Wie kann ich besser schlafen? Brauchen wir einen Rhythmus?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Wie kann ich besser schlafen? Brauchen wir einen Rhythmus?

Hallo, ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin, denn meine 4 Monate alte Tochter ist eigentlich kein Schreibaby. Aber Ihre Antworten zu anderen Fragen haben mir gefallen, deshalb... Mein Hauptproblem ist das nächtliche Nuckeln. Ich weiß, das ist natürlich und viele haben kein Problem damit. Aber mich belastet es sehr, weil ich so schlecht schlafe und vor lauter Rückenschmerzen kaum noch liegen kann. Ich weiß nicht, wie sich das eingeschlichen hat, aber meine Tochter schläft abends nur noch mit der Brust im Mund ein: manchmal nach 10 Minuten, manchmal erst nach einer Stunde. Meistens wacht sie nach kurzer Zeit noch einmal auf und braucht wieder die Brust. In der Nacht trinkt sie mindestens vier Mal und bleibt dann irgendwann an der Brust hängen, sprich: nuckelt einfach stundenlang nur noch. Meistens ab 5 Uhr ein/zwei Stunden bis sie endlich in die Windel machen kann. Manchmal geht es auch schon 2 Uhr los. Ich liege dann sehr unbequem (auch Kissen nützen nichts), drehe sie und mich oft um und wache völlig gerädert auf. Am Tag schläft sie entweder im Tragetuch (geht auch auf die Schultern bei mir) oder mit mir im Bett (muss Schlaf nachholen). Dann nuckelt sie aber fast immer durch bzw. wacht alle x Minuten auf und will wieder nuckeln. Das ist einfach nur noch anstrengend, nicht erholsam und zeitraubend, da ich fast nur noch im Bett „rumhänge“. (Ach ja, Schnuller nimmt sie nicht und im Kinderwagen schreit sie auch nur noch; auch im Auto.) Muss ich ihr das jetzt abgewöhnen und wenn wie? Sie ist wirklich hartnäckig und kann sich sehr ins Schreien reinsteigern. Oder wird das von selbst irgendwann besser? (Aber nicht erst mit zwei Jahren, oder?) Da kommen wir dann auch schon zum nächsten Problem: wir haben überhaupt keinen Rhythmus – weder beim Stillen noch beim Schlafen. Ich habe immer geguckt, was die Maus jetzt braucht, ob sie Hunger hat oder müde ist und danach gehandelt. Aber es will sich einfach kein Rhythmus einstellen. Das einzige, was einigermaßen gleich bleibt ist das Einschlafen zwischen 19.00 Uhr und 20.30 Uhr und das Aufwachen zwischen 6 Uhr und 7 Uhr. Aber am Tag ist alles konfus. Da schläft sie mal 4 Mal für 30 Minuten oder nur 2 Mal für 2 Stunden zu allen erdenklichen Zeiten – es ist immer anders. Es ist jetzt nicht sooo schlimm mit dem fehlenden Rhythmus, außer, dass man halt nichts groß planen kann. Außerdem heißt es immer, die Struktur am Tag sei so wichtig für den Nachtschlaf… Die Frage ist: Entwickelt sich das noch von selbst? Oder muss ich da nachhelfen? Und wenn, wie? Wenn sie müde ist, schreit sie ja nur noch, genauso wenn ich sie wecken würde… Und da sind wir beim dritten Problem: außer bei mir schreit sie eigentlich (mittlerweile) bei jedem anderen, wenn er sie länger als eine halbe Stunde hat. Sie ist sehr fordernd und ungeduldig und will wirklich permanente Aufmerksamkeit. Wenn man sie mal 5 Minuten nicht beachtet, wird sie echt laut. Manchmal spielt sie für 5 bis 10 Minuten auf ihrer Decke – das ist dann immer mein Highlight des Tages. Ich kann echt nichts mehr machen und finde auch ein Tragetuch nicht die optimale Lösung (Ich finde das behindert einen doch sehr. Außerdem ist die Maus echt schwer und zappelig! Und wie gesagt, ich habe eh ständig Rückenschmerzen.) Seit sie im Kinderwagen nur noch schreit, kann ich auch nur noch kürzere Spaziergänge mit dem Tragetuch machen. Ich glaube auch, dass es sie ziemlich stresst, wenn ich mal in der Stadt bin, Freunde besuche oder länger Besuch habe (meine Mutter wohnt weiter weg und kommt dann länger zu Besuch). Vielleicht weil sie dann nicht mehr die volle Aufmerksamkeit kriegt? Oder weil sie alles um sich herum aufsaugt wie ein Schwamm und es dann schnell zu viel wird? Sie trinkt dann auch kaum was. In letzter Zeit eh nur noch liegend im Bett... Ich fühle mich echt eingeengt mit ihr den ganzen Tag allein in einem kleinen Umkreis. Und zu Hause „lässt“ sie mich auch nichts Produktives machen. Das alles ist übrigens nicht erst jetzt so, sondern mehr oder weniger von Anfang an (also keine Phase)… Sorry, das war vielleicht ein bisschen lang! Aber es musste einfach mal raus! Liebe Grüße

von Blumenwiese84 am 17.08.2016, 20:56


Antwort auf: Wie kann ich besser schlafen? Brauchen wir einen Rhythmus?

Liebe Hummelwiese! Es ist gut, dass Sie das posten! Beim Thema Stillen trifft man viel zu oft auf radikale Meinungen, und wird schnell als Rabenmutter abgestempelt, wenn man eigene Bedürfnisse anmeldet. Aus meiner Sicht ist es aber richtig und wichtig, neben den Bedürfnissen des Kindes auch seine eigenen Ressourcen im Blick zu haben – denn Sie sind das Mutterschiff, welches nicht untergehen darf. Klar ist es normal, dass es mal ein paar Tage zum sogen. Clusterstillen kommt. Das dient der Anpassung der Milchmenge an den Energiebedarf. Auch haben Babys gewisse Zeiten (meist abends) wo sie nimmersatt zu sein scheinen. Ferner ist Stillen selbstverständlich mehr als reine Nahrungsaufnahme. Doch das alles werden Sie eh schon wissen. Doch trotzdem sollte die Brust aus meiner Sicht nicht die einzige Beruhigungsmethode sein. Nicht nur, dass es äußerst schmerzhaft und anstrengend für die Mütter werden kann, es ist für die Förderung der Selbstregulation wichtig, nicht alle Zeichen von Unruhe auf die gleiche Weise zu beantworten, sondern das Bedürfnis (Nahrung, Nähe, Ruhe, Schlaf, Animation etc.) dahinter zu erkennen. Gerade unruhige Kinder, die sehr schnell „unleidig“ werden und schnell aufdrehen, verführen dazu, um des lieben Friedens willen, schnell die Brust anzubieten, das dies scheinbar die einzige Methode ist, die schnell zur Beruhigung führt. Hierdurch kann es jedoch zu einer sich-selbst –erfüllenden-Prophezeiung kommen, denn wird auf alle Bedürfnisse mit Stillen geantwortet, lernt ein Kind nicht oder verlernt es, die passenden Aus-Knöpfe für das jeweilige Bedürfnis zu finden, also etwa bei Müdigkeit sich abzuwenden und zu schlafen. Besonders ungünstig ist es, wenn Langeweile oder Nähebedürfnisse immer nur mit Nahrungsgabe beantwortet werden. Hier besteht die Gefahr, dass diese Kinder auch später im Kleinkindalter immer wieder Essen fordern, ohne dass wirklich Hunger oder Appetit sich dahinter verbirgt. Dieses Fordern kann dann wirklich sehr hartnäckig ausfallen, so dass Gewichtsprobleme auftreten können. Das ist natürlich sehr, sehr weit gedacht. Doch es gibt noch andere Argumente, die zu beachten sind: Studien zeigen, dass Kinder mit Regulationsschwierigkeiten tatsächlich auch Probleme mit der Hunger-Sättigungs-Regulation haben. Anders als bei Kindern ohne diese Schwierigkeiten stellt sich bei Ihnen keine Sättigung und Beruhigung nach dem Stillen ein. Sie sind nur ruhig, wenn sich die Brustwarze im Mund befindet, egal ob sie pappsatt sind oder schon ewig schnullern. Diese Kinder haben einfach das Problem, dass sie von alleine keinen festen Rhythmus entwickeln können. Stillen nach Bedarf ist toll, doch kann es bei diesen Kinder nicht klappen, es mit den neurobiologischen Rückkopplungsprozessen noch nicht so gut klappt. Ob derartige Schwierigkeiten bei Ihnen vorliegen, kann ich so nicht sagen. Doch davon unabhängig finde ich (die als Mutter beide Kinder gestillt hat, mal mit mehr, mal mit weniger Begeisterung) durchaus legitim, den Wunsch zu verfolgen, von den geringen Stillabständen wegzukommen. Allerdings ist die Frage, welche Ziele hier wirklich realistisch sind, und welche einen unnötigen Druck ausüben. Tatsächlich ist Ihre Kleine wirklich noch sehr jung. Mit vier Monaten haben die wenigsten Säuglinge einen echten festen Rhythmus. In diesem Alter ist der elterliche Einfluss noch sehr limitiert, der Faktor Reife dagegen noch sehr bedeutsam. Ich würde Ihnen daher empfehlen, nichts über den Zaun zu brechen und schrittweise vorzugehen. Vielleicht beginnen Sie damit, nicht reflexartig die Brust anzubieten, sondern einmal genau auf die Signale Ihres Babys zu gucken. Fragen Sie sich vorher immer, ob Sie wirklich glauben, dass es jetzt Hunger haben könnte. Wenn Sie ein „Nein“ vermuten, trauen Sie ruhig Ihrem Gefühl! Als Mutter haben Sie von Natur aus ein gutes Verständnis für die Signale Ihres Kindes, das lediglich durch äußere Einflüsse (Erschöpfung, Kommentare anderer, ein Baby was hartnäckig und laut fordern kann, Unsicherheit aufgrund der ganzen Informationsvielfallt etc.) in den Hintergrund getreten sein kann. Was den Rhytmus betrifft, so sehen Sie das als Angebot an Ihr Kind. Versuchen Sie es nicht in ein Korsett zu zwängen, sondern zeigen Sie ihm durch Ihren Alltag, wie das Leben so funktioniert. D.h. Sie stehen zu bestimmten Zeiten auf, essen, unternehmen etwas etc. Dinge wie Bewegung, Licht, Aktivität, Geräusche, Bewegung sind alles soziale Taktgeber und funktionieren ganz ohne unser Zutun. Wenn wir einen (einigermaßen) festen Rhythmus haben und unser Baby einfach mitlaufen lassen, dann wird es dies nach und nach lernen. Wichtig dafür ist, dass Sie selbst Momente zum Durchatmen haben und für genug Schlaf, gesundes Essen und Entlastungsorgen. Das hat wirklich Priorität! Unter Dauerstress können wir nicht feinfühlig sein und werden immer den Weg des geringsten Wiederstandes gehen – weil wir uns eben in Alarmbereitschaft befinden. Stress soll uns ja dazu bringen, Gefahren abzuwenden und möglichst schnell zu reagieren. Dieses alte evolutionäre Erbe differenziert halt nicht, ob das eine Situation ist, in der es besser wäre, ruhig, besonnen und gelassen zu bleiben. Ich predige daher immer wieder, dass erst die Voraussetzungen für Änderungen, wie etwa genügend körperliche und seelische Ressourcen, geschaffen werden müssen, bevor irgendwelche Methoden angedacht werden. Manchmal ist es besser, einen Schritt zurückzugehen, bevor man dann zwei nach vorne gehen kann. Dies ist wahrscheinlich nicht die Anleitung die Sie sich gewünscht haben, doch ich hoffe, dass Sie nachvollziehen, warum ich es nicht für sinnvoll halte, einfach nur bei den Symptomen anzusetzen. Den wichtigsten Schritt haben Sie schon mal gemacht, und sich alles einmal von der Seele geredet und die Situation in Ruhe für sich analysiert. Es ist gut, dass Ihnen dabei klar wurde, dass Sie so nicht mehr weitermachen können und wollen. Nutzen Sie daher Ihre Energie nicht mehr dafür, einen unerträglichen Zustand noch weiter zu ertragen, sondern für neue Wege. Möglicherweise macht es Sinn, sich dabei extern unterstützen zu lassen. So oder so wünsche ich Ihnen alles Gute und viel Kraft und Glück. Ich werde meine Arbeit hier zum 01.09.2016 leider beenden müssen, doch werden Sie im Stillforum, im Hebammenforum oder auch im Erziehungsforum weiterhin kompetente Ansprechpartner finden. Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 21.08.2016