ganz leicht?????? Dass ich nicht lache ... Du weisst sicherlich, dass ich mir einen Haufen Arbeit damit mache, da ist nichts mit leicht, weder fuer mich, weder fuer die Kinder die nun zur Samstagsschule geschleppt werden, noch fuer die Familiendynamik wo der Vater die zweite Sprache nicht kann. Deine Alternativvorschlaege passen fuer uns naemlich auch nicht. Klar, Umgebungssprache ist Englisch ("stark"), Familiensprache ist auch englisch ("stark"). Und deutsch? Soll ich da jetzt "Muttersprache" zu sagen? Will ich nicht, denn das hiesse ja fuer mich das bischen deutsch, was die Kinder koennen, wird weiter abgewertet, weil sie in dem Begriff nicht mit eingeschlossen sind. Ist ja schoen, wenn die Fachbegriffe passen, aber es gibt doch wegen der vielen persoenlichen Familienkonstellationen massenweise Abweichungen. Selbst das beliebte OPOL passt ja nicht wirklich auf uns. Denn sobald der Vater zugegen ist, darf ich als Mutter meine Sprache nicht sprechen und muss statt dessen wieder die Sprache des Vaters reden. So supergluecklich bin ich mit den Begriffen "schwach/stark" auch nicht. Aber in erster Linie, weil sie eben leider leider den Tatsachen entsprechen. Wie bei allen Familien mit unterschiedlichen Sprachen bei den Eltern, die ich hier kenne (wenn auch mit unterschiedlich starken Auspraegungen). Es waere wirklich schoen, wenn beide Sprachen gleich dominant waeren und ich mir deine Gedanken machen koennte *ggg* Gruss aus Calgary, Canada Beatrix

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 05:03



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Hallo Ursel - dann klinke ich mich mal ein hier in diese Diskussion *zwinker* Ich persönlich muß sagen, dass mich diese Unterscheidung von stark/schwach momentan nicht stört. Aber ich kann gut verstehen wenn Du es vorziehst das anders auszudrücken. Das verbindet sicher jeder von uns mit anderen Assoziationen. In unserem Fall jedoch kann ich z.B. nicht auf die Begriffe Familien- oder Umgebungssprache zurückgreifen um auszudrücken welche davon "besser/richtiger" gesprochen wird. Wir leben in Deutschland, ich spreche mit den Kindern (6 und 3 Jahre) Spanisch, mein Mann Deutsch. Unsere Familiensprache ist Deutsch (siehe auch bei Beatrix). Ist Spanisch jetzt die Muttersprache? Da ich selbst in D geboren bin und auch mit meinen Eltern nur Deutsch spreche ist eigentlich Deutsch für mich meine Muttersprache. Aber gut, worauf ich eigentlich hinaus wollte ist, dass unsere Kinder unterschiedliche "starke bzw. schwache Sprachen" haben. Der Große spricht fließend beide Sprache, wenn er mir jedoch aufgeregt von etwas erzählt dann fließen immer mehr deutsche Wörter in seine Erzählung ein. Der Kleine widerum spricht viel besser Spanisch als Deutsch. Ich würde also sagen, dass die starke Sprache unseres große Sohnes Deutsch ist, und die unseres kleineren Spanisch. Da könnte ich gar nicht sagen, dass die Umgebungssprache stärker ist, zumindest nicht bei allen gleichzeitig. Langer Rede kurzer Sinn: ich sehe für mich keine andere Möglichkeit als weiterhin von starker und schwacher Sprache zu sprechen, da diese Bezeichnung auch nicht immer nur an eine Sprache gebunden ist sondern bei uns auch von Kind zu Kind varriert. Das war's von mir, rebeca

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 09:54



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liebe ursel prinzipell bin ich immer dabei, wenn es darum geht, begriffe zu überdenken, sie noch differezierter zu benutzen und nichts 'einfach so' zu übernehmen. unbedingt! und deshalb finde ich deine überlegungen sehr bedenkenswert. ist immer gut, sich darüber auszutauschen. aber in diesem fall sehe ich das problem, zumindest in der allgemeinheit, nicht. auch bei uns gibt es faktisch stärkere und schwächere sprachen. das ist bei mir als dreisprachige person so, und ist bei meinem sohn auch so. das muss nicht immer so bleiben, wechselt auch mal phasenweise (sohn hat z.b. mit spanisch angefangen und ist auch länger dabei geblieben, aber wie bei beatrix aus canada, ist das unüberseh- und -hörbar. jetzt kommt es drauf an, was man damit mein und was man genau sagen will. umgebungssprache, familiensprache, starke und schwache sprache, muttersprache usw. - das muss alles nicht zusammenfallen. ich sage z.b. immer, dass ich drei muttersprachen habe. weil ich wirklich so aufgewachsen bin. spanisch + englisch von anfang an zuhause bzw. zum teil auch in den ländern, in denen wir gewohnt habe. deutsch war dann später nur umgebungssprache und nur insofern famliliensprache, als meine schwester + ich miteinander ab einem bestimmten zeitpunkt deutsch miteinander sprechen. mit meiner mutter aber NIE. von den bedingungen her, sind also alle drei muttersprachen - nur sind sie nicht alle gleichermaßen an meine mutter gebunden. meine stärkste sprache ist deutsch - aber nur solange ich in D bin. wenn ich z.b. in den usa oder argentinien bin, dann wird es phasenweise entweder englisch oder spanisch. natürlich gibt es kinder, bei denen die familiensprache die stärkere ist. das ist z.b. bei vielen türkisch- oder kurdischstämmigen kids in deutschland der fall. mir persönlich wäre eine andere differenzierung VIEL wichtiger, nämlich die rigorose trennung von sprachen. das konzept des "richtig" deutsch oder "richtig" englisch sprechen finde ich oft sehr problematisch. wenn man alle menschen am duden und der tagesschau misst, sprechen ca. 80% der leute "falsches" deutsch. das ist absurd. meine studis an der uni trauen sich nicht englisch zu lesen oder mal zu sprechen, weil ihnen in der schule eingebläut würde, es gäbe nur EINE richtige art + weise, korrektes 'queen's english' zu sprechen. das ist totaler wahnsinn! auch historisch ist das quatsch. denn sprachen entwickeln sich immer als misch-masch verschiedener einflüsse. wer das leugnet hat schlicht keine ahnung. und dennoch werden dauernd, zumindest in D, massenhaft kinder diskriminiert und abgewertet, die kreativ, mutig, eigenständig und ihrer umgebung entsprechend mit mehreren sprachen umgehen. so wird im deutschen auch immer (noch!!) von "fremdworten" gesprochen. als ob lateinische, griechische, französische, friesische usw. worte "verunreinigungen" des deutschen wären. politisch ist das momentan extrem wichtig. meine ich jedenfalls. denn wenn kinder immer nur lernen, dass sie nicht "richtig" sind, weil sie anders sprechen, als es die lehrbücher vorsehen, ist das übel! lg paula

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 11:11



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...Zwei gleichstarke Sprachen? Liebe Ursel, tolle Diskussion hast du entfacht. Sehr interessant. Ich persoenlich glaube, dass eine Sprache immer schwaecher ist. Es gibt immer eine Sprache, die man ein ganz klein bischen besser kann. Ich frage alle zwei und mehrsprachigen immer wie perfekt sie die Sprachen beherrschen. Viele sprechen die Sprachen gleichgut, akzentfrei ABER es gibt immer eine Sprache in der man bevorzugt liesst (weil es ein klein bischen schneller geht) und das duerfte zumeist die Umgebungsprache sein. Insofern gibt es glaube ich fuer jeden Mehrsprachler eine wirklich starke und eine oder mehrere schwache Sprachen. Der Terminus "schwach" hat sicher generell eine negative Konnotation, da gebe ich dir recht, aber ich habe keine ALternative...Die Unterteilung in Mutter-und Umgebungssprache passt auch nicht immer wie du an den anderen Beitraegen siehst. Gruss Christiane

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 13:32



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Ich sehe da eigentlich kein Problem, da ich die Begriffe starke und schwache Sprache in Gegenwart meiner Kinder nie und in Gegenwart sonstiger Dritter fast nie verwende. Oder sagst Du zu Deinen Kinder: Dänisch ist Deine starke Sprache, Deutsch Deine schwache Sprache? Das macht man doch nie, allenfalls sagt man mal, Du sprichst ja super Deutsch, wenn Du Dir noch ein klein bißchen mehr Mühe gibst, ist es bald so gut wie Dein Dänisch. Auch zu Dritten sagt man doch eher, meine Töchter können sehr gut Englisch, aber Ihr Deutsch ist doch besser, weil sie es mehr hören usw. usf. Die Begriffe "starke" und "schwache" Sprache sind doch eher Fachtermini, die wir hier unter uns zum besseren Verständnis der Situation der anderen Familie verwenden. Und das ist gut und verständlich. Liebe Grüße Silvia

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 17:45



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hej allesammen! Ich freue mich auch,daß ich mit dem Thema eine Diskussion losgetreten habe. Ich weiß nicht, ob ich richtig rübergekommen bin. Natürlich (?) haben die meisten Kinder eine starke und schwache Sprache - dann stimmt der Begriff, das geschieht ja vermutlich nach kenntnisnahme, nach Beurteilung der Beherrschung der beiden Sprachen. Aber gestutzt habe ich ja bei der üblichen Verwendung: Starke Sprache = Umgebungssprache schwache Sprache = die andere Sprache Diese Definition sagt ja erstmal nichts über die Kenntnisse der Kinder aus. Mal abgesehen davon, daß ich auch meine, man belegt da irgendwie eine Sprache mit einem mangelhaften und zugleich negativen Begriff, so denke ich auch, daß gerade weil es in der Fachsprache üblich ist, diese Begriffe anscheinend zweimal zu belegen (s.o.), es zu Mißverstüändnisse führt, die wir ja eigentlich am liebsten vermeiden wollen. Meine deutsche Sprache ist im Prinzip nicht schwächer vertreten als die dänische, denn die Kinder leben quasi in einem deutschen Haushalt --- Lediglich mein mann spricht innnerhalb der 4 Wände dänisch mit ihnen. So kann es ja auch für viele andere sein, die in der glücklicheren Lage sind, die Familiesprache in der nicht-Umgebungssprache zu haben und auch sonst gut an diese Sprache "angekoppelt" sind. Ist es also richtig, diese Sprache dann "schwach" zu nennen? Und wenn, dann sagt das ja auch noch nicht automatisch, daß diese schwache Sprache (weil nicht Umgebungssprache) auch die schwache Sprache der Kinder ist. Für mich trifft der Begriff dann zu, wenn eine Sprache deutlich weniger beherrscht wird als die andere - aber das muß doch vo nfall zu Fall beobachtet werden un dist nicht gleichbedeutend mit Umgebungs- und anderer Sprache. ich freue mich aber, wenn ich ein bißchen zum Nachdenken anregen konnte, wie wir unsere Sprache(n) auch hier benutzen, wie gesagt hat es in DK mit dem Begriff "zweisprachig" eine derartig unglückliche Wendung genommen, daß dies sogar in den Medien aufgegriffen wurde - nachdemsie selbst ja nicht wenig dazu beigetragen hatten, es so verklüseln... Einen schönen Abend noch -Ursel, DK

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 19:21



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Ursel, ich gebe Dir dahingehend recht, dass die übliche Verwendung der Termini, also Starke Sprache = Umgebungssprache schwache Sprache = die andere Sprache nicht unbedingt richtig und für Außenstehende sehr verwirrend ist. Allerdings ist es nun mal ein Fakt, dass die meisten Zweisprachigen eine starke und eine schwache Sprache haben. Was in gewissem Sinne aber auch gut ist. Denn oft spiegelt die starke Sprache ja auch ein gewissens Heimatgefühl wieder - und ohne ein solches hat man es sicher schwer. Als Beispiel dafür fällt mir eine ehemalige Kollegin ein (oder besser: sie sollte meine Nachfolgerin im Job werden). Tochter eines Briten und einer Deutschen, aufgewachsen und zu Schule gegangen zeitweilig in GB und zeitweilig in D sprach sie beide Sprachen völlig akzentfrei und ohne dass man von starker und schwacher Sprache hätte reden können. Klingt bis hierher doch toll. So wünscht man es sich - zumindest als Außenstehender. Sie selbst hatte aber das Problem, das weder D noch GB für sie Heimat bedeuteten, sie sich weder deutsch noch britisch fühlte und somit nirgendwo zu Hause war. Das war jetzt nur mal ein Beispiel am Rande, sicher gibt es auch gegenteilige Fälle. Also zerfleischt mich deshalb nicht ;-) Tja, aber welche Termini sollte man denn verwenden? Umgebungssprache und Familiensprache wäre eine Möglichkeit, aber was macht man dann im Falle von dreisprachigen Personen? Muttersprache, Vatersprache und Umgebungssprache??? LG platschi

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 20:15



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Hallo allesamt, ich melde mich nun noch einmal zu Wort. Ich behaupte mal ganz fest, dass die jeweilige Sicherheit, Vokabular etc. keine festgelegten Dinge sind. In Abhängigkeit von der jeweiligen Situation kann das nämlich sehr variieren. Da kann man möglicherweise eine Sache in einer Sprache besonders gut und treffend ausdrücken und eine andere wiederum in einer anderen Sprache. Ich habe fast mein gesamtes 'Jugendlichenalter' außerhalb von Deutschland in verschiedenen Ländern verbracht und bin nun seit 4 Jahren wieder in Berlin. Als ich hierher zurückzog war mein früher so sicheres Deutsch anfangs ganz schön eingerostet und ich hatte eine etwas 'eigenartige' Aussprache. Dafür konnte ich auf Italienisch z.B. viele Dinge ausdrücken, die ich auf meinen anderen Sprachen nicht so konnte, da ich eben auf Italiensich studiert hatte und somit viele Fachbegriffe sowie eine gewisse Flüssigkeit nur da bestanden. Als Kind wiederum war jeweils meine Mutter- und Haussprache in den Sommerferien bei meinen Großeltern jeweils die stärkere, Deutsch dann wieder wenn ich eine Weile hier war. Ich spreche insgesamt 8 Sprachen und die jeweilige Stärke, Sicherheit, Vokabular und Flüssigkeit befinden sich im stetigen Wechsel untereinander- lange Rede kurzer Sinn - ich meine also es ist eine 'schwimmende' Angelegenheit mit den Sprachen und mitnichten grundsätzlich festgelegt. Meines Erachtens ist es daher eigentlich kein Ding der Unmöglichkeit die sogenannte 'schwache' Sprache seines Kindes zu stärken bzw. zu aktivieren. Natürlich wird die Sprache, die man am häufigsten spricht und in der man lernt, studiert etc.. in der Regel immer zur Zeit die 'flüssigste' sein. Zur Zeit! Es gibt sehr wohl wechselnde Unterschiede; dennoch gefallen mir persönlich die Ausdrücke stark und schwach nicht - sie klingen so festgelegt und so endgültig. Das ist eine Sprachsituation nie. Zu den Überlegungen von Paulita - ja, ich bin auch ein Fan der sprachlichen und 'mundartigen' Vielfalt - unbedingt. Trotzdem ist eine gute und korrekte Beherrschung der jeweiligen Hochsprache unabdingbar. Nicht umsonst ist die Sprache eines Menschen wie seine Visitenkarte und es lässt sich mit (ich wage zu sagen) 100% Sicherheit Bildung und Niveau eines Menschen an seiner Sprache ablesen. grüße! galia

Mitglied inaktiv - 14.02.2006, 20:17



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Hej Platschi! Du hast sicher überlesen, daß ich auch geschrieben habe, daß es meistens oder wenigstens oft so ist, daß Kinder eine starke und eine schwache Sprache haben. Das ist aber - so finde ich (spitzfindig, mag mancher sagen) - aber nicht unbedingt gleichbedeutend mit Umgebungs- und anderer Nicht-Umgebungssprache. Die starke Sprache und die schwache Sprache bei einem Kind kannst Du ja nicht einfach generell als starke = Umgebungs- und schwache = andere Sprache annehmen; jeder verantwortungsbewußte Mensch wird doch das Kind sprechen lassen, beobachten etc. und dann zu seinem schluß kommen. Das ist also irgendwo nicht der punkt. ich bestreite die Existenz einer starken und schwachen Sprache ja gar nicht. ich finde nur - und die Diskussion bzw, Schwierigkeit, mich verständlich zu machen zeigt dies vielleicht - die Termini mischen sich manchmal recht verantwortungslos - und genau darum habe ich auch unser Bsp. mit "zweisprachig" angeführt, denn da sind die Zweisprachigen arg in Verruf gekommen. Übrigens liegt die Heimatlosigkeit Deiner Bekannten vermutlich ja wohl nicht an den beiden perfekt beherrschten Sprachen, sondern an den diversen Umzügen - auch hier wieder fände ich es gut, genau zu sein! Einen schönen Feierabend - Ursel, DK

Mitglied inaktiv - 15.02.2006, 17:48



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Hej Galia! damit stärkst Du ja eigentlich meine Überlegungen, denn ich mache starke und schwache Sprache ja auch immer vom jeweiligen Menschen abhängig und verwende es eben nicht gern als Synonym für Umgebungssprache - Nicht-Umgebungssprache. (Das war ja auch der Punkt, an dem sich mein Anliegen entzündete sozusagen, lächel.) Ganz gewiß ändern sich die Stärken und Schwächen mit der Lebenssituation - und dies ist eben ... naja, s.o. Ich halte es übrigens auch für wichtig, die jeweilige Hochsprache gut zu beherrschen, nach Möglichkeit auch in ihren Strukturen zu verstehen. Genau deshalb wird ja auch Muttersprachenunterricht als wichtig angesehen (leider nicht von den Politikern!), denn die gute Beherrschung der Muttersprache ist eben eine Grundvoraussetzung für die Beherrschung einer anderen Sprache. und die Fehler, die ich manchmal von Dänischanfängern schriftlich sehe (mündlich ist das wieder eine andere, weil temporeichere Sache), die wären so nicht möglich, hätten die Leute ein bißchen mehr Einblick in grammatikalische Strukturen - den Aufbau von Sprache als solcher - genommen. Einige Grüße - Ursel, DK

Mitglied inaktiv - 15.02.2006, 22:09