Was kann ich tun wenn das Baby so viel schreit bevor es einschläft?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Was kann ich tun wenn das Baby so viel schreit bevor es einschläft?

Hallo Dr. Bentz, unser Babygirl ist jetzt 3,5 Monate alt und sie ist sehr süss. Sie weint fast nie, sogar nicht einmal wenn sie Hunger hat. Das Problem ist immer bei der Schlafenszeit. Sie brauchte immer viel Körperkontakt und seit der Geburt wurde sie viel getragen. Sie hat immer auf unserem Arm geschlafen und dann haben wir sie ins Bett gelegt. Plötzlich wollte sie nicht mehr mit meinem Mann einschlafen und wenn ich sie nun zum Schlafen bringe, lässt sie sich nicht mehr ins Bett legen und schreit sobald ich Sie ablege. Seit 1,5 Monate hat sie angefangen nicht mehr so gut zu trinken (ich stille voll), sie hat besser getrunken wenn sie schläfrig war. Jetzt will sie nur an der Brust einschlafen und es reicht nicht das ich sie in meinen Armen trage, sogar wenn ich die Brust anbiete während sie in meinen Armen liegt. Jetzt muss ich mich mit ihr ins Bett legen und dann nuckelt sie bis sie einschläft. Wenn sie schläft, versuche ich das Bett zu verlassen, aber meist wacht sie sofort wieder auf. Wenn wir versuchen sie ohne nuckeln zum schlafen zu bringen, schreit sie ohne Ende. Mein Mann schafft es nicht sie zu beruhigen, sie schreit so viel das ihr die Luft ausgeht. Das passiert immer tagsüber und Abends. Was können wir tun um dieser Situation zu ändern? ps: Nachts schläft sie super gut. Schwierig ist es sie zum schlafen zu bringen (19 oder 20 Uhr) aber wenn sie schläft, dann fast die ganze Nacht (sie wacht nur 1 oder 2 Mal zum stillen auf und schläft dann weiter). ps: wir haben noch keine Schlafroutine eingeführt

von FabulousFabi am 28.07.2016, 14:33


Antwort auf: Was kann ich tun wenn das Baby so viel schreit bevor es einschläft?

Liebe Fabulousfabi! es freut mich, dass Sie so viel Freude an Ihrer Kleinen haben! Eigentlich hört sich das doch alles sehr gut an. Ich verstehe aber, dass Sie sich wegen des abendlichen Schreiens große Sorgen machen. Zunächst: auch wenn Ihre Kleine sich regelrecht in Rage schreit, und es sicherlich herzzerreißend ist, sofern sie ansonsten gesund ist und sich normal entwickelt, ist dies ein ganz normales Verhalten. Warum Kinder abends ihren Schreigipfel erreichen, dazu gibt unterschiedliche Gründe: Allgemein sind phasenweise Schwierigkeiten beim Ein- und Durschlafen im Säuglings- und Kleinkindalter quasi vorprogrammiert, und bei Weitem nicht immer eine behandlungsbedürftige Störung. So ändert sich im ersten Jahr sich so viel im Aufbau des Schlafes, wie in den folgenden Jahren zusammen nicht mehr. Das bedeutet eine ganze Menge Anpassungsprozesse sowohl für die Kinder als auch die Eltern. Wenn es mal nicht so gut klappt, ist Ruhe bewahren zunächst die beste Empfehlung. Weniger ist hier einfach mehr! Sicher sind Kinder zudem - wie wir Erwachsenen auch - abends nach einem langen Tag einfach erschöpft und müde. Im Unterschied zu uns fehlen Ihnen aber noch die entsprechenden Selbstregulationsmöglichkeiten, und da sie nun einmal noch nicht viele andere Ausdrucksmöglichkeiten haben, schreien sie eben – je nach Temperament auch mal sehr heftig und ausdauernd. Wir Erwachsenen wissen, dass gegen Müdigkeit Schlaf hilft, und könnten diese unangenehmen Gefühl auch richtig als Erschöpfung oder Müdigkeit einordnen und entsprechend handeln. Unsere Babys müssen dies erst lernen. Und dabei brauchen Sie unsere Hilfe! Wenn Wir abends aber auch müde und erschöpft sind (und wer ist das nicht mit einem Baby), kann es einfach zu vermehrten Missverständnissen kommen. So ist es manchmal gar nicht so einfach zu erkennen, wann ein Baby müde ist, denn manche Kinder wirken in einem Moment putzmunter, und im nächsten Moment sind sie bereits „über den Punkt“. Abendliche Schreizeiten kann man daher meist schon dadurch abmildern, dass man den Tag rechtzeitig ausklingen lässt und früher das Bettgehen einleitet. Zwar haben Kinder in diesem Alter noch keinen Rhythmus wie ein Uhrwerk, doch einigermaßen feste Zeiten helfen dabei, diesen zu entwickeln. Plus / minus 30 Minuten sind ok, so dass man gewissen Spielraum hat. Dann sollte es abends immer nach dem gleichen Schema ablaufen. In diesem Alter reicht es, wenn Sie etwa bei gedämpftem Licht Ihr Kind wickeln, den Schlafanazug anziehen und dabei leise etwas vorsingen. Dann spricht aus meiner Sicht auch gar nicht dagegen, wenn sie sich mit Ihrem Töchterchen hinkuscheln und sie dann beim Stillen einschläft. Dass sie nach dem Einschlafen eher unruhig und leicht erweckbar ist, ist leider der Tatsache geschuldet, dass sie in diesem Alter anders als wir Erwachsenen nicht schnell in den Tiefschlaf kommt, sondern erst mit aktiven (REM-)Schlafphasen startet. Mit der zunehmenden Hirnreife und dem Aufbau von Selbstregulationsfähigkeiten wird dies zunehmend leichter. Der Faktor Reife ist halt in diesem Alter noch sehr hoch, und die leterlochen Möglichkeiten darauf limitiert, dem Ganzen den Weg zu ebnen. Abkürzen oder Beschleunigen kann man die Entwicklung des Hirns leider nicht, und wie sonst auch alles, verläuft diese individuell sehr unterschiedlich. Was Sie allerdings von vorneherein vermeiden sollten sind Überstimulation und die Kopplung des Einschlafens an ungünstige elterliche Einschlafhilfen. So ist es am besten, ein müdes Kind nicht weiter durch stundenlanges Schuckeln, Schaukeln auf dem Pezziball, Autofahren oder sonstiges an intensive Bewegungsreize zu gewöhnen. Dies führt langfristig fast immer in eine Sackgasse und ist auf die Dauer kaum durchhaltbar. Also, auch wenn es schwerfällt, bleiben Sie ruhig neben Ihrem Kind, legen Sie ggf. eine Hand auf den Bauch oder sprechen Sie leise beruhigende Worte – auch wenn das Schreien nicht sofort aufhört. Ein Baby muss seine inneren Zustände erst kennen- und einordnen lernen, und wie immer beim Lernen macht Übung den Meister. Lassen sie sich also nicht verunsichern, wenn Ihr Baby nicht sofort aufhört zu weinen. An Dinge wie feste Zeiten müssen sich die Kinder der erst gewöhnen, d.h. wir Eltern müssen am Ball bleiben und Geduld haben (als grobe Faustregel dauert es ca. 14 Tage). Das ist alles kein Hexenwerk und mit diesen paar kleinen Änderungen ist meist schon viel erreicht! Ich drücke Ihnen auf jeden Fall die Daumen und wünsche weiterhin viel Freude mit Ihrer Kleinen! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 31.07.2016