Frage: Folgeschäden möglich?

Guten Tag! Mein Baby kam spontan zur Welt. Die Herztöne waren während der Geburt ok, die Geburt zog sich dennoch lange hin. Es kam mit Nabelschnur um den Hals auf die Welt, war weißlich/grau und schrie erst nach 15 min. Der Apgar lag bei 6/7/10 NAph Wert war bei 7.19 Base exess war -4,20 Können Sie eine Einschätzung geben ob es einen Sauerstoffmangel gegeben hat und es zu Hirnschäden oder anderen Folgen kommen konnte? Meine Hebamme kann es leider nicht genau sagen und demnach bin ich sehr verunsichert. Im Krankenhaus habe ich nicht den Kopf dafür gehabt nachzufragen, erst zu Hause habe ich alles realisieren können. Ich hoffe Sie können mir Auskunft geben.

von KleineKathi am 02.04.2021, 17:38



Antwort auf: Folgeschäden möglich?

Liebe Kathi, Ihr Kind war sicher sehr gestresst. Deshalb hat Ihr Kind mit den Werten deutlich signalisiert, dass es anstrengend war. Dieser war nur kurz und das Kind hat sich zügig und bestens erholt. Es gibt leider (bzw. ich habe keinen) einfachen Text, der den komplexen Zusammenhang zwischen Basen-Säure-Haushalt und den entsprechenden Abweichungen in Bezug auf Frühgeburtlichkeit erklärt. Ich habe aber ein paar interessante Seiten im Netz gefunden. "Beim Apgar Index handelt es sich um ein Scoresystem, bei dem 1, 5 und 10 Minuten post partum Herzfrequenz, Atmung, Tonus, Reflexe und die Hautfarbe des Kindes mit jeweils 0 bis 2 Punkten beurteilt werden. Er liegt somit zwischen 0 und 10 Punkten, wobei 10 Punkte das beste Ergebnis sind. Bei Ergebnissen zwischen 7 und 10 gelten die Kinder als „lebensfrisch“ (Apgar 1953). Dieser Index dient der schnellen Erfassung des klinischen Zustands des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt (0 Minuten) und ggf. für die Effizienz der Reanimation (5 und 10 Minuten) (ACOG 1996, Casey et al. 2001, Leitlinie 2003), insbesondere ist der Befund eines lebensfrischen Kindes nicht mit der Annahme einer schweren intrapartalen Asphyxie vereinbar (Helwig 1996). In verschiedenen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass insbesondere der 5-Minuten-Wert mit der späteren Mortalität (Apgar 1953, Drage et al. 1964, Nelson et al. 1981, Portman et al. 1990, Toh 2000, Casey et al. 2001) und Morbidität korreliert (Portman et al. 1990, Toh 2000). Somit stellt der Apgar-Index seit nun mehr als 50 Jahren ein valides, einfach zu ermittelndes, klinisches Maß für den Zustand des Kindes und somit der Ergebnisqualität dar, das aufgrund einer aktuellen Leitlinie immer erhoben werden soll (Leitlinie 2003). Der mittlere pH-Wert von (gesunden) Neugeborenen im Nabelarterienblut wird in der Literatur mit 7,21 bis 7,31 angegeben (Vandenbussche et al. 1999, Helwig 1996). Bei einem Absinken des Blut-pH-Wertes unterhalb des Normalbereichs sprechen wir von einer Azidose. Von einer signifikanten Azidose bei Neugeborenen wird ab einem pH-Wert < 7,1 (Roemer 2002) bzw. < 7,0 (Sehdev et al. 1997, Low 1993, ACOG 1994) ausgegangen. Wir unterscheiden die respiratorische und die metabolische Azidose. Bei der respiratorischen Form führt ein erhöhter CO2-Spiegel zu einem erhöhten Niveau von HCO3- im Blut, womit der pH absinkt. Dies geschieht, wenn das CO2 nicht über die Atmung abgegeben werden kann und ansteigt (Hyperkapnie). Die metabolische Form ist dem gegenüber auf einen erhöhten Anfall von sauren Valenzen (z. B. Hypoxämie mit Umschalten auf anaeroben Stoffwechsel, Diabetes mellitus) oder darauf zurück zu führen, dass die Valenzen nicht über die Nieren ausgeschieden werden können (z. B. Urämie). Hypoxämie kann zwar kombiniert mit Hyperkapnie auftreten, der Grad des Schadens zeigt sich aber vor allem in der Kumulation von Säuren in den Zellen (Ross et al. 2002). Zur Unterscheidung dieser beiden Formen wird der Base Excess herangezogen. Dieser ist definiert als die Menge an Base, die benötigt wird, um das Blut bei 37 Grad und einem pCO2 von 40 mmHg auf den Normalwert von 7,4 zu titrieren (mMol/l) (Siggaard Andersen et al. 1960, 1963). Dieser Wert ändert sich bei einer rein respiratorischen Azidose defintionsgemäß nicht. Das Basendefizit in der Nabelschnur des gesunden Neugeborenen entspricht 4 - 5 mmol/l (Helwig 1996, Arikan et al. 2000, 2000a). Für eine klinisch bedeutsame metabolische Azidose beim Säugling wird in der Literatur ein Basendefizit > 12 mmol/l (Low 1997) bzw. > 16 mmol/l veranschlagt (Goldaber et al. 1991). Pathogenetisch ist davon auszugehen, dass bei einschneidender Reduktion der Sauerstoffversorgung mit entsprechendem Abfall des pO2 im fetalen Blut der Fetus zunächst u. a. durch Umstellung der Perfusion und Aktivitätsminderung kompensieren kann. Sind diese Mechanismen erschöpft, entwickelt sich durch anaeroben Metabolismus eine metabolische Azidose und schließlich irreversible Schäden (Myers 1972, Parer 1998, Nijland et al. 1995). Der Zusammenhang zwischen einem pathologischen Base Excess und neurologischen und sonstigen Folgeschäden konnte in verschiedenen Studien erhärtet werden (Low et al. 1994, Low et al. 1995, Low 1997, Toh 2000, Williams und Singh 2002), wobei anzumerken ist, dass zwar einerseits der Zusammenhang zwischen einer ausgeprägten Azidose und Mortalität bzw. Morbidität eindeutig ist, dass aber andererseits die Mehrzahl der Kinder mit Azidose keine Folgeschäden davon trägt (geringe Spezifität (Roemer et al. 1998, 2002)). Aus diesem Grund wird die Grenze für die metabolische Azidose bei der Berechnung des Indikators auf die schlechteren in der Literatur aufgeführten Werte gelegt. In der Kombination dieser Messwerte werden die wesentlichen zum Zeitpunkt der Geburt ohnehin zu erhebenden Ergebnisparameter kombiniert, um den Zustand des Kindes einzuschätzen. Auf das Outcome kann durch rechtzeitige Erkennung der Notlage mittels fetalem Monitoring (Roemer 2003), ggf. rechtzeitige Indikation zur Schnittentbindung und Verkürzung der EE-Zeit Einfluss genommen werden. Mit einem Apgar-Score unter 5 bei fünf Minuten und einem pH unter 7,0 bzw. einem Base Excess < -16, sind die Kriterien für ein auffälliges Outcome relativ strikt, d. h. es werden nur die Kinder mit sehr schlechten Werten erfasst. Daher soll jeder Einzelfall untersucht werden, bei dem bei reif geborenen Kindern ein solch kritisches Outcome auftritt. Ihr Kind ist davon nicht betroffen! Liebe Grüße Martina Höfel

von Martina Höfel am 03.04.2021