Guten Abend,
ich nehme Sulfasalazin (4x500 mg täglich) aufgrund Gelenkrheuma und mein Mann Azathioprin (200mg täglich) wegen einer chronischen Darmentzündung.
Da wir ein Kind haben möchten, nun die Frage: Sollten ich und mein Mann die Medikamente vor der Schwangerschaft absetzen oder können sie weiter genommen werden?
Viele Grüße
Mitglied inaktiv - 09.03.2012, 20:28
Antwort auf:
Sie Sulfasalazin / Er Azathioprin
Die Kenntnisse über die Anwendung von Sulfasalazin in der Schwangerschaft stammen vorwiegend aus der Gastroenterologie, wo die Substanz zur Therapie von entzündlichen Darmerkrankungen Anwendung fand. Berichte von mehr als 2000 Frauen, die Sulfasalazin während der Schwangerschaft eingenommen haben, zeigen, dass die fetale Prognose unter Sulfasalazin und Kortikosteroiden im Vergleich zu Patienten ohne diese Medikamente gleich ist (Ostensen 2004). Bei chronischer Polyarthritis ist der Einsatz des Präparates – falls erforderlich – in der Schwangerschaft möglich. Befürchtungen, dass die Substanz Bilirubin aus seiner Plasmaeiweißbindung verdrängt und so zu Kernikterus führt, haben sich nicht bewahrheitet.
Beide Teilkomponenten der Substanz sind plazentagängig. Sulfonamide sind nicht fruchtschädigend, Salizylate nur bei 100-fach höheren Konzentrationen im Tierversuch.
Bei Sulfasalazin handelt es sich um einen leichten Folsäureantagonisten. Niedrige Folsäurespiegel sind mit Neuralrohrdefekten assoziiert, dieser Zusammenhang könnte bei chronischer Therapie zum Tragen kommen, weswegen eine entsprechende Prophylaxe mit Folsäure (z. B. 5 mg pro Tag) empfohlen wird.
Angesichts der Prostaglandinsynthesehemmung durch Salicylate wäre im letzten Schwangerschaftsdrittel eine zurückhaltende Dosierung von Sulfasalazin (z. B. 2000 mg pro Tag) zu empfehlen.
Grundsätzlich können Sie jedoch die aktuelle Medikation in der Schwangerschaft durchaus beibehalten.
In Lymphozyten von Nierentransplantierten unter Medikation mit Azathioprin (AZT) zeigte sich eine Häufung von Chromosomenbrüchen. Dies konnte auch vorübergehend in Blutzellen von Kindern exponierter Schwangerer beobachtet werden (Sharon et al 1974; Price et al 1976). Es liegt ein Fallbericht eines Kindes mit Chromosomenaberrationen vor, dessen Mutter vor und während der Schwangerschaft mit Azathioprin und Prednison behandelt worden ist (Ostrer et al 1984).
Diese Beobachtungen lassen zwar an eine Beeinträchtigung der Gametogenese (Entwicklung der männlichen und weiblichen Keimzellen) denken, eine Häufung von Chromosomenanomalien bei den Kindern betroffener Eltern ist jedoch statistisch nicht bewiesen. Aufgrund der theoretischen Bedenken empfiehlt der Hersteller eine Karenz von 6 Monaten bis zur Empfängnis. Wenn eine Häufung von Chromosomenanomalien mit der Anwendung von Azathioprin verbunden sein sollte, kann diese jedoch nach der Einschätzung verschiedener Autoren nur sehr selten auftreten (Penn et al 1980; Registration Committee of the European Dialysis and Transplant Association 1980; Pirson et al 1985).
Publikationen zu den Nachkommen nierentransplantierter Väter unter Medikation mit AZT berichten von 23 Schwangerschaften (Penn et al 1971) bzw. 40 Schwangerschaften (Golby 1970) ohne Häufung von Aborten bzw. Fehlbildungen. Zwei weitere Fallsammlungen von Vätern unter AZT-Medikation nach Transplantation fanden Fehlbildungen bei 9 von 273 (3,3%) bzw. 2 von 42 (4,8%) Kindern (Ahlswede et al 1994; Wagoner et al 1994).
Nach der aktuellen Datenlage ist bei väterlicher Medikation mit Azathioprin um den Termin der Empfängnis zwar nicht mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko zu rechnen (allgemeines Basisrisiko für angeborene Anomalien: 3 bis 5%), allerdings wird aufgrund der Beobachtungen an Lymphozyten von den Herstellern zu einer Karenz von 3 bis 6 Monaten bis zur Empfängnis geraten.
von
Dr. Wolfgang Paulus
am 17.03.2012