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Geschrieben von PaulaJo am 11.11.2009, 14:42 Uhr

Wie die Medien mit Enkes Tod umgehen - Flickering Lights

»Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord«, sagte Albert Camus. Die Medien versuchen, es durch die schiere Anzahl der Kameras zu lösen. Der Suizid Robert Enkes zeitigt einen ekelhaften Voyeurismus.
Wie die Medien mit Enkes Tod umgehen - Flickering Lights


Ü-Wagen fahren durch die Provinz. Wo ist Eilvese? Aus Duisburg die Stimme von Peter Neururer, er spricht und sagt doch nichts. Trotzdem: Senden! Wann beginnt die Pressekonferenz im Landgasthof? Sagt der DFB das Länderspiel gegen Chile ab? War es Depression? »Er war in Behandlung«, meldet BILD. Beileidsbekundungen nun auch aus München. Kerzen in Hannover. Senden! Mikrofone. Notizblöcke. Straßenkarten. Hier ist Eilvese, hallo Köln! Steht die MAZ? War er nicht immer schon... ein bisschen anders? »Er war labil«, sagt Klubboss Martin Kind. Senden! Bilder flackern. Wie das Blaulicht am Bahndamm. Flickering lights. Die Leute, glaubt man in den Ü-Wagen-Kolonien von Eilvese, wollen dabei sein.

Nur eine Stunde zuvor hat ein Mensch irgendwo dort im Dunkeln seinem Leben ein Ende gesetzt. Wer will da wirklich dabei sein?

Die entsetzliche Nachricht vom Tode Robert Enkes hat viele aus ihrer naiven Beschäftigung mit dem Fußball gerissen. Vorgestern noch hielt er das 2:2 gegen Hamburg fest. Wo der Spielbericht stand, steht heute: »Robert Enke ist tot«.

Das ist die Überschrift. Was steht im Text? Das Blatt ist weiß, das Blatt wird schwarz. Was steht im Text? Was? Ein Nachruf? Alte, die mit 80 von uns gehen, erzählen ihn gewissermaßen selbst. So viele Spiele, ein so langes Leben. Robert Enke ist mit einem Mal nicht mehr unter uns.

Die Entfesselung der Bilderflut

Doch statt innezuhalten für wenigstens einen Moment, nachzudenken, mit welchen Mitteln man dieser Tragödie hätte begegnen können, wenn man ihr schon begegnen muss, und mit welchen nicht, zu schweigen, zu warten, um Worte zu ringen, sie vielleicht zu finden, irgendwann...

Stattdessen also entfesselten weite Teile der Medien schon Minuten später eine Informationsflut, die eines offenbart: Der Voyeurismus kennt keine Grenzen mehr.

»Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem: den Selbstmord«, sagte Albert Camus. Das glaubt man nun offenbar allein durch die schiere Zahl der aufgefahrenen Kameras beantworten zu können.

Diese Art von enthemmtem Journalismus legitimiert sich gern selbst durch die vermeintliche Pflicht, informieren zu müssen. Doch wie kann diese Information an einem solchen Abend aussehen? Archive werden durchwühlt, Formkrisen und Schicksalsschläge des Robert Enke bilden Resonanzräume, in die man gierig hinein lauscht. Gerüchte werden zu Fakten, Hypothesen zu Erklärungen. Aus der scherenschnittartigen Charakteristik der öffentlichen Person, die Robert Enke war, werden Diagnosen für eine private Person konstruiert, von der niemand, der sich daran beteiligt, behaupten kann, dass er sie kannte.

Mutmaßungen sind hier nichts als Anmaßungen. Niemand weiß, was in Robert Enke vorging.

Und noch einmal: Wer will es wissen? Und wen geht es an?

Die Pietätlosigkeit der Medien zu geißeln mag müßig sein. Sie selbst haben sich davon nie bremsen lassen. Trauer kennen sie nicht, sie sind über etwas schon hinweg, bevor es geschehen ist. Es ist sehr zu wünschen, dass sie wenigstens vor den Hinterbliebenen halt machen. Und dass all diejenigen, die echte Trauer empfinden, sich diese nicht banalisieren lassen.

Trauern heißt aushalten, dass es keine Antwort mehr gibt. Auch nicht auf den Bilderstrecken, die einen Wald in der Nähe von Hannover zeigen. Blaulichter am Bahndamm. Bilder flackern. Flickering Lights. Zu sehen ist, was man nicht sehen kann.

Quelle: 11 Freunde

 
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