Großtagespflege

 Gaby Ochel-Mascher Frage an Gaby Ochel-Mascher Vorsitzende des Vereins Tagesmütternetz Oberberg e.V.

Frage: Großtagespflege

Ich arbeite seit Anfang des Jahres als TAMU, was mir auch großen Spaß macht. Allerdings bin ich durch meine relativ kleine Wohnung (68m2) platzmäßig ziemlich eingeschränkt. Ich hätte die Idee, mich mit einer anderen TAMU zusammenzutun und eine Großtagespflege zu gründen. Natürlich kommen mir da 1000 Fragen in den Kopf. Wird man finanziell unterstützt? Wenn ja, vom wem? Was für Räumlichkeiten müssten vorhanden sein (z.B. Garten)? Wäre es besser, gleichberechtigt mit einer anderen TAMU zu arbeiten oder lieber jemanden einzustellen? Müsste ich aus der gesetzlichen KK raus und in eine Private wechseln? Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mitglied inaktiv - 10.12.2008, 19:21


Antwort auf: Großtagespflege

Hallo Joni76, die Betreuung eines oder mehrerer Tageskinder kann – außer im Haushalt der Eltern oder im Haushalt der Tagespflegeperson – auch in anderen geeigneten Räumen erfolgen. Ob dies möglich ist, regelt das jeweilige Landesrecht. Einige Länder haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Ein einheitliches Vorgehen gibt es hier nicht. In einigen Bundesländern wird mehreren Tagesmüttern/Tagesvätern eine Genehmigung zur gemeinschaftlichen Betreuung von mehr als fünf Kindern erteilt. In der Regel wird dies als „Großtagespflege“ bezeichnet. Die Großtagespflege ermöglicht den Tagespflegepersonen ein Arbeiten im unmittelbaren kollegialen Austausch. Unter Umständen gibt es für die Erlaubnis für eine Großtagespflegestelle besondere Auflagen, was die baulichen Gegebenheiten angeht. Der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe ( d. h. Ihr zuständiges Jugendamt, bzw. Ihr zuständiges Landesjugendamt) erteilt hierzu Auskünfte über die konkreten Bedingungen vor Ort. Wenn Sie andere Räume anmieten wollen, dann beachten Sie bitte folgende räumliche Voraussetzungen die erfüllt sein sollten: · Ausschluss von offensichtlichen räumlichen und sozialen Gefahrenpotenzialen! · Sicherheit, · Hygiene; · eine anregungsreiche Ausgestaltung, · ausreichend Platz für Spiel- und Bewegungs-, Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten, vor allem für kleine Kinder auch ruhige Schlafmöglichkeiten; · angenehme Atmosphäre, · entwicklungsförderndes Spielmaterial; · Möglichkeit des Spielens und Erlebens in der Natur, in Wald- oder Parkanlagen in erreichbarer Nähe. · Die Räume müssen gut zu lüften, beheizbar und mit Tageslicht belichtet sein. Einkommen und die steuerliche Seite: Als Tagespflegepersonen sind Sie immer selbstständig tätig – einzige Ausnahme, wenn Sie als Kinderfrau im fremden Haushalt weisungsbefugt auf 400,00€ Basis im Minijob tätig sind; dann arbeitet die Tagesmutter als Angestellte - . Sie erhalten für die Betreuung der Kinder eine Geldleistung, die nach Vermittlung entweder von privat oder durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe ausgezahlt wird. Über den Träger wird sie als „Anerkennung der Förderleistung“ für die Tätigkeit der Tagespflegeperson gezahlt. Zusätzlich werden die Aufwendungen für Betriebskosten und Verpflegung der Kinder erstattet (§ 23 SGB VIII). Auch hier gilt: Den Rahmen gestaltet der Bund; die konkrete Ausgestaltung erfolgt in den Ländern und Kommunen. Die Höhe und die Zusammensetzung der Geldleistung variieren von Land zu Land und von Jugendhilfeträger zu Jugendhilfeträger, sodass ich hier keine allgemein gültigen Aussagen machen kann. Die Bezahlung richtet sich nach den individuellen Gegebenheiten und ist von verschiedenen Faktoren abhängig: · von der Qualifikation der Tagespflegeperson, · der Betreuungsdauer und -zeit sowie · der Anzahl und dem Alter der Kinder, · von ihren etwaigen besonderen Bedürfnissen. Die konkrete Information gibt Ihnen auch hierüber Ihr für Sie zuständiger Jugendhilfeträger (Jugendamt). Die Einkünfte aus der Kindertagespflege ist ab dem 0,01 Euro als Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit zu betrachten und müssen durch eine Einkommensteuererklärung beim Finanzamt angezeigt werden! Ab dem Kalenderjahr 2009 werden alle Einnahmen aus der Kindertagespflege nach § 22 SGB VIII, egal ob von Privat oder den Jugendämtern/Gemeinden gezahlt, grundsätzlich einkommensteuerpflichtig !!! Zu versteuern ist allerdings nur der erzielte Gewinn. Um diesen zu ermitteln, können so genannte Betriebsausgaben entweder über eine Pauschale oder anhand von Einzelauflistungen von den Einnahmen abgezogen werden. Die schon erwähnte Betriebsausgabenpauschale soll das Verfahren zur Gewinnermittlung vereinfachen. Sie beträgt für jedes vollzeitbetreute Kind pro Monat 300,- € bei einer Ganztagsbetreuung von mindestens 8 Stunden. Bei kürzerer Betreuungszeit wird die Betriebskostenpauschale entsprechend gekürzt (d. h.: bei 7 Stunden ein 7tel von 8 Teilen, bei 5 Stunden ein 5tel von 8 Teilen , bei 2 Stunden ein 2tel von 8 Teilen usw.). Wenn Sie die Betriebskostenpauschale nicht geltend machen wollen, da Ihre tatsächlichen Betriebskosten über den Pauschalen liegen, lohnt es sich, diese anhand aller Einzelbelege und einer Einzelaufstellung nachzuweisen. Dies können beispielhaft sein: · Mobiliar, · Spiel- und Bastelmaterial, · Nahrungsmittel, · Hygieneartikel, · Fachliteratur, · Weiterbildungs- und Kommunikationskosten (Telefon, Internet) · Miete und Betriebskosten für die zur Kinderbetreuung genutzten Räumlichkeiten · Kosten für die Freizeitgestaltung mit den Kindern · Fahrtkosten usw. Die Betriebsausgabenpauschale darf nur bis zur Höhe der Betriebseinnahme abgezogen werden. Die Einkünfte werden gegebenenfalls bei staatlichen Leistungen wie Arbeitslosengeld, Wohngeld usw. angerechnet. Eine Anmeldung beim Gewerbeamt ist nicht notwendig (§ 6 GewO). Zur Erklärung hier ein Rechenbeispiel: Anna X betreut als Tagesmutter 3 Kinder volltags und erhält dafür 500,00€ pro Monat und Kind (nicht sehr realistisch aber gut als Rechenbeispiel) Sie ist verheiratet und hat keine weiteren Einkünfte. · Monatliche Einnahme: 3x 500 Euro = 1.500 Euro · Betriebsausgabenpauschale 3 x 300 Euro = 900 Euro · Monatliche Einkünfte: 600 Euro · Einkünfte im Gesamtjahr: 7.200 Euro · Es fällt keine Einkommensteuer an. Wenn Anna X verheiratet ist und von ihrem Mann nicht dauernd getrennt lebt, werden die 7.200 Euro gemeinsam mit den Einkünften des Ehegatten besteuert. Hat Annas Ehemann beispielsweise ein zu versteuerndes Einkommen von 30.000 Euro aus nichtselbstständiger Arbeit, sind gemeinsam 37.200 Euro zu versteuern. Die Einkommensteuer beträgt hierfür bei Zusammenveranlagung 4.944 Euro. Es steht dem Ehepaar frei, sich gemeinsam oder getrennt versteuern zu lassen. Bei getrennter Veranlagung müsste der Ehemann 5.802 Euro Einkommensteuer entrichten, Anna als Tagespflegeperson gar keine. Bei Zusammenveranlagung ohne die Einkünfte aus der Tagespflege würde die Steuer allerdings nur 3.099 Euro betragen, d.h. die 7.200 Euro verursachen dann eine Steuer i.H.v. 1.845 Euro! · Monatliche Einnahmen 1.500,00 Euro · -EST bei Zusammenveranlagung (mtl.) 153,75 Euro · -Beitrag Kranken-/Pflegeversicherung 141,54 Euro* · -Beitrag Rentenversicherung 19,9 % 119,40 Euro · „netto“ 1.085,31 Euro * Mindestbemessungsgrundlage ab 2009 840,00 Euro davon 14,90 % KV-Beitrag +125,16 Euro 1,95 % PV-Beitrag + 16,08 Euro Summe =141,54 Euro Als selbstständig tätige Tagespflegeperson müssen Sie selbst für eine Kranken- und Pflegeversicherung (KV und PV )sorgen. Sie können entweder über den Ehepartner familienversichert oder freiwillig krankenversichert sein. Für die beitragsfreie gesetzliche Familienversicherung gilt eine jährlich geänderte, monatliche Einkommensgrenze von z. B. 355,- € in 2008. Unverheiratete Tagespflegepersonen und solche, die diese Einkommensgrenze übersteigen, müssen sich freiwillig versichern. Bis zu einem steuerpflichtigen Einkommen von rund 828,- € in 2008 und 840,- € in 2009 müssen Sie nur den allgemeinen Mindestbeitrag für freiwillige Mitglieder von rund 130,- € pro Monat für Kranken- und Pflegeversicherung entrichten. Arbeiten Sie mit dem Jugendamt zusammen, dann erhalten Sie die Hälfte hiervon vom Jugendhilfeträger erstattet. Auch hier gilt wieder: Ansprechpartner ist der für Sie zuständige Jugendhilfeträger. Auch für die Altersvorsorge müssen Sie selbst sorgen. Wenn Ihre Einkünfte nach Abzug der Betriebsausgabenpauschale (pro Kind und Monat) 400,- € überschreiten, sind alle Tagesmütter und -väter rentenversicherungspflichtig (§ 2 SGB VI)! Hier wird ebenfalls die Hälfte der Beiträge vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe erstattet, sobald Sie ein Tageskind über das Jugendamt vermittelt bekommen haben. Wenn Sie Ihre selbstständige Tätigkeit als Tagespflegeperson mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen oder ausüben, haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis in der Arbeitslosenversicherung zu begründen (§ 28a SGB III). Dabei ist zu beachten, dass der Antrag spätestens innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit bei der Agentur für Arbeit gestellt werden muss. Nähere Informationen erhalten Sie bei der Arbeitsagentur Ihres Wohnortes. Noch etwas zur Unfallversicherung: In der Zeit, in der die Kinder durch den Jugendhilfeträger in einer Tagespflegestelle betreut werden, sind diese gesetzlich unfallversichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII). Falls Sie als Tagespflegeperson selbst einen Unfall während Ihrer Tätigkeit erleiden, sind Sie gesetzlich über die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) versichert (§ 2 Abs. 1Nr. 9 SGB VII). Sie müssen sich dort jedoch angemeldet haben!! (Diese Versicherung ist eine Pflichtversicherung für jede selbstständige Tagespflegeperson !!!!!) Die Beiträge für die gesetzliche Unfallversicherung bei der BGW werden vom Jugendhilfeträger nach Einreichen der Rechnung übernommen, wenn Sie ein Kind vom Jugendamt übernommen haben. Sie haben das Recht, bei privaten Kindern die Beiträge der Berufsgenossenschaft umzulegen und dem Stundenlohn hinzuzufügen. Zum Schluss noch etwas zur Haftpflichtversicherung: Als Tagespflegeperson sind Sie in der Zeit, in der die Eltern nicht anwesend sind, aufsichtspflichtig (§ 832 BGB). Für den Fall, dass ein Tagespflegekind einen Unfall erleidet oder einer anderen Person einen Schaden zufügt und Ihnen als Tagesmutter eine Aufsichtspflichtverletzung nachgewiesen werden kann, sollte in jedem Fall eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen werden !!! Eine private Haftpflichtversicherung ist für die Tätigkeit als Tagespflegeperson nicht ausreichend. Freundliche Grüße Gaby O-Mascher

von Gaby Ochel-Mascher am 14.12.2008


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