Die Geburt

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Geschrieben von Schniesenase am 09.03.2018, 23:39 Uhr

Ein bisschen ist dieses Problem auch hausgemacht...

Es ist eine erstaunliche Vorstellung, dass eine Frau die Verantwortung abgeben soll, sobald sie in die Klinik geht. Ich habe ganz bewusst "medizinische" weggelassen, um deutlich zu machen, wie leicht aus Argumenten Totschlagargumente werden.

Zunächst geht eine Frau doch in die Klinik in der Erwartung, dort HEBAMMEN vorzufinden, wie Silke Westphal, die sich kompetent mit Geburt auskennen, die Frau liebevoll und fachkompetent betreuen, anleiten, falls nötig, und schauen, dass die Frau ihre Arbeit gut machen kann und ihr helfen, ihrem Körpergefühl zu folgen, denn ihr Körper weiß, was gebraucht wird. Hebammen sind doch in aller erster Linie unsere starken, uns verstehenden und unterstützenden Helferinnen.

Im Falle von Schwierigkeiten können erfahrene Hebammen großartige Hilfe leisten, und das sind immer noch keine medizinischen Eingriffe, sondern die unschätzbare Unterstützung durch eine äußerst geburtserfahrene Frau.

Medizinische Verantwortung müssen wir abgeben, wenn trotz guter Betreuung Probleme auftreten, die ohne Eingriffe medizinischer Art nicht mehr zu lösen sind.

So ist es jedoch vielerorts nicht, wenn man sieht, wie zügig es oft unter der Klinikgeburt zu medizinischen Eingriffen kommt (Wehenhemmer, Wehenverstärker, allein das Setzen der Braunüle, das häufig obligatorisch gemacht wird, die Frau kann es nicht ablehnen, Rückenlage, CTG-Dauerüberwachung mit 50% falsch positiven Ergebnissen, zahlreiche vaginale Untersuchungen etc.). Je nach Klinik passiert das schneller oder im besten Falle nicht.

Aus den Ergebnissen der Pilotstudie des GKV (Gesamtverbandes der Gesetzlichen KK) vor wenigen Jahren:

Liegende Geburt:
86.1% der KH-Geburten vs.
23,7% Geburtshausgeburten

Nachweislich ist die Rückenlage für eine Geburt die ungünstigste, führt häufiger zu Komplikationen und verursacht vielfältige Probleme. Warum also "können" so wenige Kliniken sich hier geburtshelfend verhalten?

Damm unverletzt:
29,8% in KH
41,2% in Geburtshäusern

Wehenbeschleuniger/-hemmer:
19% in KH
6,6% in Geburtshäusern

Die genaueren Ergebnisse der Studie kann man bei quag nachlesen.

Ich möchte damit nur ein Beispiel für das nennen, um das es den Befürwortern der Petition geht.

Übrigens: Untersucht wurden 60.000 Klinikgeburten gesunder Frauen mit reifem Einzelkind aus Schädellage im Vergleich zu 30.000 Geburten in Geburtshäusern.

Während den ersten 2,5 Stunden meiner ersten Geburt war ich allein mit meinem Mann, lag anfangs in der Wanne, veratmete dann die Wehen über diversen Stühlen, hing dann irgendwann am Kragen meines Mannes und schüttelte mein Kind hinunter, als die Hebamme kam. Ich dachte nicht nach, der Körper ließ mich tun, was ich tat, ich war entspannt und gut "gebrieft". Später kniete ich vor dem Bett, weil die Hebamme eher erkannte als ich, dass ein Haltungswechsel nun hilfreich wäre und sie mich ganz sanft dahingehend fragte, was mir wohl jetzt guttäte. Sie begleitete mich nach vollständiger Eröffnung aufs Klo und sorgte dafür, dass das Kind nicht gleich dort zur Welt kam. Als das Köpfchen schon fühlbar war, wartete ich mit dem Pressen, das bis dahin ein Selbstgänger gewesen war, weil es mir so eng erschien, und sie ließ mich warten, bis sie irgendwann ganz freundlich sagte: "Du kannst das Kind jetzt rauspressen." Was dann auch geschah, 2,5 Stunden, nachdem ich begriffen hatte, dass meine Bähungsgefühle Wehen gewesen waren. Der Damm war unverletzt, beim Eintreffen der Hebamme fand die einzige vaginale Untersuchung statt, um zu schauen, wie weit der Muttermund geöffnet war (und das war schmerzhaft), es wurde ein paarmal, ohne dass ich es richtig wahrnahm, mit dem Hörrohr überprüft, wie es dem Kind ging, ich hatte mal ätherisches Öl vor die Nase gehalten bekommen, im Zimmer war Kerzenlicht; es gab keine Medikamente, und ich brauchte sie auch nicht, ging nachdem mein Baby das erste Mal gestillt hatte, selbstständig duschen, und den Rest der Nacht verbrachte ich mit meinem Mann, staundend das Wunder zu betrachten, das zu uns gekommen war.

So wäre ein Beispiel einer normalen Geburt. Andere wären vielleicht noch zügiger, andere würden einige Stunden länger dauern, aber eher im Rahmen von 7-14 Stunden. Wer glaubt, dass das normal ist?

Bei einer Klinikgeburt müsste man die Stagnation der Geburt, die durch den Ortswechsel passiert, mitrechnen, also ein paar Stunden länger, bis sich dort wieder so weit Entspannung eingestellt hätte, dass die Gebärende sich wieder voll ihrem Körper überlassen könnte. Dann aber müsste, bei guter Vorbereitung und Begleitung der Gebärenden, ein ähnlicher Ablauf passieren (individuell verschieden, was Positionen und Hilfestellungen anbeträfe), hier oder da, wegen bestimmter Besonderheiten noch mit zusätzlichen Handgriffen oder Anleitungen durch die Hebamme. Wer glaubt, dass das im Normalfall so einfach geht? Warum glauben das so wenige bzw. ertönt sofort der Aufschrei der Empörung, weil sich zig Frauen mit ganz anderen Geburtserlebnissen betrogen fühlen und sich wehren, denn bei ihnen war es alles ganz und gar nicht so einfach, und alle Eingriffe seien nötig gewesen?

Ganz sicher waren unter den gegebenen Umständen mehr Eingriffe nötig, aber eben weil die Umstände nicht stimmten.

Das ist es, was ich meine, wenn ich sage, dass in der Geburtshilfe Veränderungen dringend nötig sind.

Rund 90% oder mehr der Geburten sollten physiologisch geschehen, ähnlich wie bei mir. Tun sie aber nicht, weil bestimmte Bedingungen nicht gegeben sind. Das ist eine Tatsache, und das schadet der ganzen Gesellschaft, die eine verdrehte Vorstellung bezüglich Schwangerschaft und Geburt entwickelt hat. Es ist ein Jammer für unzählige Frauen und ihre Kinder, weil ihnen das stärkende Erfolgsgefühl dieser Übergangserfahrung verwehrt bleibt - übrigens für Mädchen ein besonderes Problem, wenn die Geburt ihrer eigenen zukünftigen Kinder sie retraumatisiert und das auch die zukünftigen Geburten erschwert.

Also in gewisser Weise MUSS Geburt ein Wunschkonzert sein, bei dem der Dirigent der Körper der Frau ist. Wer kann sich denn anmaßen, dieses komplexe Geschehen besser machen zu können? Es kann unterstützt werden und bei Problemen kann unsere Medizin schieben und retten. Aber viele frühe Eingriffe sind Grund für Problemkaskaden bei Geburten, und unsensibles Handeln (ich rede nicht von Notfällen) sorgt oft dafür, dass der Körper die Geburt unterbricht, weil scheinbar die Situation der Frau nicht sicher ist, ggf. muss die Frau vor dem Säbelzahntiger fliehen, der da lauert... Geburt ist so ein archaischer Vorgang!

Ich bin sicher, jeder erfahrenen Hebamme erzähle ich hier nichts Neues. Trotzdem haben wir in D so viele KS, so viele Dammschnitte ohne Indikation beim Kind, so viele zu frühe medizinische Eingriffe.

Genau das zu ändern, den Hebammen, Ärztinnen und Ärzten die Bedingungen, aber auch die Kontrolle systemisch zu schaffen, dass 90% der Geburten physiologisch und als sicher grenzwertige, aber doch stärkende Erfahrungen hervorgehen. Die Arbeit daran fängt schon bei Feststellung der Schwangerschaft oder noch vorher in der Verarbeitung früherer oder von Fehlgeburten an.

 
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