Darf mein Baby schon sitzen oder stehen?

Darf mein Baby schon sitzen oder stehen?

© Adobe Stock, drubig-photo

Diese Frage höre ich sehr oft in meiner Praxis oder lese sie in meinem Forum.

Eltern erleben Fortschritte im Bereich der Motorik gerade bei ihrem Säugling besonders positiv: der Augenblick, wenn das Kind zum ersten Mal nach einem Spielzeug greift und besonders die ersten Schritte bleiben für immer ein wichtiges Datum.

Es liegt nahe, dass Eltern gerade solche Fähigkeiten besonders fördern wollen, sich aber auf der anderen Seite auch Sorgen darüber machen, ob sie ihrem Kind damit vielleicht schaden, wenn sie es schon auf ihrem Schoß oder im Sportwagen sitzen oder festgehalten stehen lassen.

Die motorische Entwicklung ist überwiegend ein Reifungsprozess, der nach inneren, angeborenen Gesetzmäßigkeiten abläuft. Säuglinge drehen sich vom Rücken auf den Bauch, ohne dass die Eltern sie dazu anleiten. Sie robben und krabbeln, ohne dass ihnen dies jemand vormachen müsste. Eltern können die Ausreifung motorischer Funktionen nicht beeinflussen. Ob ein gesundes Kind mit 10 Monaten oder erst mit 17 Monaten die ersten freien Schritte macht, wird ganz alleine durch seine Gene bestimmt. Wichtig ist dabei nur, dass ein Kind die Chance bekommt, seine motorischen Fähigkeiten auszuprobieren und selbst zu üben.

Viel Zeit auf einer Krabbeldecke oder in einem Laufstall verbringen zu können und sich dort frei bewegen zu können, nach Dingen greifen zu können, sich festhalten zu können, ist aber sicher förderlicher, als z.B. nur in einer Wippe zu sitzen oder nur herumgetragen zu werden. So wie später die Gelegenheit, zuhause, auf Spielplätzen, auf Wiesen und in Wäldern herumtoben zu können. Alles, was ein Kind von sich aus macht, darauf ist sein Körper auch vorbereitet. Wenn ihr kleiner Turnmaxe zäh und verbissen übt, sich zum Stehen an einem Möbelstück hoch zu ziehen, dann dürfen Sie ihn das so lange tun lassen, wie er möchte, ohne sich Sorgen zu machen.

Gerade motorisch aktive und geschickte Babys schaffen es oft ganz früh, sich an den Händen der Eltern zum Sitzen und später zum Stehen aufzurichten. Das ist eines der vielen wunderschönen Spiele für Kinder und Eltern und es gibt keinen Grund, darauf zu verzichten.

Keinesfalls sollten aber Eltern dabei den Ehrgeiz entwickeln, ihr Kind auf diese Weise frühzeitig zu "trainieren", alleine sitzen und gehen zu können. Das funktioniert wie oben gesagt nicht, und es könnte auch die Knochen und das Bindegewebe ihres Babys überlasten. Ähnlich ist es mit dem Sitzen im Sportwagen: Wenn ein Baby beim Ausfahren zunehmend Interesse an seiner Umgebung zeigt und mehr sehen will als nur das Gesicht der schiebenden Eltern, dann dürfen Eltern das als positives Signal nehmen. Im Sportwagen lässt es sich leicht verwirklichen, sein Kind abwechselnd halb sitzend oder, wenn es müde wird, liegend spazieren zu fahren. Im Winter muss dabei aber vor allem auf ausreichende Wärmeisolierung von unten geachtet werden.

Ein Wort zum leider immer noch beliebten "Gehfrei" oder ähnlichen Geräten, in denen Kinder sich sitzend fortbewegen können. Auch wenn das noch so niedlich aussieht und die Kinder sich darin zufrieden eine Weile selbst beschäftigen. Die Fortbewegung damit entspricht eben gerade nicht der natürlichen Entwicklung, über Robben, Krabbeln und Sich-Hochziehen zur eigenständigen Fortbewegung zu gelangen. Die unnatürliche Bewegung der Beine kann eine Spitzfußstellung und einen Zehenspitzengang verursachen und fördert keineswegs das freie Laufen. Zudem passieren leider immer wieder schwerste Unfälle mit diesen Geräten, wenn ein Kind damit irgendwo hängen bleibt und herauskatapultiert wird oder über eine Treppe stürzt. In Kanada sind diese Geräte deshalb sogar seit einiger Zeit verboten. Ein Auto zum Schieben und später ein Roller sind dagegen ideale Spielgeräte.

Viel Spaß dabei, wenn Sie die Entwicklung ihres Kindes fasziniert beobachten!

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