Frage: Paracetamol Studien

Sehr geehrter Herr Dr. Paulus, vielen herzlichen Dank erstmal für Ihre tolle Arbeit, Ihre Geduld und die Beantwortung meiner vielleicht auch manchmal hysterischen Fragen. Ich habe einigen Fragen zu den Studien über Paracetamol in den vergangenen Jahren. Ich war sehr erschrocken, als ich die Studien gelesen habe. Ich selbst habe mich bei Schmerzmitteln immer zurückgehalten bei Rückenschmerzen, starken Kopfschmerzen und Zahnschmerzen. Jetzt bin ich stark  erkältet und habe abends starke Ohrenschmerzen bekommen, welche ich nicht mehr ausgehalten habe - nachdem wir nochmal bei embryotox nachgelesen haben und es auch dort als unbedenklich galt, habe ich eine 500g Tablette Paracetamol genommen (30+0ssw). Auch in der 5. Ssw, als ich noch nicht wusste das ich schwanger bin, habe ich eine Tablette genommen Später sollte man ja nicht mehr im Internet lesen, aber leider habe ich es getan. Nun meine Fragen : 1. Bericht der Schmerzklinik: "Auch Kinder, die nur eine Kurzzeitexposition für Paracetamol pränatal hatten (1-27 Tage) hatten ebenfalls eine schlechtere gesamtmotorische Entwicklung, jedoch waren die Effekte geringer als bei Langzeiteinnahme." Können diese 2 Tabletten schon in irgendeiner Art und Weise geschadet haben und das Kind später Auffälligkeiten zeigen oder Krankheiten bekommen? 2. Beziehen sich die anderen Studien nur auf Einnahmen über einen längeren Zeitraum -  wie Asthma, Autismus etc.? 3. Bezogen sich diese Studien auch auf die Höchstdosis von 2g pro Tag oder auch schon auf geringere Dosen. 4. Ist das Kind in der 5.ssw schon soweit mit  dem mütterlichen Kreislauf verbunden, dass Paracetamol schon dann beim Kind ankommen kann? 5. Bezogen sich diese Studien darauf, dass Paracetamol von den Schwangeren mit anderen Schmerzmitteln kombiniert wurden oder habe ich da was falsch verstanden? 6. Wissen Sie wieviel dieser Kinder Auffälligkeiten zeigten? 7. Eine ganz andere Frage: Ist auch eine Inhalation mit ChinaÖl unbedenklich oder kann das evtl der Hirnentwicklung schaden - oder ist "nur" Vorsicht wegen Auslösung von Wehen geboten? Lieben Dank und Grüße

von Pusteblume17 am 13.11.2015, 09:09



Antwort auf: Paracetamol Studien

Bei kurzfristiger Einnahme über einige Tage gilt Paracetamol (bis zu 2 g pro Tag) nach wie vor als Mittel erster Wahl zur Bekämpfung von Fieber und Schmerzen in allen Phasen der Schwangerschaft. Es wird lediglich von Langzeitanwendungen des Paracetamol von über 4 Wochen in hohen Dosen (z. B. 2 g pro Tag) in der Schwangerschaft abgeraten. Seit Jahrzehnten wird Paracetamol als Schmerzmittel erster Wahl in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt (Black & Hill 2003). Neuere retrospektive Studien vermuten einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Paracetamol und kindlichem Asthma bzw. Hodenhochstand (Kryptorchismus). Inwieweit mit diesen Studien ein ursächlicher Zusammenhang nachgewiesen werden kann, ist kritisch zu hinterfragen. Eine Evaluation der Danish National Birth Cohort (Jensen et al 2010) berichtet von einem Zusammenhang zwischen der Gabe von Paracetamol im ersten bzw. zweiten Trimenon und der Diagnose Hodenhochstand bei den männlichen Nachkommen, allerdings mit einem statistisch grenzwertigen Resultat. Eine weitere retrospektive Analyse von dänischen und finnischen Schwangerschaften (Kristensen et al 2011) postuliert einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Paracetamol im zweiten, nicht aber im ersten Trimenon und der Entwicklung eines Hodenhochstandes. Die Angaben zur Arzneimittelexposition in der Schwangerschaft basieren auf einem Interview der Mütter im letzten Trimenon, nicht auf prospektiv erhobenen Daten. Widersprüchliche Aussagen existieren auch zur Auslösung von kindlichem Asthma durch intrauterine Exposition mit Paracetamol. Während Studien aus Großbritannien (Shaheen et al 2002, 2005), Singapur (Koniman et al 2007), Dänemark (Rebordosa et al 2008), Spanien (Garcia-Marcos et al 2008) und den USA (Persky et al 2008, Perzanowski et al 2010) einen Zusammenhang nahelegen, geht eine weitere amerikanische Studie von einem protektiven Effekt aus (Kang et al 2009). Eine große statistische Erhebung mit 64.322 dänischen Müttern und ihren zwischen 1996 und 2002 geborenen Kindern zeigte, dass Kinder von Frauen, die in der Schwangerschaft regelmäßig Paracetamol eingenommen hatten, häufiger an Verhaltensauffälligkeiten bzw. ADHS litten. Etwa die Hälfe der Mütter gab an, während der Schwangerschaft Paracetamol eingenommen zu haben. Ihre Kinder wiesen ein rund 37 Prozent höheres Risiko auf, die Diagnose ADS oder ADHS zu erhalten, als Kinder, deren Mütter kein Paracetamol während der Schwangerschaft eingenommen hatten. Dass die Medikamenten-Einnahme für dieses höhere Risiko verantwortlich ist, kann die Studie allerdings nicht belegen (Liew et al 2014). Eine norwegische Studie mit 48.631 Kindern postulierte 2013 ebenfalls einen Zusammenhang mit neurologischen Auffälligkeiten: Neben Hyperaktivität stellten die Forscher bei den Kindern eine schlechtere gesamtmotorische Entwicklung und ein gestörtes Kommunikationsverhalten fest, wenn ihre Mütter mindestens 28 Tage Paracetamol in der Schwangerschaft eingenommen hatten. In dieser Studie wurden zudem Geschwister miteinander verglichen sowie die Einnahme von Ibuprofen während der Schwangerschaft abgefragt. Einen Zusammenhang zwischen diesem Schmerzmittel und späteren Auffälligkeiten der Kinder stellten die Forscher nicht fest (Brandlistuen et al 2013). Angesichts der niedrig dosierten sporadischen Einnahme von Paracetamol sehe ich in Ihrem Fall keine Gefahr für die kindliche Entwicklung.

von Dr. Wolfgang Paulus am 16.11.2015



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