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Geschrieben von Mijou am 16.11.2005, 10:07 Uhr

Mehr Gelassenheit (Achtung, länger)

Hallo Claudia,

Ihr wünscht Euch, dass Eure Tochter aufs Gymnasium geht. Um von Euch geliebt und anerkannt zu werden, hat Eure Tochter diesen Wunsch ebenfalls. Das kann man einerseits verstehen, andererseits ist es Unsinn, von vornherein eine feste Schulform ins Auge zu fassen und das Kind dann dorthin zu drillen. Ein wichtiges Kriterium für die Gymnasial-Eignung ist, dass ein Kind FREIWILLIG (!) immer etwas mehr macht als nötig. Wenn man ein Kind, das sich auf der Realschule glücklicher fühlen würde, aufs Gymnasium bugsieren will, muss man sich auf viele Jahre Druck, Verweigerung, Tränen und Enttäuschungen gefasst machen - das Ende vom Lied sind dann manchmal sogar unterdurchschnittliche Leistungen, eventuell ein Schulwechsel.

Gymnasialeignung heißt, dass ein Kind ohne Druck aus eigenem Antrieb überdurchschnittlich lernwillig ist - ob es dann hier und da eine drei hat oder nicht, ist nicht interessant. Ich selbst habe auch gelegentlich eine drei im Grundschulzeugnis gehabt. Ich habe Abitur und ein abgeschlossenes Studium. Mein Mann ebenfalls, obwohl er sogar mal sitzengeblieben ist. Trotzdem sind wir beide nicht darauf fixiert, dass unsere Kinder nun bitteschön auch Abi machen müssen.

Oft wollen wir Eltern nämlich nur auf den ersten Blick das "Beste" für unsere Kinder. Wenn wir mal ehrlich sind, stimmt das zwar - wir wollen aber AUCH das Beste für uns selbst und unser Ego. Weil wir vielleicht selbst nicht aufs Gymnasium gegangen sind, es uns aber im Nachhinein durchaus zugetraut hätten. Oder umgekehrt: Weil WIR auf dem Gymnasium waren, soll es der Nachwuchs gefälligst auch schaffen, das kann doch wohl kein Problem sein bittesehr. Beide Ansätze haben mehr mit unerfüllten Wünschen der Eltern zu tun, als mit der Liebe zum Kind.

Wir leben in einer geist- und seelenlosen Leistungsgesellschaft. Wir glauben, ohne Abitur und ohne überdurchschnittliche Leistung sei unser Kind nicht überlebensfähig in dieser Ellbogengesellschaft. Dies ist aber Unsinn. Leistung ist natürlich nicht egal, sondern EIN wichtiger Faktor unter anderen. Wenn man aber zu sehr auf Leistung abstellt (wie Du das momentan ein bissel tust, finde ich), produziert man unglückliche, lebensuntüchtige seelische Krüppel. Die erreichen vielleicht (manchmal) gute Stellungen im Beruf - brauchen aber nicht selten ein ganzes Leben, um zu erkennen, woher ihre Depressionen und Zwangsneurosen kommen, und dass sie immer nur versucht haben, ihren Eltern zu gefallen. Um von ihnen geliebt und akzeptiert zu werden - oft sogar noch als Erwachsene.

Es ist eine Krankheit unserer Zeit, dass wir unsere Kinder fast nicht bedingungslos lieben können (auch wenn wir das glauben), sondern mit Liebe und echter Anerkennung so gut wie immer auch Leistung verbinden.
Ich finde es gut, dass Du Dir Gedanken um die Zukunft Deiner Tochter machst und ihr einen guten Abschluss ermöglichen willst, das ist normal. Damit Du sie aber so unterstützen kannst, dass sie ein seelisch erfolgreicher und stabiler Mensch wirst, empfehle ich Dir das wunderbare (und wissenschaftlich fundierte) Buch: "Das Drama des begabten Kindes" von Alice Miller. Es ist ein Standardwerk, dass bei so gut wie jedem große Aha-Erlebnisse auslöst. Mir selbst hat es sehr geholfen, das rechte Maß zu finden bei meinen Kindern. Wenn man das nicht schafft, drohen seelische Erkrankungen, die nämlich eine moderne Seuche und die Schattenseite der Leistungsmedaille sind. Es ist ein schmales Bändchen, das man rasch und gut lesen kann - tu das doch mal für Euer Kind, huh?

Liebe Grüße,

Mimi

 
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