Sehr geehrter Dr. Busse,
ich habe untenstehende Frage auch bereits Dr. Bluni als "Schwangerschaftsexperte" gestellt, würde mich aber auch über Ihre Meinung und Erfahrungen als Kinderarzt freuen.
Ich bin aktuell in der 37. SSW. Die komplette Schwangerschaft habe ich versucht, alles besonders gut und korrekt zu machen, quasi "die perfekte Schwangere" zu sein. Das hat leider zunehmend und durchgängig dazu geführt, dass ich mir ständig Sorgen und Vorwürfe gemacht habe und enorme Ängste, teils auch panische Zustände mit verzweifeltem Weinen durchlebte. Zurückblickend verging wohl kaum ein Tag, an dem ich mich nicht wegen irgendeines scheinbaren Problems oder Fehlers gestresst habe. Meine Sorgen waren mal größer und mal kleiner, aber doch immer vorhanden. Auch mit meinem Mann kam es immer wieder zu Streit, weil auch ihn diese Situation verständlicherweise sehr gestresst hat. Insgesamt habe ich also aus der ständigen Sorge vor Fehlern mir selber enormen emotionalen und psychischen Druck und Stress gemacht.
Seit der 25. SSW bin ich deswegen in psychotherapeutischer Betreuung, die aber leider aus Zeitmangel der Therapeutin bisher nicht so engmaschig erfolgt, wie es sinnvoll wäre.
So, und nun steht sowohl in meinen Büchern als auch im Internet, dass Dauerstress während der Schwangerschaft dem ungeborenen Kind schadet und zu Entwicklungsstörungen, verminderter Intelligenz, ADHS und dergleichen mehr führt. Also wieder eine Sache, die ich "falsch" gemacht habe und mit der ich mich nun stresse - so paradox das ist.
Ich wüsste daher gerne, wie Sie diese Informationen einstufen. Sind diese Befunde wissenschaftlich fundiert und ernst zu nehmen, muss ich also damit rechnen, meinem Kind mit meinem unbedingten Willen, alles besonders gut zu machen, massiv geschadet zu haben? Und wenn ja, lässt sich hier postnatal noch etwas ausgleichen - oder ist der "Zug abgefahren"?
Für eine Einschätzung hierzu wäre ich Ihnen sehr dankbar.
Vielen herzlichen Dank und beste Grüße,
Krümelkauz
von
Krümelkauz
am 15.11.2017, 14:33
Antwort auf:
Stress und Ängste
Liebe K.,
es macht wenig Sinn, in der Vergangenheit zu graben und über theoretische Wahrscheinlichkeiten nachzudenken. Viel wichtiger ist es, dass Sie sich massiv darum kümmern, dass Sie ab sofort und besonders nach der Geburt Unterstützung und professionelle Therapie bekommen, damit Sie und Ihre ganze Familie das Leben wieder genießen können. Und bitte machen Sie sich klar, dass Eltern keineswegs perfekt sein müssen, ganz im Gegenteil.
Alles Gute!
von
Dr. med. Andreas Busse
am 16.11.2017
Antwort auf:
Stress und Ängste
Es gibt keine seriösen Studien, die belegen, dass du durch deine Ängste deinem Kind schadest. Viel wichtiger ist es, dass du diese Ängste noch der Geburt in den Griff bekommst, denn du kannst diese ganz schnell auf dein Kind übertragen und ihm Angst praktisch "anerziehen". Da du aber ja um dein Problem weißt und die Therapie dann hoffentlich engmaschiger verläuft, hast du ja schon mal einen guten Anfang gemacht. Und noch besser ist es, nicht so viel im Internet zu lesen ;-) Alles Gute für dich und dein Baby!
von
Anniquita83
am 15.11.2017, 17:44
Antwort auf:
Stress und Ängste
Hallo Anniquita83,
herzlichen Dank für deine ja erstmal beruhigende Antwort! Ich hoffe sehr, meine Panik bald in den Griff zu bekommen. Woher kennst du dich denn mit der Thematik aus, hattest du ähnliche "Probleme"?
Auch dir und deiner Familie alles Gute und liebe Grüße,
Krümelkauz
von
Krümelkauz
am 15.11.2017, 19:14
Antwort auf:
Stress und Ängste
Mach dir keine Gedanken, es kann zu dieser Fragestellung gar keine sinnvollen Studien geben, weil 1) wie definiert man Stress und Angst und 2) wie will man nachweisen, dass ein Kind ADHS o.Ä. hat, weil die Mutter in der Schwangerschaft Stress und Angst hatte - zwischen einer ADHS-Diagnose und Schwangerschaft liegen doch einige Jahre, da könnten ja auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Ursache-Wirkung ist nicht eindeutig nachzuweisen und das ist eben ein methodisches Problem. Ich schreibe dir das, damit du verstehst, dass solche Studien halt nicht so ohne weiteres durchführbar sind und wenn man sie auswertet (auswerten kann man ja alles), dann muss man die daraus gewonnenen Ergebnisse und die daraus gezogenen Rückschlüsse besonders kritisch hinterfragen. Anders gesagt: Frage mal alle Eltern von ADHS-Kinder, ob sie während der Schwangerschaft eine Jeans anhatten - wahrscheinlich sagen alle ja. Trotzdem erhöht das Tragen von Jeans während der Schwangerschaft nicht das Risiko von ADHS. Viele (die meisten?) Frauen haben mehr oder weniger Stress während der Schwangerschaft. Das gehört dazu. Ich hab mir auch total Sorgen und hab geheult, meistens immer an den Tagen vor dem Frauenarztbesuch, da hat sehr viel Nervosität mit reingespielt. Aber so krass wie bei dir war es nicht ... ich will nur sagen, ein gewissen Maß an Ängsten gehört einfach dazu.
Wichtig für dein Baby: Es braucht keine PERFEKTE Mama! Es braucht eine Mama, die ihr bestes gibt und die - wenn sie Fehler macht - diese auch zu gibt. Viele Menschen können das nämlich nicht. Du wirst dein Kind nicht ernsthaft schädigen, wenn du deinen Verstand benutzt - auch wenn du mit Sicherheit nicht alles richtig machen wirst. (Niemand macht alles richtig!!) Dafür musst du aber erstmal einen kühlen Kopf bewahren! Dein Baby braucht eine Mama, die ihm alle Nähe gibt, wenn es sie braucht und es einfach die Welt erkunden lässt, dabei steht und hilf wenn nötig, aber bitte nicht mit sorgenvoller Miene. :-)
Du schaffst das.
Mitglied inaktiv - 15.11.2017, 19:28
Antwort auf:
Stress und Ängste
Ich hatte selbst vor 13 Jahren eine Angststörung vor allen möglichen und unmöglichen Krankheiten. Daher weiß ich, wie schnell man in diesem Gedankenstrudel ist und nicht mehr heraus kommt. Das war zwar lange vor meiner Schwangerschaft, aber ich muss mich auch jetzt gelegentlich zwingen, nicht immer com Schlimmsten auszugehen, wenn die Kleine z.B. mal hinfällt. Dank meiner Therapie klappt das auch in 99,9% der Fälle gut und ansonsten habe ich eine liebe Familie, die mir den Kopf wäscht. Ich wünsche dir, dass du auch Liebe Menschen um dich herum hast, die dich unterstützen (und nicht nur im Kampf gegen die Ängste, sondern auch im Babyalltag allgemein).
von
Anniquita83
am 15.11.2017, 19:48
Antwort auf:
Stress und Ängste
Lieber Krümelkauz,
Lass Dich drücken und atme auf. Eine liebe Freundin hatte viel Ängste, Stress und Kummer in der SS (Mann hat sie betrogen, Ärger auf Arbeit...). Ihr Junge ist heute 4 und ein stabiler, aufgeweckter, sicher gebundener Kerl. Meine Hebi meinte zu mir, Ängste und Stress machen nichts aus, so lange Du innerlich in Liebe mit dem Ungeborenen im Kontakt bist, es freudig erwartest. Du packst das, alles Gute für die Geburt, freue Dich drauf!
Alles Liebe,
Ann-Kristin
von
Ann-Kristin
am 15.11.2017, 21:15
Antwort auf:
Stress und Ängste
Ich danke euch allen für eure lieben und beruhigenden Worte.
Ändern kann ich jetzt für die zurückliegenden Monate ja ohnehin nichts mehr, sondern nur versuchen, positiv nach vorne zu schauen und mich auf und über mein Kind zu freuen.
Liebe Grüße und alles Gute euch!
von
Krümelkauz
am 15.11.2017, 22:39