Schlafprobleme - ständiges Aufwachen

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schlafprobleme - ständiges Aufwachen

Sehr geehrte Frau Dr. Bentz, kurz vorab einige Informationen zu unserem Sohn: Geburt am 23.6.15 in der 28ssw (große und kleine Baustellen, die aber alle behoben sind-Entwicklung aktuell zwischen 6-7 Monate) 3 Monate Krankenhaus 9 Monate - korrigiert 6 Monate Ca. 10-12 Stunden Schlaf in der Nacht und 2-3 Stunden am Tag. Beistellbett neben Elternbett in der Nacht und tagsüber Stubenwagen oder auf dem Arm Zuhause oder Kinderwagen, wenn wir zur Schlafenzzeit spazieren gehen. Nahrung: Muttermilch und 1-2 Flaschen Pre a 100ml pro Tag zum zufüttern (manchmal auch keine, manchmal auch 3), seit zwei Wochen Mittags Pastinakenbrei (wir steigern langsam und sind jetzt bei ca. 100ml) und zum Nachtisch etwas Birnenbrei (30-50ml) Bisher hat er nachts sehr gut geschlafen. Durch die ersten 3 Monate im Krankenhaus hatte er schon einen guten Tag/Nacht Rhythmus als wir ihn mit nach Hause nehmen konnten. Zuerst nur 1-2 Unterbrechungen je Nacht (bis Ende Dezember), dann hat er komplett 9 Stunden durchgeschlafen (so 1,5 Monate lang) und daraus hat sich wieder eine Unterbrechung von 1-2 mal die Nacht entwickelt. Die Unterbrechung fand ich sogar als gut und passend, da er mit aktuell 6kg recht wenig wiegt und so eine zusätzliche Mahlzeit stattfand. Jetzt ist es jedoch seit ca.4 Wochen so, dass er weinend aufwacht. Alle paar Minuten bis 2 Stunden. Er hat die Augen geschlossen, windet Körper und Kopf hin und her und macht sich steif. Er hat direkt ein wimmerndes/jammerndes weinen. Wir haben alles probiert um ihm zu beruhigen (auf den Arm, Händchen halten, kuscheln, leise zureden, Licht an/aus, falls Hunger Flasche Angeboten etc.) Das führt jedoch alles dazu, dass er lauter und energischer weint, denn das einzige was ihn beruhigt, ist es an der Brust zu trinken/nuckeln. Wenn ich ihn dann neben mich lege ist er erstmal ruhig, denn es geht schon in die richtige Richtung...wenn ich dann jedoch nicht schnell genug die Brust auspacke geht das weinen wieder los. Er rollt sich direkt seitlich zur Brust, reißt an meinem Top, macht schon den Mund auf und streckt die Arme aus und kneift in die Brust und zieht sie zu sich. Dann trinkt er glücklich 5-20 Minuten und schläft dabei wieder ein. Unterbreche ich ihn-weinen geht von vorne los. Wenn er dann eingeschlafen ist, lasse ich ihn entweder neben mir liegen oder lege ihn vorsichtig zurück in sein Anstellbett. Dann schläft er mal nur 2 min., mal zwei Stunden. Länger jedoch nicht, bevor es wieder von vorne losgeht. Wenn wir ihm (wenn er schnell wieder aufwacht) eine Flasche anbieten, um Hunger auszuschließen, schreit er wie wild. Also Hunger ist es nicht und die Flasche passt ihm dann so gar nicht. Tagsüber trinkt er sehr gut aus der Flasche. Das ganze schlaucht sehr und wir wissen einfach nicht, was ihn da so oft aufwachen lässt. Tagsüber schlief er ruhig, jedoch seit kurzem wacht er auch da auf und will NUR die Brust und schläft damit wieder ein. An unserem Tagesablauf oder Aktivitäten haben wir nichts geändert. Generell gestalten wir alles recht ruhig. Tagsüber weint er kaum bzw. gar nicht und ist sehr zufrieden. Zähne sind keine zu sehen. Schnuller nimmt er gar nicht (mehrere Modelle getestet) Es geht mir aktuell weniger um das ständige aufwachen für mich...noch ist es auszuhalten (vielleicht sehe ich dies in 1-2 Monaten anders :-)) sondern um einen entspannten und erholsamen Schlaf für unseren Sohn. Durch das ständige trinken und wieder einschlafen an der Brust, ergibt sich eine Routine ohne die er dann vielleicht gar nicht mehr einschlafen kann. Da nichts anderes hilft befinden wir uns aber aktuell in einer Zwickmühle. Haben Sie eine Idee oder Tipp? Aufgrund seiner Vorheschichte ist mir die Bindung und das Vertrauen sehr wichtig. Schreien lassen möchte und kann ich ihn nicht. Vielen Dank vorab Christine Köhler

von ChristineK. am 21.03.2016, 15:49


Antwort auf: Schlafprobleme - ständiges Aufwachen

Liebe Frau Köhler! nun, das hatten Sie ja wirklich einen bewegten Start als Familie! Umso mehr freut es mich zu hören, dass sich bis auf die aktuelle Thematik alles so positiv entwickelt hat. Leider haben Frühgeborene ein erhöhtes Risisko für die Entwicklung von Regulationsstörungen, etwa in der Form, wie Sie es beschreiben. Ich erwähne dies, weil Sie dies sicher schon gelesen haben. Meiner Erfahrung nach sind Frühcheneltern nämlich bestens mit allerhand "Störungswissen" versorgt und haben allerlei mögliche Entwicklungsrisiken im Kopf. Das macht es nicht gerade leicht, in einer Situation wie Sie sie gerade erleben, ruhig und entspannt zu bleiben. Dennoch: auch wenn sich Probleme abzeichnen, die ich keineswegs absrieten will, heißt es noch lange nicht, dass Ihr Kind wirklich eine solche Störung entwickelt! Da diese Schwierigkeiten jedoch schon länger anhalten ist es unabhängig von dieser Frage richtig und wichtig zu handeln, denn allein Verunsicherung kann die Interaktion zwische Eltern und Kind so negativ beeinflussen, dass sich tatsächlich Probleme manifestieren. Doch es ist nicht der Zeitpunkt für voreilige Diagnosen und Panik! Bei einem Frühchen gilt dies besonders, da die Eltern eben durch den Start vorbelastet und sensibilisiert für alle möglichen Störungen sind. Sie beobachten Ihr Kind ganz genau und sind weitaus schneller alarmiert, wenn es Unwohlzeichen gleich welcher Art zeigt. Dies ist einerseits ja auch wichtig, da Ihr Kind andere Bedürfnisse an die Pflege und Versorgung stellt, andererseits können so auch Missverständnisse entstehen. Ich könnte mir z.B. gut vorstellen, dass Ihr Kleiner nun bedingt durch seine voranschreitende Entwicklung und den Zuwachs an motorischen Fähigkeiten einfach sehr unruhig einschläft. Diese sogen. "noisy sleepers" sind in den aktiven Traumschlafphasen sehr zappelig, wälzen sich umher, stöhnen, grummeln, weinen, wimmern, schmatzen etc. Da ein Kind in diesem Alter jeden Schlafzyklus anders als wir Erwachsenen nicht mit einer Tiefschlafphase einläutet, kann so schnell der Eindruck entstehen, dass ein Kind gleich nach dem Einschlafen wieder aufwacht. Mit bester Absicht reagieren die Eltern dann prompt, was jedoch dazu führt, dass ein Kind erst richtig wach wird - zumal Kinder in dieser Phase eben auch sehr leicht erweckbar sind. Daraus kann dann schnell ein Teufelskreis entstehen, so dass Kinder es regelrecht "verlernen" in eine Tiefschlafphase zu kommen. Ein wichtiger Schritt ist daher zunächst immer kritisch zu prüfen, ob ein Kind wirklich wach ist. Das ist nicht immer leicht, zumal Eltern nachts eben auch müde sind und quasi automatisch mit Beruhigungsversuchen reagieren. Vielleicht warten Sie einfach 3-5 Minuten ab und gucken was passiert. Steigert sich in Kind rein, schreit immer lauter oder wimmert er vor sich hin? Manche Kinder wimmern oder grummeln sich in den Schlaf, Hier wäre also Gelassenheit gefragt. Etwas anderes ist es, wenn Ihr Kind sich in Rage schreit. Hier müsste man zunächst mögliche organische Ursachen ausschließen - besonders weil bei Frühchen eben mehr Vorsicht gefragt ist. Das Sie vermutlich ohnehin schon von einem Früherkennungszentrum / Sozialpädiatrischen Zentrum betreut werden, ist es äußerst wichtig, dass Sie dort von der akuten Problematik berichten. Auch ein Schlaflabor kann hier sicher sinnvoll sein. Nicht immer wird man dort eine klare Antwort geben können, denn viele kognitive Reifeprozesse sind eben auch trotz moderner Diagnostik nur bedingt messbar. Es ist allerdings wichtig, dass Schmerzzustände und neurologische Erkrankungen etc. ausgeschlossen werden. Auch einige Medikamente können zu Schlafstörungen führen. Da in den entsprechenden Zentren interdisziplinär gearbeitet wird, kann man dort auch besser abschätzen, welche Maßnahmen zur Schlafförderung sinnvoll sind. Ich scheue mich daher an dieser Stelle, weitere Empfehlungen zu geben. Es wäre einfach fatal, wenn ich nun zu Dingen wie die Reduktion elterlicher Einschlafhilfen und das begleitete Weinen empfehlen würde, da eben nicht sicher ist, dass Ihr Kleiner grundsätzlich erstmal in der Lage ist, besser zu schlafen. Seine bisherige positive Entwicklung spricht zwar dafür, dass seine Selbstregulation bereits gut funktioniert hat, doch andererseits kann der ruhigere Start eben auch ein Zeichen von Unreife (Frühgeborene zeigen länger Muster wie Neugeborene) gewesen sein . Um dies richtig einzuschätzen, muss man ein Kind natürlich genauer untersuchen und bestenfalls auch schon länger begleitet haben. Was immer hilft, wenn die Eltern Ihrem Kind Ruhe spenden können, in dem sie selbst ruhig bleiben. Überlegen Sie daher, was Ihnen hilft, diese Schreiphasen zu überstehen und machen Sie sich einen Plan. Wenn Sie erst nachts überlegen und sich absprechen müssen, geht das meist schief, denn dann sind Sie selber gestresst und müde. Wenn Ihr Kinderarzt sein OK gibt, können Sie es auch mal mit einer (Kunststoff)-Pipette voll Fencheltee so alle 3-4 Stunden versuchen und mit etwas Lavendelöl auf die Matratze des Anstellbettchens. Wenn Ihr Kind zudem noch mit einem Heimmonitor überwacht wird oder Sie eine entsprechende Alarmmatratze haben, ist es ggf. vertretbar (Kinderarzt bitte fragen!), ihn in die Seitenlage oder Bauchlage zu betten. Frühchen werden ja zunächst anders gelagert und haben daher oftmals etwas mehr Schwierigkeiten mit der Rückenlage. Auch wenn es jetzt natürlich sehr unbefriedigend für Sie sein muss, Ihrem Kleinen nicht sofort helfen zu können: Ihr Kleiner braucht kein Hexenwerk, nur gute medizinische Betreuung und die Nähe seiner Eltern. Ihren Part zu seiner Gesundheit leisten Sie also schon auf sehr liebevolle Art. Machen Sie sich dies immer bewusst, auch wenn die Nächte hart sind! In diesem Sinne weiterhin alles Gute! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 30.03.2016