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Geschrieben von ClaraWinter am 08.11.2011, 12:46 Uhr

Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Hallo,

wir (beide deutsch) leben mit unseren Kindern in Brüssel, die zwei älteren Kinder gehen in einen bilingualen deutsch-frz. Kindergarten. Es gefällt ihnen gut und sie sind dort in liebevollen Händen, allerdings lernen sie unter lauter deutschen Kindern nicht wirklich viel Französisch, was wir etwas schade finden, und sie selbst auch.
Jetzt haben wir für unseren Kleinen (2,5) einen Platz in einem kleinen regionalen französischsprachigen Kindergarten angeboten bekommen. Einerseits freuen wir uns, weil er so die Möglichkeit der Zweisprachigkeit bekommt, allerdings ist das französische System - hmm - ja allgemein nicht so wahnsinnig kinderfreundlich.
Hat hier jemand Erfahrungen mit französischen Kindergärten in Belgien? Können wir uns das "trauen"?

 
21 Antworten:

Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von streepie am 08.11.2011, 13:09 Uhr

Nicht mit franzoesischen Kindergaerten in Belgien, sondern mit der Ecole Maternelle in Frankreich. Und als "kinderunfreundlich" wuerde ich die Ecole Maternelle wirklich nicht bezeichnen.

LG
Connie

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von Pamo am 08.11.2011, 15:11 Uhr

Leider keine Erfahrung mit Kindergaerten.

Aber ich bin als Kind in Bruessel auf die DSB (Deutsche Schule Bruessel) gegangen und finde es rueckblickend keine gute Wahl. Wenn die Kinder mal eingeschult werden, rate ich stark zur Europaeischen Schule.

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von ClaraWinter am 08.11.2011, 18:52 Uhr

Warum hat es Dir dort nicht gefallen bzw. warum würdest du davon abraten?
(wir werden vermutlich nur einige Jahre in Belgien sein, daher wird unser ältestes Kind wohl in der DSB eingeschult werden, damit es sich bei einer Rückkehr im deutschen System zurechtfindet).
Europäische Schule finde ich auch gut, aber Plätze zu bekommen als Nicht-EU-Mitarbeiter oder Diplomat ist ja leider mehr oder weniger unmöglich.

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von Pamo am 08.11.2011, 20:10 Uhr

Es war ein Ghetto von NATO-Kindern, alle ziemlich schickmicki, der gesellschaftliche Druck unter den Kindern war sehr stark. Man lernte kein vernuenftiges Franzoesisch, man war von der belgischen Bevoelkerung isoliert. Es war eine sehr unschoene Erfahrung und rueckblickend wars ein Fehler. Der deutsche Zweig der EU-Schule waere viel besser gewesen oder sogar der englischsprachige Zweig.

Mein Kind geht hier auch nicht auf eine deutsche Schule und ist gerade eingeschult worden. Wir sorgen zuhause dafuer, dass sie den Anschluss ans deutsche Schulsystem haben wird. Mal abgesehen davon, dass man hier (zumindest in den ersten Klassen) mehr lernt als in Deutschland und wir im Gegenteil ueberlegen muessen, was wir mit einem Kinde anfangen, dass naechstes Jahr in D in die 1. Klasse eingeschult wird, aber bereits englisch und deutsch lesen und schreiben kann.

Sprecht ihr zuhause deutsch? Dann gibts m.E. keinen Grund das Kind auf eine deutschsprachige Schule zu schicken.

Bruessel ist wunderbar. Ich hoffe, ihr habt eine gute Zeit dort!

LG

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von Eileen am 09.11.2011, 15:30 Uhr

Also ich bin in Belgien geboren und aufgewachsen und ich finde das belg. Schulsystem um einiges besser als das Deutsche (bitte nicht steinigen ). Der Kindergarten ist in diesem Schulsystem mit eingebunden - der Direktor oder die Leitung eines Kindergartens ist gleichzeitig der Direktor/die Leitung der dazugehörigen Grundschule. Ich verstehe was Du meinst mit "mit Vorsicht zu geniessen" - ich fand dafür dann einfach die deutschen Eltern in allen Fragen bzgl. des Kindergartens etwas überfürsorglich und naja .... auch komisch. Belgische Kindergartenbetreuer haben eine spezielle 3-jährige Ausbildung dafür und sind auf jeden Fall genau so kompetent wie ihre deutschen Kollegen.
In Belgien gibt es 2 Schulsysteme: Staatliche Schulen und Katholische Schulen. Letztere kosten auch nix und sind in der Qualität einfach besser - (meine Meinung) es gibt aber nur die Möglichkeit Kath. Relgionsunterricht zu bekommen; kein Ethik usw...
6 Jahre Grundschule - ganztagsunterricht (nicht Betreuung) ist viel besser, da die Lehrerin/der Lehrer Zeit hat um mit den Kindern zu üben (was auch tatsächlich gemacht wird - habe ich hier bei meinen Kindern vermisst). Morgens ist Mathe/Muttersprache als Unterrichtsfach dran, am Nachmittag Kunst, Geschichte usw... eben die "leichteren" Fächer.
Im Kindergarten sind die Kinder nach Altersgruppen eingeteilt - die Dreijährigen in Gruppe 1 - die Vierjährigen in Gruppe 2 und die Vorschulkinder in Gruppe 3. Der Tagesablauf ist genau so wie in einem deutschen Kiga, und genau so schön - ich habe die Zeit als Kind dort genossen. Man ist im Vergleich zu Deutschland überhaupt vielleicht etwas strenger und geordneter im ganzen "Schulbetrieb" und dazu gehört auch der Kindergarten. Mittags können die Kinder in der 1 1/2 St. Mittagspause nach Hause oder sie bleiben im Kiga.
Du könntest Dein Kind auch in einem Flämischen Kindergarten geben -wäre der deutschen Sprache etwas näher und die Fremdsprachenausbildung (Französisch) in einer flämischen Grundschule ist sehr gut !
Naja - bin halt selber Flämin....;-) !
Wenn Du Fragen hast - gerne !
Gruß - Eileen

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von ClaraWinter am 09.11.2011, 16:15 Uhr

Vielen Dank für die Erfahrung.
Ja, ich bin wohl auch so überfürsorglich ;-)
Aber wir werden es wohl einfach mal ausprobieren, es ist übrigens eine katholische Schule.
Flämische Schule hatten wir auch schon überlegt, aber die nächste liegt so ungünstig.

Belgien/Brüssel gefällt uns übrigens super (wir wohnen im Fazilitätengebiet und bekommen dadurch die flämische und die französische Seite mit), ein tolles Land mit sehr netten Einwohnern!

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von oeli_bene am 10.11.2011, 15:00 Uhr

Als kinderunfreundlich würde ich das System nicht unbedingt bezeichnen :-)
Allerdings wollte ich meine Kinder nicht in das belgische System stecken. Zum einen hat mir das System mit Prüfungen am Ende des Schúljahres nicht gefallen, flämisch ab der 3. fand ich auch nicht gut und zum anderen , naja, ich traue nichts öffentlich-rechtlichem hier.

Die deutsche Schule in Brüssel is jwd und eben sehr, sehr deutsch. Europäische Schule kannste vergessen, wenn du nicht bei den Institutionen bist. Ein Kompromiss könnte das Lycee Francais sein, dort gibt es einen deutsch-frz. Kindergarten (ecole maternelle) mit 50% frz und 50% deutsch. Pausenhofsprache ist aber frz. Ab 2012 sogar in brandneuem Gebäude. In der Grundschule haben die Kinder dann 6 Zeitstunden deutsch. Das Lehrprogramm ist vom französischen Kultusministerium und über die Qualität musst Du Dir keine Gedanken machen. Den Wechsel auf ne dt. Grundschule kriegen die Kids locker hin. (Das LF Bxl gilt als eine der 5 besten Schulen Frankreichs.)

Von den Schulgebühren ist es sogar günstiger, als auf der deutschen Schule. Und Plätze in der deutschen Sektion gibt es normalerweise auch. Belgier wirst Du weniger dort finden (na gut, eine der Prinzessinen) aber in den suedlichen Brüsseler Bezirken scheint es eh mehr Franzosen als Belgier zu geben ...

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von ClaraWinter am 11.11.2011, 12:43 Uhr

Auch für diesen Hinweis vielen Dank!
Wir haben uns allerdings mittlerweile nach einer Besichtigungstour entschieden, den katholischen/belgischen/französischsprachigen zu nehmen, denn der Kindergarten/Schule ist hier quasi um die Ecke, ist ziemlich klein (einzügig) und überschaubar und sämtliches Personal wirklich nett. Und Flämisch lernt man spielerisch schon ab dem Kindergartenalter.

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von Eileen am 12.11.2011, 5:22 Uhr

Kann heute nicht so gut schlafen und jetzt die Nachrichten gelesen.
Naja - überfürsorglich ist manchmal ja nicht schlecht. Warum hatte die eine Dame bitte etwas gegen Flämisch als Fremdsprache in der 3.Klasse einer Wallonischen Schule? Tut mir leid - so sollte es sein...Französisch ist es auf jeden Fall in den Flämischen Schulen ab der 3. Klasse ... Belgien ist ein 3-sprachiges Land und es gibt in Belgien mehr Flamen als Wallonen !.
Die Prüfungen am Ende des Jahres sind übrigens
gar nicht so schlecht und hören sich schlimmer an als sie tatsächlich sind. Die Grundschule sollte Grundwissen vermitteln - es sollte für Übungen Zeit gemacht werden können und das Wissen gebündelt wiederholt werden. Dies fehlt mir in Deutschland KOMPLETT. Meine Kinder haben hier an der Grundschule kaum wiederholt.Der Stoff wird vermittelt - ein paar Übungen - einen Test und schwupp kommt es nicht mehr zur Sprache aber behalten müssen es die Kinder trotzdem.
In Belgien gibt es auch nicht nur 1 grosse Prüfung pro Schuljahr, sondern 3 grossen Prüfungszeiten (an der Uni tatsächlich nur 1). Vor den Weihnachtsferien, vor den Osterferien und vor den Sommerferien. Die Prüfungen vor den Sommerferien sind für ALLE Grundschulen/Jahrgangsstufen vom Belg. Kultusministerium aufgestellt. So kann man besser vergleichen und auch prüfen ob alle Schulen ihren Pflichten nachkommen. Ich kann mich daran erinnern vor diesen Prüfungen längere Zeit "Wiederholungsübungen" in der Klasse gemacht zu haben. Hier In Deutschland macht man übrigens
Jahrgangsstufentests NACH den Sommerferien? Da wird dann der komplette Stoff des vorangegangenen Jahres in 1-2 Fächer abgefragt.
Es soll die Schule getestet werden, aber den Kindern wird die erreichte Note als "Ex" angerechnet....also kann 'ne Woche vor Schulstart schon mal gebüffelt werden...toll! Ich gebe Nachhilfeunterricht und werde jedes Jahr von mehreren Eltern dafür "engagiert".´
Alles hat seine Vor- und Nachteile - und ich will das Schulsystem in D nicht verteufeln, aber manchmal muß ich doch ich auf Flämisch fluchen..
Alles Gute nach Brüssel !
Eileen

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von Eileen am 12.11.2011, 5:26 Uhr

Würde übrigens auch immer eine kath. Schule einer staatlichen Schule vorziehen - die qualität ist um einiges besser. Die eine Schule hat wohl einen besseren Ruf als die andere - da kann man sich dann mal umhören bei Leuten denen man vertraut.
Gruß - Eileen

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Re: Französisches Schul/Kindergartensystem in Belgien - Erfahrungen?

Antwort von oeli_bene am 14.11.2011, 12:09 Uhr

Das ist mal eine typisch flämische Reaktion ... und genau solche Reaktionen führen zu der für auch langfristige Expats sehr typischen Distanz zu dem Land.

Aber warum sollten meine deutsch-französischen Kinder denn flämisch lernen? Ich werde mich, obwohl ich wahrscheinlich bis zur Rente hier sein werde, nie als Belgier fühlen und gehe mal davon aus, dass das auch auf meine Kinder zutrifft (die auf der frz. Schule natürlich auch fast nur frz. Freunde haben). Und in Brüssel kann man den Rest Belgiens - egal ob Wallonen, Flamen oder die DG - ja sehr gut ignorieren. Man sagt sich einfach, man sei in Frankreich. Zudem, wenn meine Kinder Abi machen, gibt es das Land vielleicht gar nicht mehr ...

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oeli_bene

Antwort von Pamo am 14.11.2011, 16:43 Uhr

Klar, wenn du kein Interesse daran hast, die Landessprachen zu lernen und dich zu integrieren, dann kannst du das in Bruessel sehr gut vermeiden.

Schoener finde ich es aber, wenn man das Land richtig kennen lernt und sich nicht vorspielt, man lebe ganz woanders.

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Re: oeli_bene

Antwort von ClaraWinter am 14.11.2011, 17:34 Uhr

Da schließe ich mich an - denn Ich freue mich sehr, dass mein Sohn hier im regionalen Kindergarten ab dem Vorschuljahr flämisch lernen wird - das ist für mich ein ganz wichtiger Grund, ihn in diesen Kiga gehen zu lassen.

Und ich bin sehr, sehr froh, in Belgien und nicht in Frankreich zu leben (wo jeder auf das Französische beharrt, vermutlich weil die meisten so schlecht englisch sprechen *grins*), und die Hälfte Belgien ist nun einmal flämisch (worüber ich auch sehr froh bin, da die Flamen wesentlich besser englisch sprechen als viele franzspr. Belgier.). Ich versuche, mir beide Sprachen anzueignen, wenigstens auf dem Alltagsniveau.

Ich verstehe die Flamen vollkommen. Wirklich jeder Flame, den ich getroffen habe, sprach fließend französisch. Aber umgekehrt gar nicht.
Mir ist auch vollkommen schleierhaft, warum das nicht (auf beiden Seiten) als Reichtum gesehen wird und alle Kinder ab der ersten Klasse oder ab dem Kindergarten die jeweils andere Landessprache lernen müssen....Mensch, hier hätte JEDES Kind die Möglichkeit, zweisprachig aufzuwachsen und diese Sprachen auch noch beide gebrauchen zu können!
Als ich an einem der ersten Tage in Belgien einer franzsprachigen Belgierin vorgeschwärmt habe, wie toll es doch wäre, das ganze Land voller bilingualer Kindergärten, da hat sie mich angesehen wie ein Auto. Seitdem äußere ich mich hier nicht mehr über Politik, zu viele Fettnäpfchen.... ;-)

Eileen, ich verstehe Dich gut!
Hoch leben die Flamen und ihre schöne Sprache (und ganz Belgien - wie gesagt, wir finden es toll hier - gerade weil nicht alle nur französisch sprechen)! Wenn ich Flämisch nicht will, muss ich nach Paris gehen. Zu Brüssel gehört es dazu.

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Re: oeli_bene

Antwort von Eileen am 14.11.2011, 21:15 Uhr

Mir war klar liebe Oeli_bene wie Du zu den Flamen stehst schon bevor ich meine Antwort geschrieben habe, und deswegen ist sie wohl ein wenig typisch "Flämisch" wie Du es sagst ausgefallen - es war gewollt. Nun, leider ist es so, daß es mehr Flamen gibt als Wallonen. Leider wird in Deutschland Belgien noch oft als Französisch sprechendes Land präsentiert - Flämisch läuft irgendwie als Minderheit mit - obwohl es eigentlich die Mehrheit is. Und ja - ich ärgere mich darüber. Übrigens sind die Deutschen bei den Flamen beliebter als bei den Wallonen .... Fremdsprachen sind an Flämischen Schulen super wichtig und das Niveau ist sehr hoch. Französisch wird super ernst genommen und man startet ab der 3. Klasse in der Grundschule - Englisch kommt in der 8. Klasse dazu, Deutsch folgt dann in der 10. Klasse. Französisch bleibt aber immer 1.Fremdsprache und somit wichtiger, mit mehr Stunden im Stundenplan. Leider ist dies auf der anderen Seite - sprich Wallonien- nicht der Fall. Schade, daß Du Belgien nur auf BXL beschränkst und Dir vorstellst Du würdest in Frankreich leben???? Warst Du noch nie in Brügge - Gent - Antwerpen - Hasselt - Leuven - Kortrijk oder in Knokke ? Hmm - , auf diese schöne Flämische Kultur zu verzichten wäre doch reichlich schade; machen sogar die Wallonen nicht (haha).
Nichts für ungut - ich würde Dir dringend raten ein paar nette Flämische Freunde zuzulegen, denn sie sind potverdorie Deine Nachbarn bis zu Deiner Rente (und dies dürfte doch noch lange sein....)
Ein wenig patriotische Grüsse mit einer Portion Heimweh....
Eileen
PS: nein ich bin keine Flämische Aktivistin und Nein ich bin kein NVAer - ich bin nur dort aufgewachsen und ein ganz normale Flämin (die gut Franz sprechen kann und auch ein paar Wallonische Freunde aufzuweisen hat).

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Re: clara winter

Antwort von Eileen am 14.11.2011, 21:34 Uhr

Ich verstehe dich. Auch ich finde es (rückblickend) super wie ich in Belgien aufgewachsen bin. Wir hatten ständig irgendwie mehrere Sprachen um uns herum. In jeder Klasse war mindestens 1 Kind aus einer "Mischehe" die daheim Französisch sprachen. Wenn man dort "spielen" war bekam man automatisch einige "Vokabeln" mit (nicht immer die besten, hahaha). Meine Großeltern lebten in der Nähe der Sprachengrenze. Sie hatten in ihrem Dialekt unheimlich viele Franz. Wörter, dies wurde mir erst klar im Unterricht...war witzig ! Ausserdem kam auch alles immer in der Originalsprache im TV - wodurch wir automatisch ein gutes Gefühl für Englisch bekamen. Ich habe in meiner ganzen Schulbahn NIE ein Kind erlebt, daß Nachhilfe für Englisch gebraucht hätte - hier in Deutschland ist es ganz "normal" und über Franz brauche ich gar nicht sprechen.... Man kann ganz einfach das "Gelernte Französisch" mal testen beim shopping in BXL (spricht eh keiner NL dort hihihi) oder im Urlaub in den Ardennen....ach..schön war die Zeit.
Es ist wohl leider so, daß man in Wallonien nicht so viel Wert auf Fremdsprachen legt - ist auch meine Erfahrung. Die meisten Leute sprechen kaum Flämisch - auch wenn sie schon mehrere Jahren an der Küste wohnen zum Beispiel, gehen sie einfach Einkaufen auf Französisch und bemühen sich nicht wenigstens ein paar Wörtchen NL zu sprechen. Genau dies machen aber viele Deutsche Touristen. Ich fiand es letztens super witzig; da war ein Deutscher beim Bäcker sichtlich bemüht seine Bestellung auf NL abzugeben (mit starkem Akzent - umgekehrter Rudi Carell). Er wurde konsequent weiter auf NL bedient (sogar ein wenig auf Dialekt), und als er dann draussen war - mussten die "restlichen" Leute im Laden ein wenig lachen (befreites Lachen) und einer meinte: "na - gibt sich wenigstens Mühe der Deutsche, was man von so manchen Brüssler nicht sagen kann!"
Tja - Belgien hat so seine Tücken aber auch seine Vorteile und ich finde es super, daß ihr dies auch bewußt nutzt. Der Sprachenstreit sollte bitte den Belgiern überlassen werden...kann eh sonst keiner verstehen....wenn überhaupt dann nur die Politiker.
Liebe Grüsse
Eileen

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Re: clara winter

Antwort von Pamo am 14.11.2011, 22:22 Uhr

Meine Erfahrung war auch, dass alle mir bekannten Flamen zusaetzlich franzoesisch konnten. Leider kannte ich keinen einzigen Wallonen der flaemisch sprach, allerdings war ich im deutschen Ghetto.

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Re: oeli_bene

Antwort von oeli_bene am 15.11.2011, 10:44 Uhr

Ich persönlich lebe in Brüssel, der Hauptstadt Europas. Wahrscheinlich die internationalste Stadt Europas, nagut, vielleicht noch London. Gute Restaurants, kulturell ansprechend; einige Gegenden sind auch ganz nett anzusehen, Euromultikulti, super. Und der Kleinkrieg der Flamen und Wallonen ist mir herzlich egal (wie er eigentlich fast allen Ausländern hier egal ist). Er nervt halt und ist extrem unsympathisch, von beiden Seiten, wobei die Aggressivität von flämischer Seite einen Tick unsympathischer ist, als das laissez-faire, dass in der Wallonie vorherrscht. Dein Beispiel bringt es auf den Punkt: In der flämischen Metzgerei wird flämisch gesprochen. Der nur französische sprechende Kunde (der es nunmal nicht kann oder als Ausländer eben nur eine der beiden Sprachen kann) hat halt Pech gehabt. In Flandern nach dem Weg fragen? Das mache ich lieber auf deutsch als auf französisch, vielleicht antwortet mir dann jemand. Ein anderer Trick ist auch, quatre-vingt-douze einfliessen zu lassen, um zu zeigen, dass man kein Wallone ist, sondern Franzose, denen dann nicth verübelt wird, dass man die Sprache nicht kann. Dazu im Parlament die Hälfte Nationalisten, alles nicht so richtig sympatisch. Die wallonische Seite ist aber nicht viel besser in ihrer hochmütigen Ablehnung flämisch zu lernen (ce n'est pas une langue, c'est une maladie de la gorge ...)

Wenn viele Brüsseler Gäste (die nunmal hier sind, weil die europäischen Institutionen in Brüssel sind) das Land - ausserhalb Brüssels, Rhode-Saint-Genese, Waterloo und Knokke - tendenziell eher unsympatisch finden, dann muss es nicht nur an den undankbaren Gästen liegen, sondern man sollte sich auch mal an die eigene Nase fassen, anstatt die beleidigte Leberwurst zu spielen.

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Re: oeli_bene

Antwort von ClaraWinter am 15.11.2011, 12:01 Uhr

Wir wohnen ja auch als Expats in Brüssel, bzw. in einer der SEHR international geprägten Vororte. Aber ich erlebe das ganz anders als du.
Ich kenne bisher wenige Expats, die Belgien ablehnen, den meisten gefallen Land und Leute gut, sehr viele geben hier ihre Kinder z.B. in den regionalen Gemeindekindergarten.

Die es ablehnen, machen es, weil es nicht Deutschland bzw. nicht Frankreich ist ("bei uns geht aber das schneller", "wir machen es aber anders", die sprechen so langsam (von Franzosen),.....)
Ja gut, denen kann man aber nun auch nicht helfen, natürlich ist Belgien nicht wie Deutschland und wie Frankreich, wozu denn auch? Das ist wie in Italien Urlaub zu machen und dann zu erklären, dass das einzig Nervige dort die Italiener sind - dann muss man halt ins Allgäu fahren.
Die Belgier haben ihre eigenen historischen Lasten und Probleme, die man nur teilweise nachvollziehen kann - komm mal nach Baden-Württemberg und höre dir die Gängeleien zwischen Baden und Schwaben an, dabei sprechen sie sogar dieselbe Sprache (auch wenn sie das nicht unbedingt bejahen würden ;-)) Und glaubst du, ein "Ausländer" kann die deutsche Ossi-Wessi-Problematik nachvollziehen? Ist ja auch nicht viel besser.

Die Expats, die sich hier ausschließlich in deutsche oder internationale Schulen / Freundeskreise verkriechen, machen das im Regelfall von Anfang an und nicht erst, nachdem sie ungeheuer durch die Belgier enttäuscht wurden. Das ist wie aus der Türkei nach Berlin zu ziehen - man MUSS sich nicht integrieren, weil eine türkische Parallelwelt exisitiert - und hier eben eine deutsche/französische/italienische....in der Parallelwelt zu leben finde ich unproblematisch, aber dann über das Land, in dem man lebt, zu schimpfen, finde ich - egal wo - irgendwie merkwürdig. Es ist doch keiner gezwungen, in Brüssel zu leben, hinter jedem Job stehen 10 Freiwillige, die ihn gern machen würden (vor allem zu den Gehältern und Bedingungen).

Du beschwerst dich, dass die Flamen oft tun, als würden sie kein Französisch verstehen - in der Wallonie kommst du aber doch mit Flämisch keinen Schritt weit, weil sie es tatsächlich nicht verstehen. Und ich sehe auch kein Problem darin, mich in Flandern auf Englisch oder Deutsch zu verständigen. Dann ist das eben so, würde ich ja in den Niederlanden ja auch machen.

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Re: oeli_bene

Antwort von lotte_1753 am 15.11.2011, 12:45 Uhr

Wenn Du die Probleme zwischen Flamen und Wallonen mit Ossi/Wessi, Baden/Schwaben vergleichst, dann kannst Du noch nicht lange im Land leben, sorry, aber das hat eine ganz andere Qualität. Bin auch nicht so der Verstehertyp (wobei, dass dieses Land total dysfunktional ist, sagen Dir eigentlich alle). Und ich nehme mir vor allem heraus, die Wahl einer Schule auch davon abhängig zu machen, dass eine Sprache gelehrt wird, die ich für meine Kinder als nicht sinnvoll erachte. Die Chance dass sie in Belgien bleiben - wenn es Belgien denn dann überhaupt noch gibt - ist eher gering. So what? Aber Brüssel ist wirklich nett.

p.s. bezüglich der Sprachen ist es für mich schon ein Unterschied, dass "die" Wallonen nicht können, während "die" Flamen nicht wollen. Ersteres ist dumm (mein Flämisch ist besser als das von di Rupo und der will Premierminister werden), zweiteres dumpf.

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Re: oeli_bene

Antwort von ClaraWinter am 15.11.2011, 13:17 Uhr

Nee, ich lebe noch nicht lange in Belgien, das schreibe ich oben. Dass die ganze Sprachengeschichte eine riesige Befindlichkeitssache ist, dass es ein Tretminenfeld ist, auf dass man sich besser nicht begibt, war mir eigentlich schon vorher, spätestens aber nach ein paar Tagen klar (Aber je nach Umfeld/Wohnort kann man auch in Deutschland mit der Meinung konfrontiert werden (auch heute noch!), dass man den Osten besser wieder abspalten sollte etc). Dass es durchaus möglich ist, dass sich das Land wegen dieser Dinge aufteilen könnte, ist mir auch klar - ich kann es sogar teilweise nachvollziehen.

Ich bin keine Belgierin, werde auch nie eine sein, voraussichtlich werden auch meine Kinder keine werden, weil wir vermutlich in ein paar Jahren wieder nach D zurückgehen.
Ich bin "unbeteiligter Dritter" und werde es auch bleiben. Aber gerade aus der Gastperspektive kann ich doch fair sagen: ok, hier gibt es zwei gleichstarke Sprachen (auf Fläche/Bevölkerungszahl gerechnet), und als "guter" Gast werte ich die nicht, wie viele Landesbewohner und eben auch einige Expats das machen. Ich finde es vollkommen legitim zu sagen: meine Kinder werden vermutlich später eher Französisch als Flämisch brauchen, deswegen möchte sie in den französischsprachigen Ausbildungsgang stecken. Das machen wir ja auch.
Aber ich kann nicht nachvollziehen, warum Flämischunterricht ab der 3. Klasse eine Zumutung ist (insbesondere da sich das Schulsystem hier ja nicht an einige Expats, sondern in erster Linie an einheimische Kinder richtet). Warum man nicht sagen kann: Hey, hier hat mein Kind nicht nur die Chance eine, sogar sogar zwei Sprachen zu lernen.
Ich verstehe nicht, wie man viele dieser Urteile einfach so übernehmen kann, a la "die immer nervigen Flamen". Soweit verstehe ich das Problem sehr gut: wenn meine "Sprachgruppe" jahrhundertelang gegängelt und als blöd dargestellt worden wäre, inzwischen aber den anderen Landesteil finanziert, und sich offen dessen Sprache zuwendet, als "Dank" dafür aber noch nicht mal die Bereitschaft existieren würde, meine Sprache zu lernen und zu verwenden - ich glaube, ich wäre da auch nicht begeistert. Warum sollten die Wallonen auch "nerven"? Wenn sie nichts lernen müssen und finanziert werde? (ich gebe zu, dass war jetzt die extrem populistische Kurzzusammenfassung - zumal ich auch mit den hier lebenden Frankobelgiern sehr gut klarkomme und sie nett finde).
Das ganze Problem ist ja die "Wertung" der Sprache Flämisch als B-Sprache des Landes, als unnütze Zweitsprache, die kein Mensch braucht. Und diese wurde in den vorigen Beiträgen ja eben nicht nur persönlich abgewertet, sondern ebenso pauschal, wie es hierzulande ein Problem ist. Hier muss kein Expat Flämisch lernen und keiner Französisch. Man kommt prima mit Englisch durch. Wenn man eine oder beide Sprachen lernt, ists ja auch schön. Aber eine der Sprachen vehement abzulehnen, sogar für seine Kinder, als würden sie dadurch irgendeinen Nachteil in Kauf nehmen müssen, finde ich - insbesondere als "Gast" im Land - extrem bizarr.

Wenn hier im Forum jemand schreiben würde, "hää, ihr wollt Eure Kinder deutsch - tschechisch/polnisch/niederländisch/schwedisch/finnisch, ungarisch, estnisch, portugiesisch...) erziehen, das ist doch eine Mistsprache, braucht doch heute kein Mensch, heutzutage lohnt es doch nur, Englisch, Französisch, Spanisch, Chinesisch dazuzulernen, wozu braucht man denn so unwichtige Minisprachen aus Miniländern, wo sie sowieso auch englisch (spanisch....) sprechen können, dann wäre hier vermutlich der Teufel los. Meiner Meinung zu Recht.
Daher verstehe ich auch die Perspektive von Eileen, die sich durch Oeli-bene angegriffen fühlt.

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Re: clara winter + alle anderen

Antwort von Eileen am 16.11.2011, 12:06 Uhr

Also ich finde, Clara Winter, Du hast die Situation in Belgien doch sehr sehr gut beschrieben und verstehst die Situation ungemein gut. In allen Wallonischen Schulen gibt es NL-Unterricht. Eigentlich sollten alle Wallonen in der Lage sein mindestens eine kleine Konversation auf NL zu führen, eine Bestellung in einem Laden zu machen, oder nach den Weg zu fragen. Tun die meisten aber nicht. Wieso dies so ist kann ich ehrlich gesagt nicht verstehen denn dies wäre eigentlich elementar. Jedenfalls wurde uns(Flamen) in der Schule immer eingebleut (und auch später bei der Jobsuche) wie wichtig die Französische Sprache in Belgien ist - von der anderen Seite bekomme ich dieses Gefühl nicht der NL Sprache gegenüber. Es gibt viele Wallonen die (jahrelang) in Flandern wohnen und nicht im Ansatz die NL Sprache sprechen - und dies kann man einfach nicht verstehen. Clevere Wallonen der Elite-Klasse sind da schlauer - sie schicken ihre Kinder in Flämische Schulen/Internate. Nicht nur sind sie dann der NL Sprache super mächtig, sondern profitieren auch von der allgemein besseren Bildung in Flandern. Gesehen und erfahren in Gent vor 20 Jahren...
Nix für ungut - Belgien ist ein kleines Land und die NL Sprache tatsächlich nicht bedeutend in der Welt. Aber wenn man ganz ehrlich ist, ist nur Englisch die Weltsprache - dagegen verblassen alle anderen Sprachen und auch Französisch ist lange nicht sooo wichtig wie die Francophonen wohl gerne hätten.
In diesem Sinne.
Grüsse - Eileen

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