Schlafverhalten Baby 6 Monate

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schlafverhalten Baby 6 Monate

Sehr geehrte Frau Dr. Bentz, da ich Ihre Antworten in diesem Forum sehr einfühlsam, aber auch "realitätsnah" finde, möchte ich mich heute auch mit einer Frage an Sie wenden. Unsere Tochter (6 Monate) ist ein absolut aufgewecktes, fröhliches Mädchen und wir haben eine Menge Spaß zusammen. Einzig ihr Schlafverhalten stört mich etwas. Ich beschreibe Ihnen kurz unseren Tagesablauf. Um sieben wird unsere Tochter wach und wir stehen auf. Gegen neun bringe ich unseren Sohn (2 Jahre) in den Kindergarten. Auf dem Weg schläft sie im Tragetuch ein und schläft meist eine bis 1,5 Stunden. Ich hole unseren Sohn um zwölf wieder ab, wir essen und sie schläft meist gegen haln zwei noch einmal 1,5 Stunden. Auch wieder im Tragetuch, da ich durch unseren Zweijährigen keine Zeit habe, mich mit ihr hinzulegen und sie in den Schlaf zu begleiten. Im TRagetuch schläft sie wunderbar ein. Seit ihrer Geburt macht sie im Prinzip all ihre Tagschläfchen im Tragetuch, selten auch mal im Kinderwagen. Nun zu unserem Problem abends: Gegen sieben, halb acht mache ich sie bettfertig. Sie war dann meist zwischen 3,5 und vier Stunden wach und ist wirklich sichtbar müde. Sie schläft recht schnell auf meinem Arm ein. Ins Bett legen klappt nicht, auch nicht daneben legen und streicheln. So schafft sie es nicht in den Schlaf. Auch durch Stillen nicht. Sie weint heftig, wenn ich sie nicht auf den Arm nehme (ich muss aber nicht herumlaufen, im Bett sitzen genügt). Auf dem Arm ist sie in Minuten eingeschlafen. Seit ihrer Geburt aber wird sie spätestens nach 30 Minuten wieder wach. Es gab wirklich noch keinen Abend an dem sie länger geschlafen hat. Ich muss dann hin und sie entweder wieder (kurz) auf den Arm nehmen oder stillen. Sie schläft meist schnell wieder ein. Das Ganze kann bis zu viermal am Abend so sein, bis sie dann mal endlich 2 Stunden oder länger am Stück schläft. Generell wird sie nachts im 2-3 Stunden Rhythmus wach, trinkt kurz, schläft weiter. Schnuller nimmt sie nicht. Sie ist mit 9,5 Kilo auch ganz gut beisammen. Ist das schon eine Schlafstörung? Oder ein hausgemachtes Problem, da sie tags nur im Tragetuch schläft? Leider ist das anders ja kaum möglich. Wo können wir hier ansetzen, um eine Besserung zu erzielen? Oder ist es eine Frage der Reife und wir müssen abwarten? Es ist nicht so, dass ich kräftemäßig am Ende bin, aber ich würde schon gerne mal nen Tatort in Ruhe zu Ende schauen, ohne, dass ich zigmal zu ihr ins Zimmer muss. Sie schläft im Beistellbett an meiner Seite, wandert aber nachts meist ins Elternbett. Ich hoffe, ich konnte die Situation ausreichend beschreiben und freue mich auf Ihre Antwort. Viele Grüße

von dickemama112 am 12.05.2016, 11:04


Antwort auf: Schlafverhalten Baby 6 Monate

Liebe dickemama112 (nun Sie nennen sich selbst so (-;, freut mich, dass Ihnen mein Forum gefällt! Mich wiederum freut es, wie offen und ebenso realitätsnah Sie Ihre Themen beschreiben. Man kann sich gut vorstellen, wie anstrengend Ihr Alltag ist, doch gleichsam wird deutlich, dass Sie wirklich gern Kinder haben. Zu Ihrer Frage: Grundsätzlich sind die allermeisten Schlafstörungen hausgemacht. Das klingt fies und nach Elternversagen, ist so aber nicht gemeint. Im Grunde ist es sogar positiv, denn wäre dies nicht so, wären diese Probleme ja unveränderlich oder müssten hingenommen werden. In den wenigsten Fällen ist dies jedoch der Fall. Natürlich spielt bei einen sechs Monaten alten Kind Reifung noch eine sehr bedeutende Rolle, der elterliche Einfluss ist aber dennoch vorhanden. Weniger als Frage der Erziehung (das kommt später), sondern mehr als Wegweiser und Wegbegleiter. Natürlich können Sie jetzt schon was dafür tun, dass Ihr Kind ein gesundes Schlafverhalten erlangt und gleichsam typische Stolperfallen vermeiden.. In diesem jungen Alter heißt das aber nicht, dass sich dadurch alle Störungen beheben lassen. Selbst wenn Sie alles en detail perfekt machen - was weder notwendig noch realistisch ist - sind Störungen im Schlafverhalten zu einem gewissen Grad normal. Zu der groben Definition a) "regelmäßig mehr als drei nächtliche Unterbrechungen verbunden mit extremen Schwierigkeiten, wieder selbstständig in den Schlaf zu kommen (Durchschlafstörungen) oder b)"Unfähigkeit / erhebliche Schwierigkeit selbstständig einzuschlafen und Fordern von umfangreichen, zeitintensiven (> 30 Min) elterlichen Beruhigungsmaßnahmen (Einschlafstörung) …kommt daher immer auch das Kriterium, inwieweit diese Dinge zu Belastungen der Familie führen. Es muss also dadurch ein Leidendruck entweder bei Eltern oder Kind oder beiden vorhanden sein, sonst besteht keine Handlungsnotwendigkeit. Das ist nicht immer so einfach wie es aussieht, denn es gibt ja durchaus Eltern wie Sie, die mit massiven Schlafproblemen ihrer Kleinen durchaus gut zurechtkommen (was ich bewundere!). Da wir die Kleinen ja noch nicht befragen können, müssen wir uns damit behelfen, dass wir die Entwicklung (nicht nur Schlaf sondern allgemein) angucken, sehen wie sich sonst das Kind verhält, wie ausgeglichen es ist, wie der Tonus ist etc. u d darsu ableiten, ob es Handlungsbedraf besteht, obwohl Eltern nicht am Rande der Erschöpfung stehen. Dabei ist es natürlich schon so, dass extreme Normabweichungen immer kritisch geprüft werden. Eine Normabweichung muss nicht pathologisch sein, die Wahrscheinlichkeit, dass sie es ist, ist aber höher als bei Werten im Normbereich. Auch wenn ich hier ausdrücklich keine Diagnose stellen kann, stimme ich zu, dass das Schlafverhalten zumindest nicht ganz unproblematisch ist. Ich würde diese Schwierigkeiten nicht ewig hinnehmen und auf Reife setzen, damit sich das Ganze nicht weiter festigt. Es ist doch prima, wenn Sie eben noch nicht verzweifelt sind und noch genug Energie. Das sind beste Voraussetzungen, um schnell etwas zu verbessern. Sie müssen dabei nicht gleich zur nächsten Schreiambulanz rennen. Sie ja grundsätzlich richtig erkannt, wo sich ein potentiell problematisches Gewohnheit abzeichnet. Sie müssen dabei am Tage gar nichts ändern, nur eben nachts darauf hinarbeiten, dass die Waagerechte mehr akzeptiert wird und das kann dauern! Geben Sie daher nicht auf sondern bleiben Sie am Ball! In den ersten Tagen wird Ihre Tochter natürlich nicht gleich weniger sondern mehr schreien - sie muss sich ja umstellen und an das Einschlafen im Bett gewöhnen. Dazu braucht sie die widerholte Erfahrung dass es auch so geht, weshalb man als Faustregel immer sagt, dass man mit ca. 14 Tagen rechnen muss, bevor sich eine Verhaltensänderung manifestiert. Weiter helfen klare Rituale und Abläufe, die ihr helfen zu begreifen, was nun passiert. Sie kann durchaus lernen, dass am Tage ein anderes Programm läuft als nachts oder abends, doch dann müssen Sie mit liebevoller Konsequenz eben dafür sorgen, dass dies auch so ist. Wird sie dann abends doch auf dem Arm beruhigt, kann sie diese Erfahrung natürlich nicht machen. Gleichsam wird sie dann irritiert sein, wenn sie nachts im Bett aufwacht und eben nicht auf Ihrem Arm. Selbstreden ist so eine Änderung anstrengend, aber letztendlich ist entscheidend, was für alle langfristig besser und damit in der Gesamtbilanz auch weniger anstrengend ist. Schaden tun solche Änderungen einem Kind nicht, wenn Sie liebevoll und feinfühlig vorgehen. Es stresst, aber es gehört zur normalen Entwicklung einfach dass Kinder immer wieder Anpassungen zu bewältigen haben. Kinder können selbst noch nicht die Folgen Ihres Handelns absehen, von daher brauchen Sie uns als Wegweiser. D.h. wir dürfen und sollten als Eltern aktiv lenken und nicht nur passiv reagieren = ein häufiges Missverständnis, wenn es um den Aspekt bedürfnisgerechten Erziehung / ("vom Kinde aus gedacht") geht. Ein Grundbedürfnis ist ja ausreichend Schlaf und zwar nicht nur bei den Eltern! Alles was Kinder daran hindert - und sei es noch so liebevoll gemeint - sollte dann vermieden werden. Aus fachlicher Sicht ist es nämlich nicht sinnvoll, es dauerhaft zu tolerieren, dass ein Kind halbstündlich aufwacht. Ihre Kleine muss natürlich nicht durchschlafen, sollte aber nicht auf dem Level eines Neugeborenen stagnieren. Es fehlt sicher nicht viel, aber ein Schubs in die richtige Richtung würde ich schon empfehlen.Die Kraft und Ruhe dazu haben Sie ja! Ich bin ganz optimistisch dass es dann auch mit dem Tatort wieder klappt - eben auch ein Grundbedürfnis (-; Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 13.05.2016