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Chef des Weltwirtschaftsforums fordert Umdefiniton des kapitalistischen Systems

Thema: Chef des Weltwirtschaftsforums fordert Umdefiniton des kapitalistischen Systems

Der Artikel passt eigentlich auch ins Corona-Forum und ins Aktuell, aber auch hier: "Der Neoliberalismus hat ausgedient" Die Corona-Krise zeigt: Wir müssen den globalen Kapitalismus neu definieren, sagt Klaus Schwab, Chef des Weltwirtschaftsforums. Sonst komme die Veränderung mit Gewalt. Interview: Marcus Gatzke und Marlies Uken Seit Anfang des Jahres arbeitet Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, im Homeoffice. Noch nie habe er so viele Menschen getroffen wie in den vergangenen Monaten – aber eben nur virtuell, erzählt der 82-Jährige am Telefon. Seit 50 Jahren lädt er Regierungschefs, Majestäten, Vorstandsvorsitzende, Menschenrechtler und Umweltaktivisten ins schweizerische Davos, um sie ins Gespräch zu bringen. Im Januar 2021 wird es coronabedingt nur ein virtuelles Treffen geben. Das eigentliche Forum wurde auf den Frühsommer verschoben. Schwab hat die Zeit genutzt, um ein Buch über die Folgen der Corona-Krise zu schreiben ("The Great Reset", zusammen mit Thierry Malleret). Die deutsche Fassung erscheint Ende September. ZEIT ONLINE: Herr Schwab, Ihr neues Buch könnte einige Leser überraschen. Die Zeit nach der Pandemie werde eine Phase massiver Umverteilung einleiten von den Reichen zu den Armen und von Kapital zu Arbeit, schreiben Sie. Das hört sich eher nach Linkspartei an und weniger nach Weltwirtschaftsforum. Klaus Schwab: Vielleicht kennen mich viele Menschen einfach zu wenig. Ich stehe schon seit Jahren für einen verantwortungsvollen Kapitalismus ein. Derzeit sind wir mit zwei riesigen Herausforderungen konfrontiert: die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, auf nationaler und internationaler Ebene, sowie die Klimakrise. Diese Probleme müssen wir angehen. Und heute, mit der Corona-Pandemie, stellt sich noch eine dritte Herausforderung. Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das widerstandsfähiger, inklusiver und nachhaltiger ist. ZEIT ONLINE: Die Corona-Krise ist für Sie der Todesstoß für den Neoliberalismus. Was meinen Sie damit? Schwab: Landläufig wird unter Neoliberalismus ein ungeregelter, ungehemmter Kapitalismus verstanden. Und gerade die Länder, die diese Strategie am stärksten vorangetrieben haben – beispielsweise die USA und Großbritannien – werden von Corona mit am härtesten getroffen. Die Pandemie hat somit einmal mehr gezeigt: Der Neoliberalismus in dieser Form hat ausgedient. ZEIT ONLINE: Was ist Ihre Schlussfolgerung? Schwab: Ich bin davon überzeugt, dass wir den Kapitalismus neu definieren müssen. Wir dürfen nicht nur das Finanzkapital berücksichtigen, sondern auch das Sozialkapital, das Naturkapital und das menschliche Kapital. Unternehmen, die heute erfolgreich sein wollen, müssen alle diese Komponenten in ihre Strategie einbeziehen. Vor allem, weil wir es mit einer jungen Generation zu tun haben, die sich viel stärker der negativen Folgen eines Kapitalismus und einer ungehemmten Globalisierung bewusst ist. Es muss ein Umdenken stattfinden. ZEIT ONLINE: Manch ein Kritiker behauptet: Der Kapitalismus selbst ist das Problem. Schwab: Nein, der Kapitalismus ist nicht das Problem. Ich bin davon überzeugt, dass die unternehmerische Kraft jedes Einzelnen die Triebfeder für echten Fortschritt ist – und nicht der Staat. Aber diese individuelle Kraft muss in ein System von Regeln eingebettet werden, das ein Überborden in die eine oder andere Richtung verhindert. Diese Funktion muss ein starker Staat erfüllen. Der Markt löst allein keine Probleme. Ich plädiere nicht für eine Systemänderung. Ich plädiere für eine Systemverbesserung. Anonymer Briefkasten ZEIT ONLINE: Sie fordern in Ihrem Buch den großen Neuanfang. Derzeit gibt die Politik aber vor allem Geld aus, um das alte Wirtschaftssystem am Leben zu erhalten. Ist das nicht die falsche Politik? Schwab: Zunächst einmal müssen wir natürlich dafür sorgen, dass das System nicht kollabiert, ansonsten gehen zu viele Arbeitsplätze und zu viel Wirtschaftskraft verloren. Aber die Stabilisierung muss in die richtige Richtung gehen. In Deutschland müssen beispielsweise grüne Investitionen angeschoben und die Digitalisierung vorangetrieben werden. ZEIT ONLINE: Die Bundesregierung beteiligt sich dagegen lieber an der Lufthansa, ohne große Auflagen. Ein falscher Schritt? Schwab: Das dient der Stabilisierung des Systems in einer tiefen Krise. Gleichzeitig sollte der Staat aber Alternativen zum Flugverkehr ausbauen und unterstützen und etwa den Wettbewerb im Bahnnetz fördern. "Wachstum ist die falsche Kennzahl" ZEIT ONLINE: Sie vergleichen die Corona-Krise mit einem Krieg. Ist das nicht etwas übertrieben? Schwab: Es gibt natürlich grundlegende Unterschiede zwischen einer Pandemie und einem Krieg. Durch die Pandemie werden in jedem Fall weniger Menschen sterben als beispielsweise im Zweiten Weltkrieg. Aber die transformativen Kräfte können ähnlich sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Währungssystem Bretton Woods, die Vereinten Nationen und die EU gegründet. ZEIT ONLINE: Welche Institutionen brauchen wir nach dieser Pandemie? Schwab: Wir brauchen Institutionen, die die Welt als System verstehen und die Regierungen, Unternehmen und Zivilgesellschaft integrieren. Keines der Probleme, die wir auf globaler Ebene haben, kann isoliert betrachtet werden und jedes dieser Probleme braucht die Zusammenarbeit aller. ZEIT ONLINE: Wie lange wird die durch die Pandemie verursachte Wirtschaftskrise aus Ihrer Sicht noch anhalten? Schwab: Es gibt zwei Szenarien. Das positive: Wir haben im Frühjahr 2021 einen Impfstoff in genügender Menge, noch bessere und schnellere Tests und vielleicht auch bessere Behandlungsmöglichkeiten von Corona-Patienten. Dann wird sich auch die Wirtschaft relativ rasch wieder erholen. Das negative Szenario: Wir haben all das nicht. Dann wird uns die Pandemie bis mindestens 2022 beschäftigen. ZEIT ONLINE: Viele Menschen sehnen sich nach einer Rückkehr zur 'alten Normalität'. Sie sagen: Wir werden niemals dorthin zurückkehren. Warum? Schwab: Diese Pandemie hat uns auf die großen Risiken aufmerksam gemacht, die jeden Einzelnen von uns treffen können. In Davos haben wir auf dem Weltwirtschaftsforum 2017 eine globale Krise simuliert – daran haben auch Regierungen teilgenommen. Es war aber trotzdem am Ende alles sehr abstrakt. Durch die Pandemie ist es wesentlich konkreter geworden. Und die Folgen lassen sich auf andere globale Probleme übertragen: Wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird die Klimaerwärmung unser tägliches Leben ähnlich stark umwälzen wie jetzt die Pandemie. ZEIT ONLINE: Nur über den Klimawandel redet derzeit kaum noch jemand. Schwab: Das öffentliche Interesse gilt natürlich gerade mehr der Corona-Krise als dem Klimawandel. Aber wenn sie mit verantwortlichen Politikern und auch Unternehmen reden, werden sie erkennen, dass das Bewusstsein dafür gewachsen ist. Den meisten ist klar: Wir müssen die Dekarbonisierung der Wirtschaft so schnell wie irgend möglich vorantreiben. Schauen Sie sich die Waldbrände in Kalifornien an. Da tragen die Menschen nicht nur wegen der Pandemie eine Maske, sondern weil die Luft voller Rauchpartikeln ist. ZEIT ONLINE: Müssen wir angesichts der Probleme, die Sie beschreiben, nicht viel mehr machen als nur eine Kurskorrektur? Müssen wir nicht einen Grundpfeiler des Kapitalismus infrage stellen: Wachstum? Schwab: Wachstum ist die falsche Kennzahl, wenn es nur darum geht, die Zuwachsraten des Bruttosozialprodukts zu messen. Wir arbeiten gerade an einem System, in dem jedes Unternehmen verpflichtet wird, über seine Umweltleistung und seine soziale Leistung genauso zu berichten wie jetzt schon über seine finanzielle Bilanz. Das Gleiche sollte man auch vom Staat verlangen. Weiter geht's hier: https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-09/corona-kapitalismus-rezession-wef-neoliberalismus-klaus-schwab/komplettansicht

Mitglied inaktiv - 25.09.2020, 09:58



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Hatte ich auch gelesen, und fand ich sehr schlau! So sehe ich es auch.

von tonib am 25.09.2020, 11:10



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Noch mehr Bürokratie also? Ein Wichtigtuer mehr. Scheinbar hat er auch noch nie etwas von sozialer Marktwirtschaft gehört.

von SassiStern am 26.09.2020, 15:40



Antwort auf Beitrag von SassiStern

Was Wichtigtuerei angeht, würde ich mich an deiner Stelle nicht so weit aus dem Fenster lehnen. Du könntest vornüberkippen.

Mitglied inaktiv - 26.09.2020, 16:51



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Welche Erkenntnis. Guten Morgen! Muss das erst in der Zeitung stehen? Um das durchzusetzen, hat man die Zombieseuche erfunden und akribisch geplant. Aber klar, war alles Aluhut und so.. Du bist ja echt ne Schnellcheckerin, Respekt.

von stella_die_erste am 29.09.2020, 19:39



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Mein Beileid für diese Kommentare. Der Beitrag hätte Besseres verdient.

von tonib am 01.10.2020, 10:08



Antwort auf Beitrag von tonib

Danke. Leider ist dieses Forum hier so wenig frequentiert, dass die Trolle freie Bahn haben

Mitglied inaktiv - 01.10.2020, 10:15