Lieber Herr Professor Jorch! Ich bitte Sie um eine Einschaetzung des Schweregrades der PVL meines Sohnes, da mir auf der neonatologischen Station wiederholt gesagt wurde, der Befund sei extrem klein und ich haette wohl kaum mit Einschraenkungen zu rechnen. Ich kann dies aber nicht so wirklich glauben und bin sehr in Sorge. Mein Sohn wurde in der 30+1 SSW bei IUGR, enddiastolischem umbilikalen Nullfluss (ich hatte eine beginnende Praeeklampsie), beginnendem Brainsparing und pathologischem CTG mit Einengung und variablen Dezelerationen per Sectionem geboren. Apgar 9/10/10, pH 7.31, 1200 g, 39 cm. Er hatte die Nabelschnur zweimal ueber Kreuz um den Hals und wie einen Rucksack um die Arme gewickelt, die Plazenta wies im Rahmen der histopathologischen Aufarbeitung mehrere retroplazentare Haematome und einen kleineren Infarkt auf. Mein Sohn hat die ersten 4 Wochen ohne grosse Komplikationen ueberstanden, er hatte am 2. Tag ein RDS 2. Grades, den CPAP aber wieder selbst abgebaut und danach auch nicht mehr benoetigt. Es gab zu keinem Zeitpunkt Bradykardien oder Saettigungsabfaelle und es wurde die ganze Zeit von einem Vorzeigefruehchen gesprochen. Die initialen Schaedelsonos waren unauffaellig bis auf eine damals als Normvariante gedeutete Erweiterung des linken Ventrikels, welche sich noch im Bereich der Normwerte befand, jedoch im Vgl. zur Gegenseite auffiel. (Da ich selbst einen im Vgl. zur Gegenseite vergroesserten Seitenventrikel habe, fand ich das auch nicht weiter schlimm.) Nach 4 Wochen wurde mir dann eroeffnet, dass mein Sohn eine PVL hat. Man sieht nun auf der linken Seite periventrikulaer auf Hoehe der Inselrinde 3 kleine Zysten, zusammengenommen 5 x 7 x 10 mm Groesse. Der Ventrikel links hat sich weiter vergroessert, jedoch sieht es so aus, als sei dies einfach wachstumsbedingt, da die Relation zum rechten Ventrikel gleich geblieben ist. (Links nun 13 mm, rechts 6 mm in der Koronarebene.) Retrospektiv kann man den PVL-Bezirk links wohl auch auf den initialen Sonographien als echogen sehen. Die kontralaterale Seite ist unauffaellig. Mein Sohn ist nun 4.5 Wochen alt, wiegt nun 1850 g und ist neurologisch aktuell unauffaellig. Er schaut zu Lichtquellen, ich bilde mir ein, dass er mich ansieht und er laechelt mich sogar schon an, zumindest strahlt er mit offenen Augen in meine Richtung, wenn ich ihm die Flasche gebe. Seine Bewegungsmuster sind bisher normal, inbesondere bringt er die Haende in den Mund, saugt am Daumen, hat einen festen Griff, hat keine Probleme bei der Flaschenernaehrung, strampelt viel und wandert auch recht aktiv im Inkubator herum. (Man hat ihn auch schon in Querlage am oberen Ende gefunden, und ohne Nestchen kommt er in seinem Haeuschen ziemlich rum.) Wenn er beim Wickeln erbost ist, stoesst er sich mit Rumpf und Beinen ab und wandert nach oben, um sich zu entziehen. Die Magensonde zieht er sich immer wieder erfolgreich, ich habe ihn einmal dabei beobachtet, er nutzt dafuer auch beide Haende alternierend. Wie schaetzen Sie den Schweregrad der PVL in unserem Fall ein? Da man Zysten sieht, kann der Befund doch nicht so klein sein, wie mir versichert wird, oder? Worauf muss ich mich im schlechtesten Fall gefasst machen? Was ist das bestmoegliche Outcome? Und was das Wahrscheinlichste? Koennen Sie ueberhaupt eine Angabe zu Wahrscheinlichkeiten machen? Ich habe grosse Angst, was uns erwartet, versucht, mich zu informieren, und in Foren meist eher Beaengstigendes gelesen. Aus frueheren publizierten Studien ziehe ich Wahrscheinlichkeiten von 90% fuer eine Zerebralparese, wenn Zysten sonographisch darstellbar sind. Allerdings sind diese Daten aus 1990, d.h. die Sonos wohl aus den 1980n, die Aufloesung war wohl damals auch nicht so gut, und bei meinem Kleinen haette man damals vielleicht gar nichts gesehen... Wuerden sie prophylaktisch Physiotherapie und Fruehfoerderung empfehlen oder erst bei Entwicklungsverzoegerungen? Was kann ich noch tun? Mir wurde gesagt, ich solle optimistisch bleiben. Das will ich auch. Es ist nur sehr schwer, mit einem solchen Befund wieder Normalitaet einkehren zu lassen und nicht staendig den Kleinen zu beobachten, ob nicht doch etwas auffaellt, anstatt einfach das Beisammensein zu geniessen. Fuer eine kurze Einschaetzung waere ich Ihnen sehr dankbar. Liebe Gruesse und vielen Dank!
von Cappuccino am 19.02.2014, 09:45