Rechtsgrundlage für die Verweigerung von Wehenhemmern?

Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Frage an Prof. Dr. med. Gerhard Jorch Kinderarzt und Neonatologe

Frage: Rechtsgrundlage für die Verweigerung von Wehenhemmern?

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. med. Jorch, Herr Dr. Bluni meinte, Sie könnten mir evtl. etwas zur Bewertung der Situation sagen, wie ich sie erlebt habe. Mir ist die Rechtsgrundlage völlig unklar, auf der sich die Ärzte bewegten. Ich dachte bisher, das ungeborene Leben hätte in Deutschland das gleiche Recht auf Leben und Behandlung wie jeder andere Patient. In der 22. SSW wurde ich mit massiven Unterleibsschmerzen und -krämpfen schließlich als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert. Der Notarzt ließ die Sanitäter mir zuhaus ein Spray geben, das wohl wehenhemmend war. Es brachte zumindest so weit Besserung, dass ich vom Boden auf die Trage mit Unterstützung aufstehen konnte. Im Krankenhaus fragte ich aus Angst um den Fötus nach mehr Wehenhemmer. Der Arzt meinte daraufhin, die würden sie in der 22. SSW nicht geben, da das Baby nicht lebensfähig sei. Für mich in dem Moment völlig unlogisch, denn ein lebensfähiges Baby bräuchte man nicht im Bauch zu halten. Der zweite Arzt meinte, man könne ja nicht wochenlang Wehenhemmer geben. Für mich ebenfalls unverständlich, da für mich ja erst mal nur die Situation unterbrochen werden sollte und ich nie auf die Idee gekommen wäre, dass das wochenlang anhalten würde. So oder so hätte ich es selbstverständlich zuerst zeitnah mit Wehenhemmern versucht, eine Fehlgeburt aufzuhalten. Ich war völlig verängst und geschockt, bat meinen Mann, einen Anwalt einzuschalten, war in Panik, den bis dahin völlig gesunden Fötus zu verlieren. Was das Krankenhauspersonal dazu bewog, alles zu versuchen, mich zu beschwichtigen und die Einschaltung eines Anwalts zu unterbinden. Nachdem die akute Situation abgeklungen war, versuchte die dritte Ärztin mir das so zu erklären: 1. Würde bei Föten, die von manch anderen Kliniken in diesem Alter gerettet würden, (bzw. als Frühgeburt überlebten) das Alter bzw. der ET falsch berechnet worden sein, die Föten in Wirklichkeit schon älter gewesen seien. Was mir die Frage aufwirft, wenn nun mein Baby von Anfang an zu jung geschätzt wurde, hätte es deswegen sterben müssen?? Man kann sich ja auch in die andere Richtung irren! 2. Würden solche Föten, die man in dieser Woche retten würde, ja wahrscheinlich behindert sein. An dieser Aussage kaue ich eigentlich am meisten. Meines Wissens existiert in Deutschland keine Gesetzeslage zur Verhinderung behinderten Lebens! Selbst Abtreibungen aufgrund Behinderung werden ja offiziell nur aufgrund psychischer Belastung der Mutter durchgeführt. Wie können die Krankenhausärzte entscheiden, ob es sich lohnt, mein Kind zu retten oder ob es zu wahrscheinlich ist, dass es mit seiner Behinderung die Gesellschaft belastet ?? Hier gab es auch keine Alternative zu den Wehenhemmern, also haben die Ärzte nicht über die Art der Behandlung entschieden, sondern dass keine Behandlung stattfindet! Verdichtet lautet meine Frage: Aufgrund welcher Grundlage dürfen Ärzte in der 22. bzw. 23. SSW Wehenhemmer verweigern, sogar gegen den Wunsch der Eltern? Ist das rechtlich wirklich zulässig? Ich lese und höre immer wieder, die meisten Kliniken hielten sich an die 24. SSW als Grenze für Wehenhemmer, aber niemand konnte mir sagen, auf welchem Gesetz das fußt. Auch geben durchaus manche Ärzte früher Wehenhemmer - diese Ärzte handeln ja wohl nicht gesetzeswidrig? Wie soll man denn als Eltern später damit leben, dass das Kind starb, nur weil man vielleicht im falschen Krankenhaus war?? :( Viele Grüße Esmeralda

von Esmeralda am 12.09.2018, 18:36



Antwort auf: Rechtsgrundlage für die Verweigerung von Wehenhemmern?

Letztlich entscheiden die Eltern als Stellvertreter ihres Kindes, welches ja nicht entscheiden kann. Wir Ärzte beraten die Eltern. Ab 24 SSW raten wir zu, mit 22 SSW raten wir meistens ab, mit 23 SSW besprechen wir das ergebnisoffen mit den Eltern. Die Wirkung einer Langzeittokolyse > 48 h wird von vielen eher kritisch gesehen. Vieles hängt vom Einzelfall ab. Bei Aussicht auf Schwangerschaftsverlängerung sollte mit 22SSW aber m.E. Zunächst alles versucht werden. Bei mangelnder Wirkung kann die Therapie dann ja immer noch abgesetzt werden.

von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 15.09.2018