Liebe Frau Höfel,
erstmal vielen Dank für die Beantwortung meiner bisherigen Fragen! Sie haben mir sehr geholfen und konnten mich immer beruhigen ;-).
Jetzt habe ich schon wieder eine Frage. Ich lese relativ viel, wobei sich das Problem auftut, dass man viele unterschiedliche Dinge und Meinungen findet. Ich möchte mein Kind, welches wohl in den nächsten Tagen zur Welt kommen wird, gerne voll stillen. In einem Fachbuch habe ich gerade gelesen, dass es wichtig sei, einem Kind mit Säuglingsgelbsucht genügend Flüssigkeit zuzuführen (das leuchtet mir ein), und zwar zusätzlich zur Muttermilch via Fencheltee. Ich hatte eigentlich aber nicht vor, zuzufüttern. Das bremst doch eher die Stimulation der Mutterbrust, oder nicht? Normalerweise müsste es die Natur doch so eingerichtet haben, dass die Brust genügend Flüssigkeit produziert, um Niere und Leber des Kindes so anzuregen, dass das Bilirubin ausgeschieden werden kann? Was meinen Sie dazu, ist Fencheltee hier sinnvoll?
Eine zweite kurze Frage dazu: Ich möchte gerne ambulant entbinden, also im Falle es dem Baby und mir gutgeht. Sollte dann ein Ikterus auftreten, wie kann man denn den Wert feststellen? Ein gewisser Grad an Gelbsucht ist ja physiologisch, macht die Nachsorgehebamme das über ihren erfahrenen Blick oder hat sie da Möglichkeiten, das zu messen? Wie oft kommt es bei reifen Säuglingen vor, dass sie so stark ikterisch sind, dass sie stationär aufgenommen werden müssen? Vielen lieben Dank für ihre Hilfe!
von
lieselotte1310
am 16.11.2012, 07:39
Antwort auf:
Fencheltee prophylaktisch gegen Säuglingsikterus?
Liebe lieselotte,
hier kann ich Kollegin Andrea nur bestätigen!
Nur der Vollständigkeit halber noch ein paar zusätzliche Infos.
Ich habe mal bei Biggi Welter geklaut (darf ich), da ist es schon perfekt beschrieben!
"ein gesundes, voll gestilltes Kind braucht keinen Tee (und wenn es welchen bekommt, dann ist es nicht mehr voll gestillt) und auch kein Wasser. Tee ist ein Arzneimittel und ein gesundes Kind braucht keine Medikamente. Tee kann nicht nur unerwartete Nebenwirkungen mit sich bringen (da Tees nun einmal eine Arzneiwirkung haben, haben sie auch Nebenwirkungen), sondern auch zu Problemen wie Gedeihstörungen (das Baby erhält eine kalorienarme oder kalorienfreie Flüssigkeit, die den Magen füllt und so verhindern kann, dass es oft genug an der Brust trinkt) oder auch Saugverwirrung (wenn der Tee mit der Flasche gegeben wird) führen und sogar das Abstillen einleiten. Alle Flüssigkeit, die ein voll gestilltes Baby braucht, bekommt es an der Brust (auch bei heißem Wetter, Beduinenfrauen geben auch weder Tee noch Wasser). Eine Studie in den Tropen ergab sogar, dass vollgestillte Kinder mehr Flüssigkeit aufnahmen als die Kinder, die zusätzliche Flüssigkeit bekamen (Sachdev, Krishna, Puri et al., 1991).
Zur eingehenderen Information hänge ich Ihnen den Artikel einer Kollegin an.
LLLiebe Grüße
Biggi Welter
Ist zusätzliche Flüssigkeit für gesunde, voll gestillte Babys notwendig?
Von Denise Both, IBCLC
Immer wieder wird stillenden Müttern gesagt, dass Muttermilch alleine für ihr Kind nicht ausreichend sei und sie unbedingt Tee oder Wasser zugeben müssten. Die für diese Empfehlung angeführten Gründe sind vielfältig, stehen jedoch im Widerspruch zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Empfehlungen zur Stillförderung, die UNICEF und WHO im Rahmen ihrer Initiative "Stillfreundliches Krankenhaus" veröffentlicht haben.
Zusätzliche Gaben von Tee, Glukoselösung oder Wasser sind bei einem voll ausgetragenen, gesunden Baby, das ausschliesslich mit Muttermilch ernährt wird, nicht notwendig und können den Stillerfolg erheblich gefährden. Auch wenn unter unseren westlichen Verhältnissen nicht zu erwarten ist, dass das Kind durch verunreinigtes Wasser Schaden nimmt, so können sich zusätzliche Flüssigkeitsgaben bei einen Neugeborenen auf andere Weise auswirken.
Zusätzlich gegebene Flüssigkeit füllt den Magen des Babys und verringert so sein Interesse am Gestilltwerden. Ein Baby, dessen Magen mit Tee gefüllt ist, erhält nicht genügend Kalorien. Tee und Glukoselösungen wirken sich störend auf das Stillen aus. Babys, die derartige Flüssigkeiten erhalten, neigen dazu, mehr an Gewicht zu verlieren als Babys, die ausschliesslich gestillt werden.
Zusätzlich verabreichter Tee (oder Glukoselösung) trägt zur physiologischen Neugeborenengelbsucht bei. Untersuchungen haben ergeben, dass die Bilirubinwerte eines Babys um so höher liegen, je mehr Tee es in den ersten Lebenstagen erhalten hat. Das Mekonium (erster Stuhlgang) ist sehr bilirubinreich. Kolostrum hat eine abführende Wirkung und hilft dem Baby bei einer beschleunigten Ausscheidung des Mekoniums. Dadurch wird der Bilirubinwert niedrig gehalten. Zusätzlich gegebener Tee hingegen regt nicht zu Darmbewegungen an, verursacht eine Rückabsorption des Bilirubins in den Körper des Babys und trägt somit zur physiologischen Neugeborenengelbsucht bei. Auch während einer Phototherapie bei verstärkter Neugeborenengelbsucht sollte das Kind bevorzugt häufig Muttermilch statt Tee erhalten
Wird Flüssigkeit mit einer Flasche gegeben, kann dies zu Stillproblemen, einer Schwächung der Saugfähigkeit oder Ablehnung der Brust führen. Ein Neugeborenes kann auf den Wechsel zwischen Brust und Flasche während der ersten Lebenswochen mit Verwirrung reagieren. Eine Saugverwirrung kann zu gravierenden Stillproblemen führen.
Auch bei heissem Wetter ist es nicht notwendig zusätzliche Flüssigkeit zu geben. Muttermilch genügt auch in dieser Situation als vollwertiges Nahrungsmittel und enthält genau das richtige Verhältnis von Flüssigkeit und Nahrung, um Hunger und Durst des Babys zu befriedigen. Wichtig ist jedoch, dass die Mutter das Baby nach Bedarf stillt, was bei heissem Wetter häufiger der Fall sein kann.
Quellen:
Mohrbacher und Stock: The Breastfeeding Answer Book, 1997
Lauwers und Shinskie: Counseling the Nursing Mother, 1999
Goldberg und Adams: Studie veröffentl. im Arch. Dis. Child, 1983
Sachdev, Krishna, Puri et al.: Zusätzliche Flüssigkeit für voll gestillte Kinder im Sommer in den Tropen, Lancet 1991"
Entbinden Sie ambulant, gehen Sie nach Hause, packen Sie sich mit Mann und Kind ins Bett und geniessen Sie einfach die ersten Tage. Dann ist es so, wie zu Zeiten als Sie Ihren Mann kennengelernt haben. Und das war doch sicher aufregend und kuschelig, oder?
Liebe GRüße
Martina Höfel
von
Martina Höfel
am 16.11.2012
Antwort auf:
Fencheltee prophylaktisch gegen Säuglingsikterus?
Das muß ein altes Buch sein: diese Ansicht hat sich grundlegend geändert.
Bilirubin wird über den Darm ausgeschieden: deshalb ist es wichtig, daß das Kind ausreichend Muttermilch trinkt, denn diese wirkt leicht abführend und beschleunigt den Abbau des Bilirubins.
Zusätzlich helfen Wärme und streßfreie Umgebung, Ikterus zu vermeiden oder nur harmlos auftreten zu lassen: dies ist in häuslicher Umgebung eher gewährleistet - jedenfalls sehen wir in dieser Umgebung deutlich weniger gelbe Kinder als in der Klinik.
Bei Bedarf wird die Nachsorgehebamme selbstverständlich den Wert kontrollieren und notfalls geeignete Maßnahmen einleiten.
Eine (selten notwendige) Lichttherapie kann u.U. auch zu Hause erfolgen.
von
Andrea6
am 16.11.2012, 09:13