Frage: Weinende Babys

Hallo Dr. Busse, sie haben gerade meine Frage beantwortet, herzlichen Dank! Dabei stiess ich noch auf die Frage einer anderen Mutter, der sie raten, ihr Baby nicht auf den Arm zu nehmen, wenn es schreit, sondern im Bett liegen zu lassen. Ich finde es furchtbar, was sie Kindern mit solchen Ratschlägen antun. Mich würde Ihre Begründung interessieren. Instinktiv wüsste jede Mutter, was sie mit ihrem schreienden Kind tun muss - sie nimmt es an die Brust, wiegt oder trägt es. Nur unsere Gesellschaft ist derart degeneriert, dass Mütter ihr Gefühl einfach verlieren. Sie vertrauen dem nächsten Arzt eher als ihrem Gefühl. Finden Sie das nicht auch schrecklich? Grüße Ina.

Mitglied inaktiv - 29.05.2009, 21:01



Antwort auf: Weinende Babys

Liebe I., die Frage ist doch immer, warum weint ein Kind? Natürlich ist es die richtige völlig natürliche Reaktion, ein Kind auf den Arm zu nehmen und zu trösten, wenn es sich weh getan hat, wenn es gerade geimpft wurde, also bei allen körperlichen und seelischen akuten Ereignissen. Etwas völlig anderes ist es aber, wenn ein Kind die Chance bekommen soll, das alleine Abschalten und zur Ruhe finden zu lernen. Auich hier erhält es ja vorher im Rahmen des Zubettgehrituals so viel körperliche Zuwendung wie es mag und wie die Eltern im geben mögen. Doch die Eltern können ihm nicht abnehmen, dass es lernen muss, den Tag hinter sich zu lassen, abzuschalten und in den Schlaf zu finden. Natürlich sollen die Eltern ihrem Kind auch in diesem Prozess zur Seite stehen und deshalb der Rat, beim Kind zu bleiben und ihm mit der leisen Stimme und der Anwesenheit zu zeigen, dass die Eltern da sind. In diesem Fall ein Kind ständig wieder auf den Arm zu nehmen, es herumzutragen, zu wiegen,..... lenkt es zwar kurzfristig ab durch den starken Bewegungsreiz, hilft ihm aber nicht, dass es eine wichtige Fähigkeit für sein späteres selbständiges Leben lernt, nämlich sich selber zu beruhigen. DAs ist ähnlich wie bei anderen Dingen, die ein Kind lernt: auch beim Laufen lernen muss es hinfallen dürfen und sich weh tun dürfen, sonst lernt es nicht laufen. Auch hier nützt es dem Kind nichts, wenn die Eltern es über den Zeitpunkt hinaus wo es noch gar nicht laufen können kann, tragen und es damit dieser Situation gar nicht aussetzen. Ich hoffe, Sie verstehen den Unterschied. Alles Gute!

von Dr. med. Andreas Busse am 31.05.2009



Antwort auf: Weinende Babys

Guten Tag, Herr Dr. Busse! Ich möchte mich gerne meiner Vorrednerin in der Fragestellung anschließen. Auch ich muss leider des Öfteren den Kopf schütteln, über die Ratschläge, Babies nicht tröstend auf den Arm zu nehmen, wenn sie weinen und Nähe benötigen. Auch meine Frage lautet: Warum? Welche Gründe gibt es dafür, ein Baby schreien zu lassen ohne schnelle Abhilfe zu schaffen durch beispielweise tröstendes auf-den-Arm-nehmen? Wie machen es denn die Erwachsenen? - Wenn ein Erwachsener tief traurig ist oder gar Schmerzen hat, lässt er sich in der Regel tröstend von einem Familienmitglied oder Freund in den Arm nehmen. Nur weil ein Baby sich noch nicht verbal äußern kann, soll es alleine mit seinem Kummer oder Leid auskommen? (Mit alleine meine ich nicht, dass niemand bei ihm ist, sondern dass seinem Bedürfnis nach Beruhigung durch Tragen o. ä. nicht nachgekommen werden soll) - Paare, sagen wir Mama und Papa schlafen gemeinsam in einem Bett, das hilflose Kind, welches die Welt noch nicht versteht und es 9 Monate lang kuschelig warm in Mamas Bauch hatte, soll es aber alleine im Bett und evtl. Zimmer aushalten? (Generell in Hinblick auf´s alleine lassen, was man beim nicht herausnehmen aus dem Bettchen ja doch auch irgendwie tut) - Würde ein Fremder laut weinend an der Straße stehen, würden wir sicher auf ihn zugehen und fragen, ob er Hilfe braucht und sie ihm verschaffen und nicht nur aus der Ferne rufen "Wird schon wieder!" - warum haben Eltern u. vor allem die Mutter Mitleid und ungute Gefühle bei solchen Praktiken? Warum werden schreiende/weinende Babies instinktiv von Erwachsenen auf den Arm genommen und gewiegt? Hat sich die Natur bei Ausstattung unserer Instinkte so sehr geirrt? .... Meines Wissens nach ist doch bereits wissenschaftlich erwiesen, dass das Schreienlassen neurologische Schäden und Traumata verursachen kann. Weiterhin können Säuglinge noch gar nicht lernen, sich selbst zu beruhigen... Sicher könnte Hr .Dr. Posth Quellen hierzu benennen. (Nur meine Vermutung!) Meine kleine Tochter ist nun 9 Monate alt und ich habe sie niemals schreien lassen, sondern bin all ihren Bedürfnissen nachgekommen und habe es keinen Moment lang bereut. Und nein, sie hat keinen "Hampelmann" aus mir gemacht. Falls durch das "Nur leise redend am Bett sitzen, Raum kurz verlassen usw." die Nerven der Eltern geschont werden sollen, so geht die Rechnung sicher nicht auf. Elternsein ist nunmal eine Umstellung und bringt schlaflose Nächte und Entbehrungen mit sich, doch das nicht nur solange die Kleinen eben klein sind, sondern meiner Meinung nach lebenslang. Aber ein Lächeln, der Gesichtsausdruck, wenn sie schlafen oder auch wenn sie die Arme nach einem ausstrecken und dabei glücklich brabbeln entschädigt doch für alles. Ich möchte keine Minute missen - auch nicht die schlaflosen. Nun schließe ich endlich mit nachdenklichen Grüßen und nochmals einer Entschuldigung für die Länge des Postings. Andrea

Mitglied inaktiv - 30.05.2009, 22:11



Antwort auf: Weinende Babys

Bei uns ist es oft tatsächlich so, dass meine Maus übermüdet ist und dann schreit. Auf dem Arm beruhigt sie sich zwar sofort, schläft aber nicht ein, sondern hält sich selbst krampfhaft wach. Da hilft es wirklich, wenn ich sie ins abgedunkelte Zimmer ins Bett lege. Sofort fängt sie an zu schreien wie am Spieß. Ich nehme sie dann aber nicht hoch, sondern streiche ihr nur über den Kopf, summe eine Melodie o.Ä. Die Kleine beruhigt sich dann auch nach einer gewissen Zeit und schläft dann tief und fest ein. Würde ich nicht so verfahren, schliefe sie tagsüber gar nicht mehr und ich hätte ein unzufriedenes, nörgelndes Kind. "Kontrolliertes Schreienlassen" ist für uns in solchen Momenten die einzige Lösung, zumal sie noch eine 17 Monate ältere Schwester hat, die auch Aufmerksamkeit fordert. Lieben Gruß, Pia-Lotta

Mitglied inaktiv - 30.05.2009, 23:53



Antwort auf: Weinende Babys

Liebe Pia-Lotta! Was mich einfach stört ist, dass oftmals pauschal der Ratschlag gegeben wird, ohne auf die ganz individuellen Bedürfnisse eines jeden Babys zu achten - also auch Eltern, deren Kind auf dem Arm wohl ruhig wird oder an der Brust. DAS finde ich schlimm und den Ratschlag, kurz den Raum zu verlassen. Mütter wissen in der Regel, was zu tun ist - ganz instinktiv - und werden von solch tollen Ratschlägen oder gar Anweisungen von ihrem Weg abgebracht. Liebe Grüße und ein schönes Pfingstwochenende :-) Andrea

Mitglied inaktiv - 31.05.2009, 09:47



Antwort auf: Weinende Babys

Hallo Herr Dr. Busse, danke für Ihre ausführliche Antwort! Ich erlaube mir noch eine Anmerkung. Kinder sind unterschiedlich und was für das eine Kind gut ist, ist für das andere vielleicht nicht passend. Die Meinung, dass sechs Monate alte Babys allein in den Schlaf finden müssen (und allein bedeutet für sie auch, allein in einem Bett zu sein, wenn jemand daneben sitzt), ist - wie soll ich sagen - eine Idee der Neuzeit und bereits widerlegt. Es gibt einige wenige Babys, die das schaffen. Die meisten schaffen es nicht. Ärzte sind in unserer Gesellschaft halbe Götter. Sie sollten sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, wenn Sie den Ratschlag geben, Babys im Bett schreien zu lassen, weil sie ja vorher alle Zuwendung bekommen haben. Ich kann Ihnen - und allen anderen - Forum und Buch von Dr. Posth empfehlen. Er legt sehr ausführlich und fundiert dar, dass Babys in diesem Alter absolut die Fähigkeit zur Selbstregulation fehlt und der aufkommende Stress - um nicht zu sagen, die Panik - sich äusserst negativ auf die Entwicklung des Kindes auswirkt. Tut mir leid, dass ich hier etwas provokant wirke, aber ich möchte den Kindern zu gern das Trauma ersparen, sich allein zu fühlen. Ich habe auch zwei sehr sensible Kinder, die immer bei mir im Bett an der Brust eingeschlafen sind. Anders wären sie nicht zur Ruhe gekommen. Und ich konnte das auch ohne schlechtes Gewissen geniessen. Viele Grüße Ina.

Mitglied inaktiv - 01.06.2009, 21:17