Schnuller abgewöhnen? Pucken abgewöhnen?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schnuller abgewöhnen? Pucken abgewöhnen?

Hallo Frau Bentz! Wieder einmal will ich sie bei einem Problem um Rat bitten da sie mir schon 2 zuvor sehr helfen konnten. Meine 2. Tochter ist mittlerweile 4 1/2 Monate alt. Sie scheint ein kleinder Vielschläfer zu sein, wird sehr schnell müde und braucht unglaublich viel Schlaf. Sie schafft es kaum 2 Stunden am Stück mit einigermaßen guter Laune wach zu bleiben. Meist fängt sie schon nach 45 min an zu quengeln und ist unzufrieden, reibt sich die Augen. Hinlegen bringt dann aber meist nicht viel, da sie dann anfängt zu schreien und nicht daran denkt zu schlafen. Nach etwa 1,5 - 2 Stunden dagegen kann ich sie hinlegen und sie schläft fast sofort ein. Tagsüber schläft sie im stehenden Kinderwagen an der frischen Luft. (3 - 4mal am Tag für 30 min bis zu 3h) Nachts in ihrem Bett. Mein Problem ist aktuell folgendes: Die Kleine schläft eigentlich immer nur gepuckt und mit Schnuller ein. Der Moro-Reflex ist fast weg und sie fühlt sich manchmal auch scheinbar nicht mehr wohl in dieser "Enge", will sich ihre Schlafposition selber suchen Leider hat sie es auch schonmal geschafft sich gepuckt auf den Bauch zu drehen. Ich versuche es daher schon seit einigen Tagen sie nur im Schlafsack schlafen zu lassen, aber es wird jedesmal zu einem kleinen Drama. Sie findet nicht in den Schlaf, da sie sich unentwegt im Gesicht herumreibt und in der Gegend "herumfummelt" und versucht irgendwie etwas zu greifen (ungeziehlt, ich glaube sie versucht sich damit eher zu beruhigen). Dabei zieht sie sich immer wieder den Schnuller heraus und sie kommt ohne gar nicht mehr zur Ruhe und schreit schließlich. Schlief sie doch ein (nach begleitetem Schreien) wurde sie nach 30 min wieder wach und schrie erneut.... Ich musste sie letztlich doch immer wieder pucken und ihr den Schnuller geben. Sie schlief dann sofort ein, denn so konnte sie ihn nicht vesehentlich rauspulen. Abgesehen davon, dass ich finde, dass sie das Pucken an sich nicht mehr benötigt wird sie auch wach wenn der Schnuller nachts aus dem Mund fällt. Egal wie tief sie gerade schläft, sie ist abhängig von dem Ding.. Ich stehe Nachts unzählige Male auf (bestimmt 20 mal) um ihr den Schnuller wiederzugeben, selbst wenn sie gepuckt ist. Ich habe sie auch schon in meinem Bett schlafen lassen weil ich dachte dass es mir so nicht so viel Schlaf raubt, aber das macht keinen Unterschied. Im Gegenteil: ich schlafe noch unruhiger, die Kleine auch. Ich merke wie mir der Schlafmangel Geduld und Kraft raubt. Ich werde lustlos, depressiv und habe kaum Kraft mich tagsüber angemessen um meine Kleinen zu kümmern. Jetzt die eigentliche Frage: Kann/Darf/Sollte ich der Kleinen den Schnuller abgewöhnen und wie kann ich das schaffen? Ich werde für diese Frage im Verwandten und Bekanntenkreis eher strafend angesehen, da ich doch froh sein soll, dass sie einen Schnuller akzeptiert und nicht die Hand nimmt (Mir wäre das deutlich lieber!!!) und die Kleinen nunmal ein Saugebedürfnis haben. Ich würde ihr damit schaden ihr den Schnuller zu nehmen.... Irgendwann würde sie sich den Schnuller selber zurückholen, ich solle bis dahin einfach durchhalten. Aber das ist doch auch nicht normal, ich halte das einfach nicht mehr lange aus. Ihr die Brust statt des Schnullers geben ist keine Hilfe. Sie hat keinen Hunger und wenn sie nicht trinken will wird diese gleich ausgespuckt. Und ich will auch nicht als lebender Schnuller herhalten. Vielen Dank Ida

von IdaLönneberga am 08.04.2016, 10:42


Antwort auf: Schnuller abgewöhnen? Pucken abgewöhnen?

Liebe IdaLönneberger! hach, Mensch! Das Ganze scheint ja immer noch sehr anstrengend zu sein und ich mache mir langsam Sorgen über Ihre Gesundheit! Sie schreiben, dass Sie sich zunehmend lustlos, depressiv und erschöpft fühlen. Das ist natürlich kein Wunder bei dem Schlafmangel - doch sind es ernst zu nehmende Symptome! Ich möchte Ihnen keine Wochenbettdepression einreden (die übrigens bis zu einem Jahr nach der Schwangerschaft auftreten kann). Leider passiert es jedoch gar nicht so selten, dass Symptome wie Sie sie beschreiben einfach nur als "Erschöpfung" abgetan werden, nach dem Motto "etwas mehr Schlaf und alles ist gut". Dadurch wir Leiden, was gut behandelbar ist, unnötig verlängert. Aus meiner Sicht ist es daher nicht nur wichtig, Ihre Tochter im Fokus zu haben, sondern auch Sie! Mein Vorschlag, machen Sie doch einmal einen kleinen Selbstcheck unter www.schatten-und-licht.de und wenden Sie sich bei einem auffälligen Ergebnis bitte an Ihren Hausarzt (oder auch Gynäkologen) und sprechen Sie das Thema an. Eventuell kann ein mildes Anti-Depressivum Sie schnell stabilisieren. Dann wäre eine Psychotherapie sinnvoll. Was Ihre Tochter betrifft: Wo steht geschrieben, dass es verboten ist, sich aus einer Sachgasse (=Schnuller) zu befreien? Grundsätzlich finde ich es natürlich auch wichtig, dass ein Kind Möglichkeiten zur Selbstberuhigung hat. Ein Schnuller KANN dabei funktionieren, muss er aber nicht. Es gibt sogar sehr "orthodoxe" Vertreter von lernorientierten Schlafförderungsmethoden, die empfehlen, komplett auf jede Einschlafhilfe zu verzichten, eben auch den Schnuller. Ich selbst gehe hier pragmatisch vor, wenn es funktioniert, prima! Wenn nicht: ändern! Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie unüberlegte, vorschnelle Entschlüsse fassen. Sie kennen Ihre Situation und durchleben ja jede Nacht. Also können Sie auch die beste Entscheidung treffen! Es hilft ja nichts, wenn Sie alle 20 Minuten wach werden - weder Ihnen noch Ihrer Kleinen. Das Abgewöhnen wird natürlich wiederum nicht lustig werden, doch das wäre dann vielleicht mittelfristig das kleine Übel. Das Gefuchtel ist im diesem Alter übrigens normal. Die Koordination der Extremitäten klappt einfach noch nicht. Ich würde Ihre Kleine ruhig weiter pucken, auch wenn sie sich mal freistrampelt. Ansonsten hilft vielleicht zusätzlich zum Schlafsack ein Lagerungskissen (wie ein kleines Stillkissen, was von unten wie ein "U" um das Kind gelegt wird). Auf jeden Fall weiterhin viel Kraft und kümmern Sie sich gut auch ums sich! Das ist oft der wichtigste Schritt zur Besserung! Herzlichst, Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 14.04.2016