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Indonesien baut neue Hauptstadt

Thema: Indonesien baut neue Hauptstadt

Dieses Thema treibt mich mächtig um, mich wundert dass es so wenig diskutiert und beachtet wird - medial wie auch gesellschaftlich. in meinem Bekanntenkreis kann ich das gar nicht diskutieren, es weiss keiner und es interessiert auch keinen. Indonesien baut sich eine neue Hauptstadt auf Borneo, und rodet dafür im ersten Bausabschnitt 6000 h Dschungel. Insgesamt soll sich die Stadt zukünftig über 250.000 Hektar erstrecken. https://www.geo.de/reisen/reisewissen/projekt-nusantara-indonesien-bekommt-neue-hauptstadt-im-dschungel-31554498.html "Umweltschützer sehen das Vorhaben hingegen kritisch. «Die Regierung hätte ein Referendum dazu durchführen sollen», sagte Pradarma Rupang, Aktivist der Gruppe «Mining Action Network» aus Ostkalimantan. «Sie treiben das Projekt mit einer Eile voran, als ob unsere Nation auseinanderfallen würde, wenn wir die Hauptstadt nicht verlegen», monierte er. Aber um Nusantara mit Strom zu versorgen, würden - zumindest zu Beginn - fossile Brennstoffe gebraucht, vor allem Kohle. «Das wird zur Eröffnung riesiger Minen führen», warnte er." Ich bin entsetzt. Regelmäßig spende ich für Baumpflanzung und Aufforstung, aber so schnell können diese Setzlinge gar nicht wachsen, wie andernorts gerodet / verbrannt / bebaut wird. Warum muss so ein Projekt mitten in ein bedrohtes Ökosystem? Zumal ja ringsherum Landwirtschaft entstehen wird, um die Menschen dort mit Nahrung zu versorgen, also noch mehr Abholzung.

von Jana287 am 29.01.2022, 14:14



Antwort auf Beitrag von Jana287

Ich gestehe auch, dass ich das nicht wusste, und es klingt in der Tat besorgniserregend. Großen Diskussionsstoff bietet es aber auch nicht, unter dem Umwelt- und Klimaschutzaspekt ist es sicher falsch, da kann man sich ja eigentlich nur einig sein, und dann läuft sich die Diskussion schnell tot. Es macht aber andererseits deine Spenden für Baumpflanzen und Aufforstung (wobei man sich da auch die Konzepte genauer angucken muss, oft ist das auch mehr Schein als Sein) auch nicht sinnlos, im Gegenteil.

Mitglied inaktiv - 30.01.2022, 11:49



Antwort auf Beitrag von Jana287

> Ich bin entsetzt. Regelmäßig spende ich für Baumpflanzung und Aufforstung,... Es ist ein eher zweifelhafter Anspruch, dass Spenden (oder ´Entwicklunghilfe`) den reichen Ländern das Recht gibt, die Welt als ihr persönliches Musterökohabitat zu betrachten. Indonesien ist eins der vielen Länder, wo die meisten Menschen vom Luxusleben eines hiesigen HartzIV-Empfängers nur träumen können. Hast Du Dich tatsächlich mit Indonesien beschäftigt? Frisch gegoogelt: die bewaldete Fläche liegt bei 50%. Seit 2000 gingen in Indonesien jährlich im Schnitt durch legale und illegale Entwaldung um die 500.000 ha Wald verloren; das war schon besser als von 1990-2000 (24 Millionen ha) und verlangsamt sich weiter; aber der Platz für die Stadt spielt eine geringe Rolle. Ohne wirtschaftliche Entwicklung gibt es weder Alternativen zur Abholzung noch die Ressourcen für Kontrolle. Deutschland zum Vergleich: 32% Waldfläche (davon ´Urwälder`=?) ggü 70% geschätzt vor 2000 Jahren; dazwischen war es meines Wissens mal deutlich weniger - die Kohle hat dazu geführt, dass weniger wild abgeholzt wurde. Eine Hauptstadt rechtzeitig zu verlegen und dabei die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, ist eine kluge und weitsichtige Entscheidung. Dass ein paar Aktivisten dagegen sind, ist klar und Umweltschützer... naja, die interessiert es so gar nicht, wenn Menschen in Dreck und Elend leben oder - etwas näher zu Hause - Abgase einatmen und stundenlang im Stau stehen. Von demokratischen Verfahren halten sie auch nichts - da taucht nach ergiebigen Regenfällen ein Bild von einem Tümpel mit drei verwirrt schauenden Exemplaren des lilagetüpfelten Mottenolms auf, und alle Planungen sind hinfällig (bis ein paar engagierte Vertreter der Zivilgesellschaft sich frühmorgens auf ihre Bulldogs schwingen und ein paar Mal hin- und herfahren - Tümpel weg, Olme weg, Problem weg).

von Daffy am 30.01.2022, 12:04



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Interessantes Bild von Umweltschützern hast du - gehören die für dich nicht zur Zivilgesellschaft? Ich meine jetzt nicht den Klischee-Nerd, der jede Kröte persönlich über die Straße eskortiert oder militant-versponnene Tierschützer (von denen es übrigens am rechten Ende des politischen Spektrums eine ganze Menge gibt), sondern Leute, die durchaus einen Überblick über ökologische Lebensräume als Ganzes und auch die Lebensbedingen der Menschen vor Ort haben.

Mitglied inaktiv - 30.01.2022, 12:53



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> Interessantes Bild von Umweltschützern hast du - Ja, es gibt Unterschiede - Asketen, Fanatiker, Romantiker, Menschenhasser und solche, deren Anliegen ich nachvollziehen kann. Verbindend ist wohl der übliche Schwung Nimbys huckepack... > gehören die für dich nicht zur Zivilgesellschaft? Doch, alles Zivilgesellschaft

von Daffy am 30.01.2022, 15:36



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Okay, ich überlege gerade, in welche Gruppe ich gehöre, auf Umweltschutzdemos war ich auch schon ;-) Im Grundsatz hast du natürlich Recht, dass Jakarta andere Probleme hat, wenn der alte Regierungssitz davonzuschwimmen droht. Und es ist auch etwas kurz gesprungen, die Waldrodung für den Bau einer Hauptstadt mit dem Argument zu hinterfragen, warum man sich dann hier überhaupt die Mühe macht, Baumzertifikate zu kaufen (die ja auch immer etwas von einem bequemen Ablasshandel haben). Trotzdem sind sowohl Umwelt- als auch Klimaschutz das Realistischste, womit man sich beschäftigen kann, und es ist kurzsichtig, solche Aspekte nicht in die Überlegungen einzubeziehen, auch wenn es schnell gehen muss, weil den Leuten das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht...

Mitglied inaktiv - 30.01.2022, 17:36



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Wenn Borneo doch bereits zur Hälfte entwaldet ist, warum kann für die neue Hauptstadt nicht ein Platz gefunden werden, der bereits ohne Urwald ist? Warum muss die Regierung, die doch ein Interesse daran haben sollte, die natürlichen Ressourecen zu schonen, in so grossem Umfang Urwald unwiederbringlich vernichten? Dort geht es um viel mehr als um ein paar Molche, dieser Urwald ist einzigartig, dort leben Tiere die es nirgendwo sonst gibt auf der Welt ( Tiger, Orang-Utan ... ) Warum sollen Menschen für Aufforstungsprojekte spenden, wenn gleichzeitig ein Vielfaches an Wald nebenan durch die jeweiligen Regierungen zerstört wird? Du findest es weitsichtig, die Hauptstadt zu verlegen? Die Probleme, die Jakarta hat, sind vor Ort verursacht. Und mir fehlt der Glaube, dass es in einer neuen Hauptstadt besser läuft.

von Jana287 am 30.01.2022, 19:16



Antwort auf Beitrag von Jana287

> Wenn Borneo doch bereits zur Hälfte entwaldet ist, Ist das so? 50% Wald heißt ja nicht, dass die Gegend vorher zu 100% bewaldet war. Aber es wurde viel Urwald abgeholzt und wird weiter abholzt werden - bis zu einem Gleichgewicht zwischen menschlicher Entwicklung und mehr oder weniger unberührten Ökosystemen. Ich weiß nicht, wieweit wir (Deutschland, der Westen, der WWF) da Einfluss zu nehmen haben, vor allem wenn die Maßstäbe, die wir an andere anlegen, weit über unseren eigenen liegen. Zum Vergleich: der indonesische Teil Borneos macht das 1,5-fache der Fläche Deutschlands aus und ein Viertel des indonesischen Staatsgebietes - wenn davon die Hälfte ein Reservat für bedrohte Tiere und Völker sein soll, entspräche das auf Deutschland übertragen z. B. Hessen plus Rheinland-Pfalz, die zu räumen und Wald mit Wölfen zu überlassen wären, plus Platz für ein paar tausend Biogermanen in traditionellen Hütten (´national befreite Zonen`? ). Nur dass es bei Indonesien damit nicht getan wäre - Sumatra muss auch geschützt werden, Teile Javas etc. ... die 275 Millionen Einwohner dürfen sich in ein paar verbliebenen Ecken dann halt in Dreck und Elend einrichten? > warum kann für die neue Hauptstadt nicht ein Platz gefunden werden, der bereits ohne Urwald ist? Zum einen gibt es eine Vielzahl Anforderungen an ein politischen Zentrum mit Millionen Bewohnern (z. B. relative Erdbebensicherheit) - zum anderen ist das passiert! Mag sein, dass es noch ein paar Resturwälder in der Gegend gibt, aber wenn Du bei Google Earth (Satellitenansicht) reinzoomst, siehst Du, dass der Bereich alles andere als unberührt ist - begrenzt durch zwei große Städte (Balikpapan und Samarinda), dazwischen Straßen, Rauchwolken, braune Flächen, Industrie.... und die verbliebenen Wälder - nun ja: "The city features a hilly landscape and was formerly a industrial forest whose concession was owned by Sukanto Tanoto." Wenn sich da auch nur ein einziger freilebender Orang-Utan vegetiert, ist er ein armer Kerl und wäre im Landesinneren besser aufgehoben. >"Du findest es weitsichtig, die Hauptstadt zu verlegen? Die Probleme, die Jakarta hat, sind vor Ort verursacht. Und mir fehlt der Glaube, dass es in einer neuen Hauptstadt besser läuft." Ich finde es spannend und visionär - auch der GEO-Artikel ist ja nicht nur negativ. Manchmal lohnt es sich einfach nicht, in eine alte Schimmelhütte den tausendsten Nagel einzuschlagen. https://en.wikipedia.org/wiki/Nusantara_(proposed_city)

von Daffy am 31.01.2022, 09:32



Antwort auf Beitrag von Jana287

Ich habe davon noch nicht gehört. Klar ist es nicht gut wenn Wald gerodet wird, aber vielleicht kann er dann an anderer Stelle wieder wachsen. Ich finde es mindestens genau so beunruhigend und fragwürdig, wenn in Deutschland - oder den Niederlanden jedes Jahr viele Flächen bebaut und versiegelt werden- für Wohnungen, Industriegebiete und Straßen. Das ist für unser Klima genau so schlecht, wie die Rodung von Wäldern anderswo. Ich gönne jeder Familie ihr Einfamilienhaus, aber ich sehe eben auch, wie viele Flächen weg fallen, die vorher Wald oder Wiese waren. LG Muts

von Muts am 01.02.2022, 14:59



Antwort auf Beitrag von Muts

Hier ist die Stadt im permanenten Kampf mit den Investoren. Freiburg platzt aus allen Nähten, und weil die Randlagen für viele nicht so attraktiv sind bzw. man sich mit einer zentralen Adresse schmücken möchte (also die Investoren), wird überall nachverdichtet. In der Wiehre, das ist ein Stadtteil mit vielen Gründerzeit- und Jugendstilvillen, gibt es noch große Gärten mit alten Bäumen, einige davon sind auch im Karré angeordnet, sodass man eine große Grünfläche im Innenhof hat. Gerade erst wurde der Versuch eines Investors gekippt, da auf einem Grundstück ein Mehrfamilienhaus in zweiter Reihe zu bauen. Das sind innerstädtisch die letzten Grünflächen, die versiegelt würden, das ist auch für das Klima in der Stadt relevant, trotz diverser Hausberge ringsherum. Abgesehen davon werden das in der Lage ohnehin unbezahlbare Immobilien bzw. Mietwohnungen. Sanierte Altbauten oder Neubau (keine 1- bis 2-Zimmerwohnungen, sondern Wohnungen ab 80, 90 Quadratmeter) in so einer Lage werden hier für 20 Euro den qm kalt vermietet und für 7000 Euro den Quadratmeter verkauft.

Mitglied inaktiv - 06.02.2022, 08:49



Antwort auf Beitrag von Jana287

Borneo bei Nacht. Die neue Stadt entsteht zwischen den beiden großen Lichtflecken im Osten, Balikpapan und Samarinda. https://www.reddit.com/r/malaysia/comments/af4nru/satellite_most_areas_in_borneo_are_dark_at_night/

von Daffy am 05.02.2022, 18:39