Handstütz

Dr. med. Jan Matussek Frage an Dr. med. Jan Matussek Chefarzt für Kinderorthopädie und Kindertraumatologie am Klinikum Emil van Behring, Berlin

Frage: Handstütz

Liebes Team, Ich mache mir sorgen um die motorische Entwicklung meiner Tochter (5,5 monate alt).sie dreht sich seit sie 3,5 monate alt ist vom Rücken auf den bauch aber seither fehlen meilensteine: Bauchlage: sie stützt sich sicher auf den Unterarmen ab, kopf oben, greift einhändig nach Spielzeug aber: - handstütz klappt überhaupt nicht in bauchlage (auch nicht, wenn man sie hinsetzt, um sich abzustützen um nicht umzufallen-das habe ich nur mal probiert aber ansonsten setze ich sie natürlich nicht hin) - sie dreht sich noch nicht von bauch auf Rücken -sie schiebt die Beine noch nicht unter den po - sie robbt nicht und macht auch sonst keine Anstalten sich fortzubewegen In bauchlage: Greifen klappt auch hier super, spielzeugwechsel in beide Hände, nimmt Füße hoch und in mund, aber: - auch hier keine fortbewegubgsübungen, die stützt zb die füße nicht auf den Boden ab und geht mit dem Po hoch Sprachlich ist alles super, sie spricht schon Silben wie la la la und ba ba ba. Auch sonst ist sie sehr aufmerksam, lächelt, interagiert usw. Ist das alles noch im Rahmen? Wie kann ich sie denn animieren? Vor allem der handstütz macht mir sorgen, da dieser Meilenstein ja bald erreicht sein muss,aber so gar nicht klappt. Wie kann man das fördern? Wir sind täglich gaaaanz viel auf der krabbelmatte und es gefällt ihr auch. Vielen Dank und lg

von Schaschi am 01.06.2020, 08:37



Antwort auf: Handstütz

Liebe Familie, wie ich aus ihrer Beschreibung ersehe, scheint IhreTochter sehr lebendig und aktiv zu sein. Herzlichen Glückwunsch! Das Erreichen von vorgegebenen Meilenstein ist so eine Sache… Wir kennen zum Beispiel Kinder, die niemals gekrabbelt sind, sondern aus dem Sitz heraus sich hochgezogen haben und dann später gelaufen sind. Auch die vorgegebenen Zeitintervalle, in denen Meilensteine erreicht sein müssen, sind viel variabler als in den meisten Lehrbüchern angegeben. Man darf nicht vergessen, dass bestimmte Bewegungen für Kinder gerade in Bauchlage sehr anstrengend sind, und deshalb möglicherweise viel länger gemieden werden, als wir Eltern es ab fordern. Zum Beispiel der Handstütz: genauso wie das nach vorne nehmen von Armen in der Bauchlage, um Dinge vorSich zu ergreifen, erfordert ein sehr hohes Maß an Koordination, welches viele Kinder, ich würde sagen -50 % - überhaupt nie erreichen. Und das bedeutet überhaupt nicht, dass diese Kinder krank wären oder neurologische Probleme hätten. Ich sage einmal, dass anhand ihrer Beschreibung hier überhaupt keine Sorge ansteht: in den nächsten Monaten wird das freie Sitzen erreicht werden, ich denke so mit 8-9 Lebensmonaten. Dies wird neben dem Sichhochziehen und Aufrichten der wichtigste Meilenstein sein in den nächsten Monaten, und natürlich ist das abhängig von Muskelkraft. Sie fragen mich nun, ob alle Kinder in diesem Alter die gleiche Muskelkraft und motorische Koordination haben? Nein! Die Bandbreite ist enorm, so wie sie das bei uns Erwachsenen ja auch ist: und hier meine ich nicht den Unterschied zwischen dem Normalverbraucher und dem Leistungssportler. Genetisch haben wir von unseren Eltern und Großeltern ein Set an Bewegungsgenen und vererbten motorischen Gewohnheiten, welches nicht so einfach abschüttelbar und überwindbar ist. Sehr positiv befand ich Ihre Beschreibung der Aktivitäten und der Aufmerksamkeiten in Rückenlage: hier scheint altersentsprechend alles in Ordnung zu sein! Zum Abschluss: Förderung, so wie Sie es machen, ist sehr gut, aber Sorgen machen wegen Dingen ,die dann zur normalen (auch Defizit- ) Bandbreite eines kleinen Kindes gehören, sollten Sie sich nicht. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Jan Matussek

von Dr. J. Matussek am 03.06.2020