Unsicherheit bei Einschlafhilfen für Schreibaby

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Unsicherheit bei Einschlafhilfen für Schreibaby

Liebe Frau Bentz, schade, dass Sie Ihre Arbeit zum 1.9. hier aufhören. Ich wünschte, wir hätten dieses Forum schon vor ein paar Wochen entdeckt, dann hätten wir Ihnen schon früher geschrieben. Wir hoffen trotzdem, dass Sie noch die Möglichkeit finden, uns antworten zu können. Zu unserer Situation: Unsere Tochter ist ein 5 Monate altes Frühchen (1900 gr bei 41 cm). Sie wurde in der 34. SSW per Notkaiserschnitt geholt, da ich ein HELLP-Syndrom hatte. Die ersten drei Wochen ihres Lebens verbrachte sie auf der Intensivstation mit Magensonde. Sie hat sich dort sehr problemlos entwickelt. Wir haben es geschafft, ihre anfängliche Saugschwäche in den Griff zu kriegen und sie ist voll gestillt und holt gut auf (5700 gr und 60 cm nach 5 Monaten). Von Anfang an benötigte sie sehr viel Körperkontakt und hat wochenlang nachts nur auf meinem Bauch oder dem von Papa geschlafen. Mittlerweile schläft sie im Beistelltet neben mir. Seit dem sie 7 Wochen alt ist, schreit sie fast jeden Abend bis zu mehreren Stunden vor dem Einschlafen. Sie fängt meist in dem Moment an zu schreien, wenn wenn wir uns mit ihr ins Schlafzimmer legen. Hatten uns diesbezüglich auch schon Hilfe in einer Spezialambulanz gesucht. Dort wurde uns erklärt, sie habe Probleme mit der Reizverarbeitung und Selbstregulation. Seit dem wir den anfänglichen Beruhigungsaktionismus aufgegeben haben, wurde es besser. Mittlerweile legen wir uns abends mit ihr hin, halten sie im Arm und lassen sie mit Körperkontakt weinen. Die Schreidauer hat sich dadurch deutlich gebessert. Tagsüber haben wir die Reize, denen sie ausgesetzt war, immer sehr genau dosiert, um sie nicht zu überfordern. Bei den ersten Müdigkeitsanzeichen legt sich einer von uns mit ihr hin. Seit einigen Wochen jedoch wurde alles wieder schlimmer. Tagsüber fordert sie mittlerweile sehr deutlich mehr Reize, und die abendliche Schreierei ist intensiver denn je. Auch schläft sie tagsüber mittlerweile meist nur 30-45 Minuten am Stück, schafft es also nicht in die Tiefschlafphase. Das wiederholt sich alle 60-90 Minuten, da sie nach diesem Zeitraum erneut müde wird. Das Einschlafen tagsüber wurde auch immer schwieriger. Manchmal hat sie eine halbe Stunde geschrieen nur um dann lediglich eine halbe Stunde zu schlafen. Dadurch hat sich eingeschlichen, dass sie meist nur noch an der Brust einschläft. Mittlerweile kommt sie nachts auch wieder alle 1-2 Stunden. Auch das war schon deutlich besser. Vorab: Ich mag das Einschlafstillen und genieße es prinzipiell auch. Aber manchmal muss Papa sie auch zum Schlafen bringen können, um mich ab und an zu entlasten. Aber wir fragen uns natürlich, ob wir damit verhindern, dass sie lernt, sich selbst zu regulieren. Das ging zwischenzeitlich mit Daumen nämlich schon sehr gut, hat sie aber inzwischen komplett aufgegeben (Schnuller nimmt sie keinen). Auch wird sie oft wieder wach, wenn ich sie nach dem Einschlafstillen von mir weglege. Seit ein paar Tagen versuchen wir, sie ohne die Brust zum Einschlafen zu bekommen. Manchmal weint sie nur 5 Minuten im Arm, manchmal schreit sie aber auch hysterisch mehr als eine Stunde (immer mit Körperkontakt auf dem Arm oder neben uns gekuschelt). Dann stille ich sie, docke sie aber ab, bevor sie schläft. Ich bin mir sehr unsicher, ob wir zum jetzigen Zeitpunkt das richtige für sie tun. Quälen wir sie unnötig, wenn wir verlangen, dass sie es ohne Brust schaffen soll, oder ist es zum jetzigen Zeitpunkt wichtig, dass sie es (wieder) lernt, sich selbst zu beruhigen? Dazu: Auch mit der Brust geht zumindest das abendliche Einschlafen nicht ohne Schreien und sie schläft auch nicht immer dabei ein. Wir hoffen auf Ihre Antwort. Vielen Dank im Voraus Und alles Gute für Ihre Zukunft.

von Wichtelnisse am 29.08.2016, 07:27


Antwort auf: Unsicherheit bei Einschlafhilfen für Schreibaby

Liebe Wichtelnisse! es ist schön, dass Ihnen mein Forum gefallen hat! Ich habe es jetzt schon öfter geschrieben, doch auch an dieser Stelle sei erwähnt, dass ich nicht einfach verschwinde, sondern nur meine Zusammenarbeit mit dieser Seite aufhört. Auch hier werden Sie natürlich weiterhin Hilfe von kompetenten Kollegen finden. Jetzt zu Ihrer Frage: ich kann die Unsicherheit verstehen, die Sie jetzt plagt, doch tatsächlich ist es nichts Ungewöhnliches, dass es im Laufe der weiteren Entwicklung immer wieder mal zu Rückschritten kommen kann Schreiambulanzen sehen Kinder bis zu 10 mal im Alter von 0 bis 3 Jahren, durchschnittlich sind etwa 3-4 Termine notwendig. Das liegt daran, dass die neurobiologischen Grundlagen für Regulationsschwierigkeiten nicht einfach durch eine Therapie verschwinden. Vielmehr ist das Ziel, Eltern und Kind eine optimale Unterstützung zum Umgang mit den Schwierigkeiten zu geben. Das Schreien ist nur ein Symptom. Wird es weniger, kann die Grundveranlagung trotzdem weiterhin bestehen bleiben. Im Laufe der ersten Jahre kommt es ja immer wieder zu neuen Regulationsanforderungen (selbstständig Essen, das selbstständige Spielen, das soziale Spielen, das Nutzen von Sprache etc.), so dass es auch immer wieder zu Anpassungsschwierigkeiten an die Entwicklung kommen kann. Ferner kann es sein, dass sich Dinge einfach wieder eingeschlichen haben und man hier nochmal „nachjustieren“ muss. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass einmal Schreibaby immer Schreibaby bedeutet! Wir ein Kind rechtzeitig behandelt, sind die Prognosen wirklich gut. Die meisten Kinder überwinden die Schwierigkeiten bis zum Kleinkindalter, einige sind auch da noch auf besondere Unterstützung angewiesen und einige wenige brauchen darüber hinaus Hilfe. Das bedeutet jedoch nur, dass man seinen Alltag ein bisschen anders gestalten muss, nicht das das Schreien einfach so bleibt. Mein Großer reagiert z.B. immer noch sehr empfindlich auf Abweichungen vom gewohnten Tagesrhythmus, und während der andere sich einfach hinlegt und schläft, wenn er müde ist, sich meldet, wenn er hungrig, durstig oder sonst wie „bedürftig“ ist, muss ich beim Großen als Mutter einfach mehr darauf achten. Wenn man sich jedoch darauf einstellt und ein paar Dinge eben im Blick behält, macht man zwar aus einem ICE noch keinen Bummelzug, doch kann ein „normal-chaotisches“ Leben mit Kleinkind(ern) führen. Es besteht also keinen Grund, jetzt in Panik zu verfallen! Vielleicht haben sich einfach wieder ein paar Dinge eingeschlichen. Möglicherweise müssen Struktur und Handling einfach an den Entwicklungsstand etwas angepasst werden. Das ist wie gesagt völlig normal und kein Zeichen dafür, dass Sie gescheitert sind! Überlegen Sie einmal, wie oft man für die Behandlung von Rückenschmerzen zur Physiotherapie muss. Das Problem Ihres Kindes ist weitaus komplexer, von daher ist ein Termin eben meist auch nicht ausreichend. Ich würde Ihnen daher raten, sich nochmal an Ihre Schreiambulanz zu wenden. Dort kennt man Sie und wird Ihnen sicher schnell helfen können! Dafür drücke ich Ihnen ganz fest die Daumen und wünsche alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 31.08.2016


Antwort auf: Unsicherheit bei Einschlafhilfen für Schreibaby

P.S.: In den letzten Tagen haben wir gemerkt, dass ihre Schlafphasen tagsüber ein wenig länger werden. So schafft sie ist mittlerweile manchmal auch 45-60 Minuten am Stück zu schlafen. Das ändert aber nichts an der Dauer der Wachzeit. Auch nachts werden die Abstände wieder in bisschen länger. Sie wacht nur noch alle 2-3 Stunden auf und nicht mehr alle ein bis 2 Stunden. Auch schreit sie sich nicht in den Schlaf. Sie schreit, und schläft dann meist ein wenn sie schon wieder ruhiger ist.

von Wichtelnisse am 31.08.2016, 07:45


Antwort auf: Unsicherheit bei Einschlafhilfen für Schreibaby

Hallo Frau Bentz, Danke für Ihre Antwort. Wäre es Ihnen möglich, zu unserer konkreten Frage des Einschlafstillens uns Ihre Einschätzung zu geben? Danke im Voraus

von Wichtelnisse am 31.08.2016, 13:46


Antwort auf: Unsicherheit bei Einschlafhilfen für Schreibaby

Liebe Wichtelnisse! vermutlich habe ich den Kern der Sache nicht so deutlich gemacht. Ich halt es für ratsam, dass Sie dies mit Ihrer bisherigen Anlaufstelle besprechen. Ich kann an dieser Stelle ja nur ganz allegmeine Empfehlungen ausprechen, doch ch fürchte, da ist nichts bei, was Sie nicht schon wissen. Natürlich kann das Einschlafstillen zu einem Problem werden, denn gerade Kinder mit Regulationsstörungen haben oft auch ein gestörtes Hunger-Sättigungsgefühl und sind nur befriedigt, solange an der Brust gesaugt wird. Hier ist dann zu überlegen, einfach Mindeststillabstände vorzugeben. Das ist eine einfach Maßnahme, jedoch nicht leicht umzusetzen. Dass ich in Ihrem Fall schon empfehle. wieder vorstellig zu werden, schließt dieses Thema mit ein. Noch deutlicher: ja, ich finde das Einschlafstillen in Ihrem Fall tatsächlich problematisch. Es ist jedoch immer schwierig, wenn unterschiedliche Fachleute eine Situation betrachten. Das bringt nicht mehr Sicherheit, sondern macht die Eltern noch unsicherer. Es ist daher keine böse Absicht, dass ich zurückhalten bin, denn Sie haben ja bereits einen Anlaufstelle an die Sie sich wenden können. Nochmals alles Gute! Herzlichst, Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 31.08.2016