Frage: Welche Antidepressiva sollen wir vorziehen bei langfristiger Planung

Hallo Herr Dr. Paulus, in diesem Frühjahr ist meine Partnerin schwanger geworden und wir haben uns mehrere Wochen lang beide sehr auf das Kind gefreut. Da sie 3 Jahre zuvor an Depressionen erkrankt war, hat sie zu dem Zeitpunkt 75mg Trevilor und 100mg Lamotrigin genommen. In Absprache mit dem Frauenarzt haben wir unseren Psychiater aufgesucht damit er uns beraten kann welche Risiken für das Kind durch die Medikamente bestehen. Sie hatte große Ängste dass wir ein krankes Kind bekommen würden. Leider hat der Psychiater mit der Aussage „In der Schwangerschaft brauchen sie keine Psychopharmaka“ uns nicht ausreichend beraten und ihre Medikamente innerhalb von 8 Tagen auf null heruntergefahren. Nach zwei Wochen war ihre Freude auf das Kind verschwunden und sie hatte in meinen Augen eine Schwangerschaftsdepression gekoppelt mit dem Verlust ihrer Freude aufgrund dem Entzug. Wir haben daraufhin eine Psychologin aufgesucht die uns leider falsch beraten hat. Sie hat ihr damals zu einer Abtreibung geraten und sie bestärkt nicht darauf zu hören was ich dazu zu sagen habe(unglaublich aber leider wahr). Da der Frauenarzt der die ganze Zeit ihre Freude auf das Kind mitbekommen hatte, nur die Urlaubsvertretung war, hat dann ihr eigentlicher Frauenarzt als sie die Abtreibung wollte keinen Verdacht geschöpft. Ich war zu dem Zeitpunkt, durch einen völligen Nervenzusammenbruch aufgrund der Situation, nicht in der Lage das alles zu verhindern. Da alles so kam wie es wohl kommen musste, kommt meine Partnerin jetzt überhaupt nicht mit der Situation klar und leidet unter so starken Depressionen und Panikattacken, dass ich sie in eine Klinik gebracht habe. Da wir es nächstes Jahr wenn sie wieder stabil ist, wieder versuchen möchten ein Kind zu bekommen haben wir dort mit der Oberärztin darüber gesprochen dass sie bei der Auswahl der Medikamente bitte Rücksicht nehmen soll das man diese auch während einer Schwangerschaft nehmen kann. Nachdem meine Partnerin jetzt die erste Zeit mit leider notwendigem Tavor stabilisiert werden musste wird dieses nun ausgeschlichen. Sie bekommt jetzt Citalopram(40mg)(wird gerade eingestellt) tagsüber und eine kleine Dosis Mirtazapin(15mg) am Abend. Eventuell steht gerade die Frage im Raum das Mirtazapin ab zu setzen und eine Behandlung mit Lamotrigin in der Zieldosis 100mg zu beginnen. Die Oberärztin ist sich aber nicht sicher ob diese Medikamente in einer Schwangerschaft genommen werden dürfen und hat mich gebeten Sie in diesem Forum an zu schreiben. Ich habe selber bei meinen Recherchen im Internet gegenläufige Aussagen gelesen. Im Wikipedia wird geschrieben dass Citalopram für die Entwicklung des Fötus gefährlich ist, während andere Seiten gegenteiliges berichten. Bitte beraten Sie mich doch welche SSRI am geeignetsten sind und welche Prophylaxemedikamente wie z.B. Lamotrigin vertretbar währen. Es geht jetzt darum gleich Rücksicht zu nehmen um nicht später wieder eine zusätzliche Belastung durch Umstellen der Medikamente zu schaffen. Vielen Dank und freundliche Grüße Tobias Freund

Mitglied inaktiv - 08.10.2010, 14:16



Antwort auf: Welche Antidepressiva sollen wir vorziehen bei langfristiger Planung

Bis Dezember 2004 dokumentierte das Swedish Medical Birth Registry 6.555 Kinder nach intrauteriner Exposition mit SSRI in der Frühschwangerschaft. Die kumulierte Fehlbildungsrate lag bei 4,1%, was dem erwarteten Hintergrundrisiko entspricht. Dabei wurde kein typisches Fehlbildungsmuster beobachtet. In diesem Kollektiv sind 2.701 Kinder nach mütterlicher Medikation mit Citalopram enthalten. Die Fehlbildungsrate gab mit 4,4% keinen Anlass zur Beunruhigung (Kallen & Otterblad Olausson 2007). Nach vorgeburtlicher SSRI-Medikation wurden bei Neugeborenen in einigen Fällen vorübergehende Anpassungsstörungen wie Zittrigkeit, Übererregbarkeit und erhöhter Muskeltonus beobachtet. Daher sollte in den ersten Lebenstagen auf entsprechende Symptome geachtet werden. Bei Lamotrigin liegen außer unauffälligen Tierversuchen auch größere Erfahrungen über Anwendungen im I.Trimenon beim Menschen vor. Nach Monotherapie mit Lamotrigin traten 31 Anomalien unter 1.155 Geburten auf (2,7%). Ein spezifisches Fehlbildungsmuster ließ sich in diesem Herstellerregister nicht erkennen. Das Fehlbildungsrisiko unterscheidet sich danach nicht von den Erfahrungen mit Monotherapien unter anderen Antikonvulsiva wie Carbamazepin (Lamotrigine Pregnancy Registry 2008). Deutlich häufiger fanden sich angeborene Anomalien bei Kombinationstherapie mit Valproinsäure: Besser schneiden Kombinationstherapien von Lamotrigin mit anderen Anti-konvulsiva ab. Unter 256 Fällen wurden 7 angeborene Anomalien beobachtet (2,7%). Das UK Epilepsy and Pregnancy Register erfasste 647 Schwangerschaften unter Lamotrigin-Monotherapie: Darunter befanden sich 21 Kinder mit größe-ren Anomalien (3,2%). Die Fehlbildungsrate unterschied sich nicht signifikant von der Kontrollgruppe mit Carbamazepin. Gesichtsspalten traten mit einer Inzidenz von 0,2% genauso häufig wie in der Allgemeinbevölkerung auf. Es zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Dosis im ersten Trimenon und der Fehlbildungsrate (Morrow et al 2006). Eine Evaluation der Daten aus dem North American AED Pregnancy Registry ergab einen Anstieg von Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten unter mütterlicher Medikation mit Lamotrigin (Holmes et al 2006). Die Daten sind aufgrund geringer Fallzahlen und ungewöhnlich niedriger Fehlbildungsraten im Kontrollkollektiv sehr umstritten. Bei Bedarf wäre die Fortsetzung der Medikation mit Citalopram und Lamotrigin in der Schwangerschaft durchaus vertretbar.

von Dr. Wolfgang Paulus am 12.10.2010



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