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Psychische Belastung in der Kinderwunschzeit

Ein Interview mit Frau Dr. phil. Almut Dorn, Psychotherapeutin in Hamburg, zu
möglichen Hilfen für betroffene Paare.

Redaktion:

Kann die Psyche wirklich eine ursächliche Rolle spielen, wenn ein Paar nicht schwanger wird?

Dr. Almut Dorn:

Tatsächlich kursieren viele Mythen zu den Themen Psyche und Kinderwunsch. Paare hören immer wieder „denkt nicht zu viel daran“, „wenn ihr es zu sehr wollt, kann das nicht klappen“, „erst wenn man den Kinderwunsch aufgibt, wird man schwanger“.
Dabei werden Frauen in allen möglichen Lebenslagen, ob sie entspannt sind oder nicht, schwanger. Bei einem unerfüllten Kinderwunsch kommen meist mehrere Gründe zusammen, die meisten liegen im eindeutig somatischen also körperlichen Bereich.
Das heißt, die Psyche beeinflusst die Empfängnis nicht direkt, sie kann aber die Ursache für ungünstiges Verhalten sein, das eine Schwangerschaft erschwert. Ist ein Paar z.B. sehr gestresst, wird eventuell „ungesünder“ gelebt (mehr Alkohol, Nikotin), Übergewicht nicht reduziert, Untergewicht nicht angegangen oder evtl. exzessiver Sport betrieben - all das kann die Chancen einer Schwangerschaft reduzieren.
Zudem können sexuelle Schwierigkeiten (als Stressfolge, als vorbekannte Störung oder auch als Folge des unerfüllten Kinderwunsches) zu deutlich weniger Geschlechtsverkehr führen, was die Chancen auf eine Schwangerschaft ebenfalls mindert.

Redaktion:

Nun gibt es viele Aspekte, die zu einer psychischen Belastung führen. Beispielsweise die Klärung der Frage, ob es bei einem von beiden körperliche Ursachen für eine ausbleibende Schwangerschaft gibt - oder auch ein nicht beiderseitig gleich stark ausgeprägter Kinderwunsch. Welche Situationen führen nach Ihrer Erfahrung am häufigsten zu den wesentlichsten Belastungen?

Dr. Almut Dorn:

Belastungen lassen sich nicht so leicht messen und vergleichen. Für manche Paare ist die Diagnose einer Sterilität bereits erschütternd. Andere sind erleichtert, dass sie jetzt einen Grund für die ausbleibende Schwangerschaft haben und starten optimistisch in die reproduktionsmedizinische Behandlung. Einige Paare müssen sich erst einigen, wie weit sie medizinische Hilfe überhaupt in Anspruch nehmen möchten. Die Behandlungen an sich sind in verschiedener Weise belastend - körperlich (durch Hormongaben), organisatorisch (viele Arzttermine), finanziell (nicht alles wird von den Versicherungen erstattet) und psychisch (starker Wechsel von Hoffnung und evtl. Enttäuschungen). Darunter können wiederum die Partnerschaft und der Kontakt ins soziale Umfeld leiden. Psychische Vorerkrankungen oder weitere psychosoziale Belastungen können sich zusätzlich auf die psychische Stabilität auswirken.

Redaktion:

Unterscheiden sich Männer und Frauen darin, wie stark sie diese seelischen Belastungen empfinden?

Dr. Almut Dorn:

Früher ist man davon ausgegangen, dass Frauen stärker unter einem unerfüllten Kinderwunsch leiden. Heute zeigen Untersuchungen, dass Männer ebenso belastet sind. Frauen äußern sich jedoch offener und suchen auch eher professionelle Hilfe. Männer machen viel mit sich selber aus, zeigen ihre Belastungen eher auf der Verhaltens- als auf der Gefühlsebene.

Redaktion:

Sind die Frauen nicht besonders belastet, weil sie ja körperlich von der Behandlung stark betroffen sind und eine extreme Anspannung insbesondere nach einer Behandlung spüren?

Dr. Almut Dorn:

Ja, die körperliche Belastung ist sicherlich größer bei den Frauen. Die Männer müssen allerdings aushalten „nichts“ machen zu können, bzw. nur wenig zu der körperlichen Behandlung beitragen zu können, was ebenfalls sehr belastend und hilflos machen kann. Männer sind ungern hilflos. Manche Frauen wünschen sich, dass ihre Partner sie zu den Arztterminen begleiten oder ihnen z. B. die Hormonspritzen setzen - damit teilen sie einen Teil der Belastung und beziehen ihren Partner mit ein, was manchmal hilfreich sein kann.

Redaktion:

Mit einer Kinderwunschbehandlung assoziieren Menschen oft auch Negatives: Sex nach Plan, viel medizinische Einmischung, beobachtet und beurteilt werden. Manchmal sprechen Paare nicht mehr mit ihrem Umfeld über ihren Kinderwunsch. Spielt auch Scham eine Rolle?

Dr. Almut Dorn:

Ja, Scham „nicht richtig zu funktionieren“ und auch der Verlust der „Intimität“ kann eine Rolle spielen. Zum Beispiel kann bei Männern die Diagnose einer „Einschränkung der Fruchtbarkeit“ dazu führen, dass sie an ihrer Potenz zweifeln, was extrem schambesetzt sein kann (damit aber nichts zu tun hat). Über den richtigen Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs reden zu müssen und mögliche ärztliche Eingriffe nehmen dem Kinderwunsch zudem jegliche Romantik. Paaren wird an dieser Stelle bewusst, wie wenig Einfluss sie auf viele körperliche Prozesse haben. Gerade wenn die bisherige Lebensgestaltung sehr selbstbestimmt war, kann dies einen großen Einschnitt bedeuten. Das müssen Paare erst mal für sich verarbeitet bekommen, bevor sie mit anderen darüber offen reden können. Den meisten Paaren hilft langfristig jedoch eine größere Offenheit mehr, als wenn sie der Außenwelt etwas vorspielen müssen.

Redaktion:

Wann ist es sinnvoll, sich psychologische Hilfe zu suchen? Wie kann eine professionelle Hilfe heute die Paare entlasten?

Dr. Almut Dorn:

Für viele Menschen ist es immer noch eine große Hürde, sich psychologischen Rat zu holen, dabei zeigen Untersuchungen, dass diejenigen, die Hilfe in Anspruch nehmen, es anderen empfehlen würden, weil sie davon profitieren. Zudem ist der Zugang zur psychosozialen Beratung nicht immer leicht. Die wenigsten Reproduktionsmedizinischen Zentren beschäftigen eigene psychologische Berater /Beraterinnen. Über die Website der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung www.bkid.de erfährt man, wo qualifizierte Berater und Beraterinnen im deutschsprachigen Raum zu finden sind.
In der Beratung können die ganz individuellen Belastungen herausgearbeitet und gemeinsam Lösungsstrategien gesucht werden. Manchmal ist es nicht nur der unerfüllte Kinderwunsch, der bedrückt. Es kann auf die Paarbeziehung eingegangen werden und bestimmte Gefühle und Reaktionen, die belasten, können verstanden und verändert werden. Häufig geht es in der Beratung auch darum, die ambivalenten Gefühle, die eine Kinderwunschbehandlung häufig begleiten zu „normalisieren“. Dabei kann auch der Austausch mit anderen Betroffenen hilfreich sein. Ein Thema, das Betroffene in die Beratung bringt, ist der Abschied vom Kinderwunsch. Die Frage, wie werde ich damit fertig, wenn alle Versuche erfolglos blieben und kein Baby geboren wurde oder die gewünschte Familiengröße nicht erreicht wurde, kann gemeinsam angeschaut werden um individuelle Antworten zu finden.

Redaktion:

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Dorn.

Autor:  Dr. phil. Almut Dorn

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