Umstieg Schlaf im Tragetuch zu Schlafen im Bett

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Umstieg Schlaf im Tragetuch zu Schlafen im Bett

Liebe Frau Bentz, mein Sohn ist 9 1/2 Wochen alt und kämpft, seit er 2 Wochen alt ist, mit sehr starken Blähungen. 5 Wochen lang hat er sehr viel geweint. Ich glaube, dass es kein klassisches Regulationsproblem ist, sondern wirklich physikalisch jede Menge Luft, die er durch seinen Darm transportieren muss. Zusätzlich hat er nämlich abends seine "Schreistunde", in der er sehr hektisch, fast wie elektrisiert ist und richtig doll weint. Bei seinen Blähungen weint er "nur". Zusätzlich hat er einen leichten Reflux, er spuckt nicht viel, aber man kann ihn oft nach dem Trinken nicht hinlegen, weil er dann anfängt zu röcheln, weil ihm offensichtlich Flüssigkeit die Kehle hoch steigt. Die abendliche Hektik wird langsam besser und gegen die Blähungen sind wir letztlich bei Sab Simplex gelandet, was er seit 2 Wochen bekommt und was nach sehr vielen von uns ausprobierten Hausmittelchen wirklich das einzige ist, was geholfen hat. Nun aber zu meinen eigentlichen Fragen. Wir haben ihn in der Zeit, in der es ihm am schlechtesten ging, tagsüber zum Schlafen (3x ca. 1,5 Stunden) und auch abends zum Einschlafen (3 Stunden, danach wird er gestillt und schläft natlos weiter, wenn nicht gerade der Bauch drückt oder man ihn aufrecht tragen muss wegen des Reflux) ins Tragetuch genommen. Das hat wunderbar funktioniert und ich glaube, dass ihm auch der dadurch vorgegebene Rhythmus gut getan hat. Wir durften uns nach dem Einschlafen sogar hinsetzen und er hat weitergeschlafen. Seit einiger Zeit wird er aber sofort unruhig, wenn man beim Tragen nur stehen bleibt. Oft wird er auch einfach so unruhig und man hat den Eindruck, er wehrt sich richtig gegen das Tuch. Bei meinem Mann abends im Tuch wacht er nach kurzer Zeit wieder auf und weint dann sogar wohl bis zu 30 min, bis er wieder einschlafen kann. Wir haben den Eindruck, dass er das Tuch nicht mehr so gerne mag und versuchen nun seit ein paar Tagen, ihn an das Schlafen im Bett zu gewöhnen. Haben Sie Tipps, wie wir hier am besten vorgehen? Ich möchte ihm ungern die nächste "Einschlafkrücke" angewöhnen. Wir tragen ihn im Moment auf dem Arm und singen oder machen, wenn ihm singen zu viel ist, "sch-sch-sch". Er schläft so eigentlich erstaunlich gut ein, aber es dauert leider meistens um die 25 min, bis man ihn dann auch ablegen kann. Und dann wacht er schon nach ziemlich genau 30 min wieder auf. Hierzu ist auch meine Hauptfrage: Ist es schlimm, wenn er immer nur 30 min am Stück schläft tagsüber? Nach dem, was ich darüber gelesen habe, kommt er dann nie in die Tiefschlafphase. Er wirkt auch zwischen den 30-min-Schläfchen unzufriedener als nach einem längeren Schlaf im Tragetuch. Können wir ihm irgendwie helfen, nach den 30 min noch weiterzuschlafen? Wenn man ihn dann wieder auf den Arm nimmt, gehen die Augen wieder zu, aber man hat keine Chance, ihn schlafend wieder abzulegen. Ich würde mich sehr über Ihren Rat freuen, vielleicht haben Sie noch den ein oder anderen Kniff, wie wir ihn zu längerem Tagschlaf verhelfen können? Vielen Dank und viele Grüße, Ini

von ini_1981 am 05.07.2016, 10:24


Antwort auf: Umstieg Schlaf im Tragetuch zu Schlafen im Bett

Liebe ini_1981! ich finde, Sie haben das bisher alles prima gemacht und reagieren sehr sensibel auf die Signale Ihres Kleinen! Sie können sich also grundsätzlich zutrauen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wenn trotzdem das eigene Kind mal "verrückt" spielen (sprich unruhiger sein) sollte, ist dies kein Zeichen schlechter Elternschaft, sondern quasi Bestanteil des Systems, was in dem ersten Jahr so viele Veränderungen durchmacht, wie später niemals mehr. Ich würde sicherheitshalber noch einmal den Kinderarzt aufsuchen, um zu überprüfen, ob die plötzliche zunehmende Unruhe nicht doch eine organische Ursache hat, denn mit seinem Reflux un den Verdauungsproblemen ist ihr Sohn ja etwas vorbelastet und es wäre unschön, etwas zu übersehen. Sofern aber nicht vorliegt, so gibt es auch keinen Grund, Ihrem Sohn an weitere Einschlafkrücken zu gewöhnen. Viele verhaltenstherapeutische Schreiambulanzen empfehlen sogar, auf jegliche elterliche Einschlafhilfen zu verzichten. Ich persönlich sehe das vor allem in diesem Alter nicht ganz so streng und plädiere für ein pragmatisches, ressourcenschonendes Vorgehen. Viele Eltern haben meiner Meinung nach zu große Angst, Gewohnheiten zu schaffen, die sich dann als schlecht erweisen. Doch selbst wenn sich was irgendwann als nicht mehr passend oder Sackgasse erweist, bedeutet dies kein unveränderliches Schicksal. Erziehung bedeutet eh immer wieder Anpassung und besonders bei den ganz Kleinen ändert sich so viel, dass das, was heute klappt, morgen eben nicht mehr funktioniert und keine Methode bietet davor einen Schutz. Die Frage ist daher, was Sie sich und Ihrem Kind zutrauen, womit Sie sich wohlfühlen, denn dies kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Natürlich können Sie versuchen, Ihren Kleinen abends ins Bett zu legen und ihn ohne Hilfe einschlafen zu lassen. Wobei das mindeste aus meiner Sicht wäre, dass Sie ihn dann im Weinen begleiten und nicht etwa allein ausschreien lassen. Ich hätte jedoch auch nichts gegen ein abgestuftes Verfahren, was zwar etwas mehr Geduld erfordert, aber nicht ganz so ein Bruch zum bisherigen Gewohnten ist. Aus meiner Sicht könnten Sie Ihren Kleinen ruhig neben einschlafen lassen oder anstatt des Laufens mit dem Tragetuch, nur einfach für ein Weilchen Ihren Kleinen im Arm halten und ihn dann hinlegen. Doch egal was Sie machen, Sie sollten bei einem Plan bleiben und diesen auch durchhalten. Es ist normal, dass Änderungen nicht gleich greifen (sonst wär‘s ja einfach…). Doch dies muss man sich vorher einfach bewusst machen und nicht verzweifeln, wenn dann zunächst sogar mehr Unruhe aufkommt. Allerdings sollten Sie sich und Ihrem Kind nicht allzu viel Druck machen, was das Durchschlafen betrifft. Das können die wenigsten Kinder in diesem Alter und müssen es auch nicht. Sofern Ihr Kind tagsüber kurze Schläfchen macht, ist dies kein Problem. Und auch nachts muss ein Kind in diesem Alter noch nicht durchschlafen, um in einen gesunden Tiefschlaf zu kommen. Die einzelnen Schlafstadien sind noch deutlich kürzer als beim Erwachsenen. Wenn Ihr Kleiner also nachts 2 bis 3 Mal sich meldet, ist alles ok. Auch wenn der Alltag mit so einem kleinen Baby sehr ermüdend sein kann, es wird besser. Es ist nur häufig nicht so leicht, die kleinen positiven Veränderungen zu merken und sich vom Anspruch, alles perfekt zu machen zu lösen. So oder so wünsche ich Ihnen viel Ruhe und Kraft für Ihren weiteren Weg, den Sie sicher finden! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 07.07.2016


Antwort auf: Umstieg Schlaf im Tragetuch zu Schlafen im Bett

Nachtrag: Seit gestern sind einige weitere 30-min-Schläfchen vergangen und er wacht nach den 30 min oft richtig doll schreiend auf. Außerdem wacht er auch manchmal alle paar Minuten auf, manchmal auch schreiend, und schläft auf dem Arm aber sofort wieder ein. Meinen Sie, dass wir so weiter machen sollen und das mit der Zeit besser wird? Oder sind wir auf dem Holzweg? Ich denke, ihm fehlt die Bewegung vom Tuch-Tragen. Wir haben eine Federwiege hier, die gefiel ihm aber auf Anhieb nicht besonders und ich würde ihn ungern an den nächsten "Schlaf-Quatsch" gewöhnen...

von ini_1981 am 06.07.2016, 10:44


Antwort auf: Umstieg Schlaf im Tragetuch zu Schlafen im Bett

Liebe Frau Bentz, herzlichen Dank für Ihre Antwort und die aufbauenden Worte! Dies hat mich bestärkt, weiterhin zu versuchen, meinen Sohn an das Schlafen im Bett zu gewöhnen, ohne eine weitere Zwischenkrücke wie die Federwiege. Wir halten ihn allerdings im Arm und laufen im Zimmer auf und ab, aber ich versuche nach und nach die Bewegungen zu reduzieren, damit irgendwann das Ziel alleine Einschlafen im Bett (mit meiner Anwesenheit im Zimmer) erreicht werden kann. Ich würde ihn niemals nie nie alleine schreien lassen und hoffe, dass wir dieses Ziel sanft erreichen. Zwei Sachen bereiten mir etwas Kopfzerbrechen, es wäre sehr nett, wenn Sie hierzu noch einmal Ihre Einschätzung geben könnten. 1) Wenn wir ihn im Arm halten, ist er erst ruhig und zufrieden. Wenn er müder wird und kurz vorm Einschlafen ist, fängt er an zu nörgeln, manchmal bis hin zum Weinen, und überstreckt sich öfters bzw. drückt den Kopf nach hinten. Ich habe den Eindruck, er wehrt sich evtl. gegen das Einschlafen, kann das sein? Es wirkt, als würde ihn irgendwas massiv stören. Wenn ich ihn dann doller schunkel, wird das Meckern weniger. Aber ich möchte ja, dass er sich an Einschlafen mit wenig Bewegung gewöhnt. Mitten im Nörgeln gehen die Augen dann zu und er schläft ein. Für mich ist das sehr komisch, ein unzufriedenes Kind, was dann ganz plötzlich einschläft. Können Sie dieses Verhalten deuten? 2) Wenn die Augen zugegangen sind, kann man ihn nach 1-2 Minuten sehr zuverlässig ablegen. Dann geht es aber los, dass er mehrere Male nach etwa 5 Minuten wieder wach wird, man ihn wieder auf den Arm nehmen muss und das Spiel mit Nörgeln usw. von vorne losgeht. Meistens schafft er es, nach 2-3 mal wieder wach werden, zumindest eine halbe Stunde zu schlafen. Dann ist er aber nur mäßig ausgeschlafen und nach spätestens 1,5 Stunden wieder totmüde. Insgesamt bin ich meistens eine Stunde beschäftigt, dass er schläft, dann wird er wach und wird gestillt, was aufgrund seiner Müdigkeit schon mal eine Stunde dauern kann, und dann ist schon wieder Schlafenszeit. Gerade kein so toller Tagesablauf für mich ;-( Kann ich irgendwie gegensteuern, dass er nicht alle paar Minuten nach dem Einschlafen mehr wach wird oder etwas tun, damit er - wenn er die Kurve zum richtigen Schlaf bekommt - nicht nach 30 min aufwacht? Oder gibt es Erfahrungswerte, wann er "vergessen" hat, dass er im Tragetuch permanent geschaukelt wurde und auch ohne Bewegung zuverlässig weiterschlafen kann? Lieben Dank nochmals und ein ganz großes Kompliment für Ihre Arbeit hier! Ini

von ini_1981 am 11.07.2016, 10:20