Unterschiedliche Erwartungen

Hallo,

erstmal ein neutraler Blick auf die Situation: Der Kern des Problems ist offenbar, dass Ihr und Deine Eltern jeweils bestimmte Erwartungen hattet in Bezug auf das Haus, die Wohnung, das Sich-Einbringen im Haus, aber auch in Bezug auf das Enkelkind und die Besuche etc. Und dass diese Erwartungen gar nicht zusammenpassten. Weshalb sie auf beiden Seiten nun zwangsläufig enttäuscht worden sind.

Ich würde hier keine Schuldfrage stellen. Für falsche Erwartungen, die nicht kompatibel waren, kann eigentlich niemand etwas. Ent-Täuschung bedeutet ja wörtlich, dass man sich zuvor selbst getäuscht hat und nun die Wirklichkeit anschauen muss, die so ganz anders ist als gedacht. Und das ist beiden Seiten passiert, Euch genauso wie Deinen Eltern.

Ich denke, dass es in Deiner Familie vermutlich auch nie eine echte Konfliktkultur gegeben hat, wo man versucht, den anderen und seine Bedürfnisse zu verstehen und zu respektieren. Deine Eltern reagieren vielmehr kindlich-schmollend-aggressiv. Wie Du selbst Dich bei den Aussprachen verhältst, weiß ich natürlich nicht. Es könnte aber sein, dass Du hier auch nicht optimal vorgehst, weil Du alte ungünstige Muster aus Deiner Familie und Kindheit automatisch wiederholst.

Natürlich gibt es einen Ausweg. Den sieht man aber oft nicht, weil er unbequem, unkomfortabel und anstrengend ist. Die einzige Lösung, die ich hier sehe, ist ein Verkauf des Hauses, damit beide Seiten ausgezahlt werden können. Es tut Dir nicht gut, mit Deinen Eltern emotional und finanziell verquickt zu sein. Dies macht eine Loslösung von Deinen Eltern (auch eine innerliche) fast unmöglich. Denn diese Verknüpfungen produzieren ununterbrochen neues Konfliktpotential, und das wird vermutlich auch nicht aufhören.

Du wirst das natürlich nicht gern in Erwägung ziehen. Schließlich ist es schön, als junge Familie mit Kind schon ein Haus zu haben. Aber ich fürchte, der Preis, den Ihr und vor allem Du dafür zahlt, ist viel, viel zu hoch. Das gemeinsame Haus produziert Leid und Stress, der für Deine kleine Familie schädlich ist und Eurer Glück schmälert. Kein Haus mit Garten der Welt ist das wert, oder?

Vielleicht könntet Ihr von dem Verkaufserlös ja schon ein eigenes Haus anzahlen und finanzieren. Aber auch wenn nicht: Ich würde lieber eine kleine Eigentumswohnung nur für Euch drei kaufen, bis Ihr ein eigenes Haus finanzieren könnt. Der Immobilienmarkt ist übrigens extrem gut momentan, man bekommt Häuser förmlich aus der Hand gerissen, das dürfte also kein Problem sein.

Wie gesagt, es ist ein sehr unbequemer Weg. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man im Leben Modelle, die nicht funktionieren, manchmal aufgeben muss. Um mit einem neuen Weg dann zuerst unglaublich entlastet und meist schnell auch wirklich glücklich zu werden. Es lohnt sich langfristig immer sehr, Dinge, die nicht funktionieren, loszulassen. Es ist dagegen schädlich und irgendwann sogar körperlich krankmachend, aus Angst vor Unbequemlichkeit, Veränderung oder Neuanfang in einer unguten Situation steckenzubleiben.

Ich denke, dass Ihr, wenn es keine äußeren Fesseln mehr an Deine Eltern gibt, auch in Sachen Besuche nochmal frisch anfangen könnt. Alle Bedingungen hätten sich dann geändert, und oft gelingt ein neuer Zugang dann doch nochmal ganz gut.

LG