Sehr geehrte Frau Dr. Dorn, ich hoffe Sie können mir einen Rat geben. Mein Mann und ich haben im März unser erstes Baby im siebten Monat verloren. Mein Mann hat anfangs super funktioniert, während ich ziemlich niedergeschlagen war und immer noch bin. Seit einer Woche befindet er sich jedoch in einem sehr beängstigend Zustand. Er ist grundsätzlich ein sehr lieber, ruhiger, zurückgezogener und rücksichtsvoller Mensch und plötzlich zeigt er sich extrem extrovertiert, zu bestimmten Personen sehr gemein und teilweise in seiner Sprache aggressiv. In der letzten Woche hatte er ständig den Drang jeden Menschen auf der Straße anzusprechen, er will Unbekannte zu Hause einladen und große Feier veranstalten. Er schmiedet andauernd neue Pläne, möchte z.B. von jetzt auf gleich in eine andere Stadt ziehen und unsere bisherigen Pläne aufgeben. Ich habe z.B. einen guten Job, mit dem ich zufrieden bin, er hat sich aber auf der Suche nach einem neuen Job in dieser anderen Stadt für mich gemacht und hat bereits Kontakt mit einem Arbeitgeber ausgetauscht, aber in einem ganz anderen Arbeitsbereich, was für mich gar nicht in Frage kommt. Ein Jobwechsel oder Umzug kommen an sich für mich gar nicht in Frage, er fragt mich aber nicht, sondern handelt heimlich. Das hat er ohne mein Wissen getan und ich habe es zufällig erfahren. Ich dachte ich befinde mich im falschen Film. Weiterhin nimmt er Dinge wahr, die sonst keiner wahrnimmt. Er sieht überall Zusammenhänge, er bezieht alles auf sich, als würde z.B. das Gespräch der Kassiererin mit ihrer Kollegin für ihn eine große Bedeutung haben. Alles macht für ihn Sinn. Er wirkt etwas paranoid. Zudem hat er plötzlich extrem starken Sexualtrieb und versteht kein nein, weckt mich z.B. mitten in der Nacht auf und nimmt keinerlei Rücksicht, er erzählt mir von seinen neuen Plänen und möchte dann GV haben. Er schläft seitdem sehr schlecht, bzw. braucht wenig Schlaf. Er verhält sich so, als wäre er fremdgesteuert, sein Gesichtsausdruck ist ebenso manchmal anders bzw. beängstigend. Einer seiner guten Mitarbeiter hat in dieser Woche völlig unerwartet gekündigt, nachdem er mit meinem Mann eine Auseinandersetzung hatte. Seine Mutter hat ihn letzte Woche auch in dieser Phase erlebt, sie macht sich sogar noch größere sorgen als ich. Ich fühle mich extremst überfordert. Ich liebe ihn sehr und will ihn nicht aufgeben, er möchte aber nicht zum Arzt, weil er sich in diesem "neugeborenen" Zustand wohl fühlt und keinen Leidensdruck habe. Ich will nach meiner stillen Geburt schwach sein dürfen und mich mit meiner Trauer auseinandersetzen, dazu komme ich aber momentan gar nicht und versuche meinem Mann zuliebe stark zu sein. Ich komme aber an meine Grenzen. Er war als Jugendlicher für eine kurze Zeit in psychiatrischer Behandlung, seitdem habe er keine Auffälligkeiten gezeigt. Ich mache mir Sorgen, dass die Totgeburt sowie die weiteren Krisen, die wir in der Ehe danach hatten, eine manische Phase mit psychotischen Symptomen bei ihm ausgelöst haben. Ich habe versucht mit ihm sein Verhalten zu reflektieren. Vor zwei Tagen hat er glücklicherweise eingesehen, dass er mir und seinen Eltern, die uns kurz besucht hatten, berechtige Sorgen gemacht hat. Er hat Reue gezeigt und hatte Scham- und Schuldgefühle, hat viel geweint. Er konnte sich seitdem (zwei Tage lang) unter Kontrolle halten und ich dachte, er ist aus dieser Phase raus. Heute Morgen ging es aber weiter los, er findet nichts Auffälliges in seinem Verhalten von letzter Woche. Ich bin am Verzweifeln. Am liebsten würde ich ihm sagen, dass ich die Scheidung einreiche, wenn er sich nicht behandeln lässt, ich befürchte aber, dass er dann komplett durchdreht. Meine Fragen an Sie: 1) Wo kann ich mir in einer akuten Situation Hilfe holen? Er ist weder selbst- noch fremdgefährdet, Krankenwagen rufen wäre ziemlich übertrieben. Er will nicht zum Arzt, aber selbst wenn, würde er monatelang auf einen Termin warten. 2) wenn das wirklich eine manische Phase mit psychotischen Symptomen ist, wie ich es einschätze, kann diese unbehandelt von alleine enden? Soll ich befürchten, dass die Symptome noch stärker ausgeprägt werden und er dann doch fremd- oder selbstgefährdend werden könnte, wenn er sich keine ärztliche Hilfe sucht? 3) Haben Sie damit berufliche Erfahrung und können Sie mir Tipps geben, wie ich damit umgehen kann? Und wie ich mich meinem Mann gegenüber verhalte? Ich bedanke mich herzlich im Voraus für Ihre Zeit und Ihre Antwort! Liebe Grüße
Mitglied inaktiv - 04.05.2022, 11:03