Frage: Stille ich zu viel?

Liebe Stillexpertinnen, mein Sohn ist jetzt 14 Mo alt und isst seit einigen Monaten ziemlich spärlich. Er zahnt fast durchgehend, was ev. der Grund sein könnte. Wenn es das "Richtige" gibt, dann isst er sehr gut, teilw. auch ein Paar Würstchen, aber ich möchte ihm nicht immer Würstchen und Fleisch geben! Er isst auch gerne und viel Obst, doch momentan wenig Gemüse und Getreide- das schleudert er durch die Küche. Er verlangt oft nach der Brust, so dass er in 24h ca 6- 8x gestillt wird, manchmal auch öfter. Er ist ziemlich genau auf der 50er Perzentile, ist überaus aktiv und läuft wie ein Duracellhase mit neuer Batterie. Ich habe aber zunehmend ein schlechtes Gewissen und frage mich, ob ich öfter versuchen sollte, ihm die Brust abzuschlagen? Ich schließe einen Eisenmangel aus, da er wirklich gerne Fleisch isst. Ich habe auch Angst, dass ich seinen Zähnen schade, da das Putzen trotz aller Tricks sehr schwer, teilweise kaum möglich ist und meine Zahnärztin sagt, das Stillen sei sehr schädlich! Andererseits denke ich, er weiß am Besten, was er braucht!? Ich würde das Abstillen gerne ihm überlassen und muss auch zugeben, dass ich das Stillen, v. a. in unruhigen Nächten als sehr praktisch empfinde, weil es einfach die beste Beruhigung ist. Soll ich versuchen, das Stillen zu reduzieren? Vielen Dank für Euren Rat! LG Heidi

von Heidi E. am 11.02.2020, 20:15



Antwort auf: Stille ich zu viel?

Liebe Heidi, Du solltest weiterhin versuchen, deinem Kind feste Nahrung anzubieten. Setze auf den Nachahmungstrieb des Kindes und biete ihm an, was auch ihr esst (natürlich nur, wenn es sich um etwas babygeeignetes handelt). Stillkinder sind durch die immer wieder auftretenden Geschmacksveränderungen der Muttermilch (je nach dem was die Mutter isst, schmeckt die Milch unterschiedlich) an den Speiseplan der Mutter gewöhnt und lehnen andere Nahrung dann oft ab. Wenn Du zum Beispiel nie gekochte Karotten isst, dann kennt dein Kind diesen Geschmack nicht über die Muttermilch und wird sie höchst wahrscheinlich auch vom Löffel ablehnen. Kann Euer Kind eventuell einen Zinkmangel haben? Beides kann die Ursache für ein schlecht essendes und/oder schlecht gedeihendes Kind sein. Wenn das abgeklärt ist, kannst Du ganz beruhigt sein und wie von allen Stillexperten während der gesamten Stillzeit empfohlen, nach Bedarf stillen. So schwer es auch fällt, versuche die Geduld zu bewahren und mach bitte keinen Kampf ums Essen. Wenn es erst einmal so ist, dass das Essen Machtkampf bedeutet, dann sind wir Eltern sehr schnell die Verlierer und viele Essstörungen haben ihre Ursache in einem krampfhaften Machtkampf ums Essen im Baby und Kleinkindalter. Weder Langzeitstillen noch nächtliche Stillen leistet entgegen der immer wieder geäußerten Meinung dem Karies Vorschub. Lange gestillte Kinder, die auch zum Einschlafen und während der Nacht gestillt werden haben nicht mehr Karies als andere Kinder, eher im Gegenteil. Beim Stillen werden die Zähne nicht ständig mit Milch umspült, schon gar nicht die Schneidezähne (!), da im Gegensatz zu einem mit der Flasche gefütterten Kind die Milch erst weit hinter den Zahnleisten in den Mund gelangt und von dort direkt geschluckt wird. Die Milch läuft ja aus der Brust nicht einfach aus (wie das bei der Flasche der Fall ist), das Kind muss aktiv arbeiten und schluckt dann auch. Gestillte Kinder und auch langzeitgestillte Kinder bzw. noch lange während der Nacht gestillte Kinder haben nicht mehr Karies als nicht gestillte Kinder und wenn es zu Karies kommt, dann nicht wegen, sondern trotz des Stillens. Karies wird durch ein Bakterium verursacht (streptococcus mutans), das die meisten Erwachsenen in ihrem Mund haben. Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist sein Mund in aller Regel noch frei von diesem Bakterium und meist bleibt dies zumindest so lange so, bis der erste Zahn da ist, bei manchen Kindern kommt es auch erst deutlich nach dem ersten Zahn zu einer Besiedelung mit Streptococcus mutans. Ein ganz wesentlicher Übertragungsweg ist übrigens das Ablecken eines runtergefallenen Schnullers durch die Mutter (oder sonst einen Erwachsenen) und das gemeinsame Benutzen eines Löffels oder das Vorkosten des Breis mit dem gleichen Löffel, wie er zum Füttern benutzt wird. Ob ein Mensch (vermehrt) Karies bekommt oder nicht, hängt auch noch von weiteren Faktoren ab: wie gut oder schlecht hat sich die Mutter in der Schwangerschaft ernährt; waren in der Schwangerschaft Antibiotika notwendig; hatte die Mutter in der Schwangerschaft Erkrankungen, die mit hohem Fieber einhergingen; kommen in der Familie genetisch bedingt gehäuft Schmelzdefekte vor; ist das Kind zu früh geboren ... Hier kannst du ein sehr informatives, fundiertes Video dazu anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=sbhR1gmUms4 Harry Torney, ein britischer Zahnarzt hat in Nottingham auf einer LLL Europakonferenz einen Vortrag zum Thema "Breastfeeding and Dental Health" gehalten und in seinem Vortrag aufgezeigt, dass es keinen Zusammenhang mit vermehrtem Auftreten von Karies und Langzeitstillen gibt. Er hat auch eine Arbeit darüber veröffentlicht: "Prolonged, on demand breastfeeding and dental caries an investigation, Torney PH, M Dent Sc thesis, Trinity College, Dublin 1992 Den kannst du eurer Zahnärztin gern nennen :-) Ich hoffe, ich konnte dich ein wenig beruhigen. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 11.02.2020