Guten Tag Dr. med. Paulus,
im Ärzteblatt vom 16.09.19 habe ich gelesen, dass Studien darauf hinweisen, dass Paracetamoleinnahme während der SS zu Verhaltensstörungen (ADHS, Autimus) beim Kind führen kann. Wie ist ihr aktueller Wissensstand und kommt es auf die Menge u. Häufigkeit der Einnahme an? Aufgrund meiner Migräne habe ich im Dezember insg. 2x1000mg/d; Januar 1x1500mg/d und 1x 1000mg/d; Februar: 1x 1500mg/d, 2x500mg/d eingenommen. Habe ich damit meinem Kind geschadet? Seit der SS hat sich meine Migräne von 1-2x/Monat auf 1-2x/Woche erhöht. Vor der SS half bei einem Anfall Rizatriptan plus Ibuprofen. Welche Behandlungsmöglichkeiten habe ich in der Schwangerschaft?
von
Vanella30
am 12.03.2021, 12:51
Antwort auf:
Sorgt Paracetamol Einnahme für spätere kindliche Verhaltensauffälligkeiten?
Bei kurzfristiger Einnahme über einige Tage gilt Paracetamol (bis zu 2 g pro Tag) nach wie vor als Mittel erster Wahl zur Bekämpfung von Fieber und Schmerzen in allen Phasen der Schwangerschaft.
Es wird lediglich von Langzeitanwendungen des Paracetamol von über 4 Wochen in hohen Dosen (z. B. 2 g pro Tag) in der Schwangerschaft abgeraten.
Eine große statistische Erhebung mit 64.322 dänischen Müttern und ihren zwischen 1996 und 2002 geborenen Kindern zeigte, dass Kinder von Frauen, die in der Schwangerschaft regelmäßig Paracetamol eingenommen hatten, häufiger an Verhaltensauffälligkeiten bzw. ADHS litten. Etwa die Hälfe der Mütter gab an, während der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen zu haben. Ihre Kinder wiesen ein rund 37 Prozent höheres Risiko auf, die Diagnose ADS oder ADHS zu erhalten, als Kinder, deren Mütter kein Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen hatten. Dass die Medikamenten-Einnahme für dieses höhere Risiko verantwortlich ist, kann die Studie allerdings nicht belegen (Liew et al 2014).
Eine norwegische Studie mit 48.631 Kindern postulierte 2013 ebenfalls einen Zusammenhang mit neurologischen Auffälligkeiten: Neben Hyperaktivität stellten die Forscher bei den Kindern eine schlechtere gesamtmotorische Entwicklung und ein gestörtes Kommunikationsverhalten fest, wenn ihre Mütter mindestens 28 Tage Paracetamol in der Schwangerschaft eingenommen hatten. In dieser Studie wurden zudem Geschwister miteinander verglichen sowie die Einnahme von Ibuprofen während der Schwangerschaft abgefragt. Einen Zusammenhang zwischen diesem Schmerzmittel und späteren Auffälligkeiten der Kinder stellten die Forscher nicht fest (Brandlistuen et al 2013).
Angesichts der niedrig dosierten sporadischen Einnahme von Paracetamol sehe ich in Ihrem Fall keine Gefahr für die kindliche Entwicklung.
Falls Paracetamol bei Migräneanfällen nicht ausreicht, wäre bis zur 28.SSW auch die Einnahme von Ibuprofen möglich. Inzwischen liegen auch für Sumatriptan viele gute Erfahrungen in der Schwangerschaft vor, so dass auch diese Option bei Versagen der Alternativen vertretbar wäre.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 12.03.2021