Schlaflos seit 8 Monaten

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Schlaflos seit 8 Monaten

Liebe Meike! Mit großen Interesse lese ich in Ihrem Forum mit. Sie beantworten mit so viel Herz und sind somit zu meiner "Lieblingsexpertin" geworden :-) Ich habe kein Schreibaby und hoffe trotzdem, dass ich meine Fragen hier stellen kann. Mein Baby, 8 Monate, war noch nie ein guter Schläfer. Tagsüber schläft er prima, er hat feste Zeiten, schläft von 08-09 und 12:30-14:30, abends gegen 19:00 Uhr. Ich habe ihn bislang immer ins Bett gebracht, nachts beruhigt und tagsüber mit ihm gespielt, da mein Mann viel zu Hause am Computer arbeitet. Die ersten 3- 4 Stunden schläft er, dann geht das Theater los. Er erwacht alle 30-60 Minuten und braucht Beruhigung. Die Hand reicht manchmal, jedoch nicht immer aus, ich stille meist oder trage. Zwischen 2 und 3 ist er ganz oft 1-2 Std wach und will spielen!! Mittlerweile stehe ich mit ihm auf, trinke einen Kakao und mache ruhige Dinge. Liegen bleiben ist noch belastender... Da ich noch eine kleine Tochter habe, gehe ich gegen 22:00 ins Bett und habe somit so gut wie keinen Schlaf. So, wie jetzt, ist es seit 3-4 Monaten. Zwischen 4 und 5 steht er regulär auf. Habe 2 Monate lang schlafprotokolle geführt und trotz allem hat er einen sehr regelmäßigen "Rhytmus". Laut Kinderärztin, osteopathin und Heilpraktikerin ist er ein reizoffenes Kind, er schottet sich nicht ab und verarbeitet nachts eben. Er ist motorisch und geistig sehr "weit". Ab 17:30 ist er immer so müde, mit Mühe zögere ich immer bis 19:00 raus... Er ist immer sonst lieb, schreit nur, wenn man sich nicht kümmert. Allerdings: er braucht extreme Nähe! Ich darf mich nicht mehr als einen Meter entfernen. Wenn er spielt, sitzen wir zusammen auf der Decke, ansonsten ist er immer auf dem Arm bzw arbeitsplatte, wenn ich koche. Vielleicht hängt das zusammen... Er schreit, sobald ich mich entferne, selbst wenn er beim Papa ist, will er zu mir und weint. Er beginnt bspw mit weinen, wenn ich den Tee vom 2 m entfernten Herd hole, während WIr als Familie essen. Und so sauge, koche, dusche ich mit ihm.... Wir hatten jetzt 5 gute Nächte in folge. Er wurde nur 2-3 mal wach. Ich habe eigentlich nichts anders gemacht, außer, dass ich zwischen den Schläfchen am Tag nicht draußen war, nur nachmittags einkaufen. Aber das war schon öfter der Fall und hat eben keine Änderung bewirkt. Ich treffe mich mit keiner Freundin mehr, weil es nach Verabredungen immer extrem schlimme Nächte waren. Mir fehlen meine Freunde so sehr....gestern kam die Familie zu Besuch, und was folgte war eine kurze Nacht mit wachphasen.. Ich muss dazu sagen, dass alle Menschen ruhig sind, sie nehmen ihn nicht auf den Arm oder dergleichen, da er fremdelt. Heute hatte ich wieder ruhiges Programm und bin gespannt auf diese Nacht.... Ein paar randinfos: er schläft im Elternbett (babybalkon hab ich dran, aber er braucht nachts Körperkontakt), wird nach Bedarf gestillt (und auch satt), hat eine große Schwester (da ist hin und wieder Trubel im Haus), Brei und beikost verträgt er prima. Er hat 4 zähnchen. Er ist ein eher impulsives kleines Kerlchen und zeigt deutlich, was er will :-) Wir haben Rituale und immer gleiche Tagesabläufe. Er ist kerngesund. Geburt war prima und die ss auch. An extremen Tagen lässt er sich nicht ablegen, bspw nach einer Familienfeier musste ich ihn die ganze Nacht und nächsten Tag tragen. Es ist mittlerweile sehr belastend. Ich liebe ihn über alles, aber ich komme körperlich durch die Defizite bezüglich des Schlafes nicht mehr gut zurecht. Ich habe kein Sättigungsgefühl mehr, schrecklichen Haarausfall, konzentrationsprobleme und schrecklichen Schwindel (bin schlank und hab dadurch ohnehin niedrigen Blutdruck) Ich komme nur noch zurecht, weil ich die tagesschläfchen mit ihm gemeinsam mache. Hängt das Verhalten von meinem Prinzen mit dem fremdeln zusammen? Er fremdelt leider schon seit 3 Monaten :-/ Die Heilpraktikerin hat lunafini globuli empfohlen. Wie ist Ihre Einschätzung? Dadurch löse ich doch keine eventuellen Probleme?? Kann ich überhaupt etwas beeinflussen? Habe lavendelsäcke, Baden, virbucol, alles ausprobiert.... Nichts hilft wirklich... Hat es Auswirkungen, wenn der Papa sich so wenig kümmert (kümmern kann..)? Es klappt tagsüber so gut und nachts ist so ein Drama. Und einschlafen klappt immer in 10-15 Minuten. Achso, in den ersten Tagen nach Geburt, hatten wir LEIDER drei Wochen jeden Tag Full House... Kann das jetzt noch ein Grund für diese Unruhe sein???? Ganz liebe Grüße Von der müden Marlen123

von Marlen123 am 16.08.2016, 20:49


Antwort auf: Schlaflos seit 8 Monaten

Liebe Marleen, schön, dass Ihnen meine Arbeit gefällt. Leider werde ich sie hier zum kommenden Monat beenden müssen, so dass Sie gerade noch rechtzeitig mit Ihrer Frage kommen. Dass Sie darin nicht Grüße „von der hundemüden Marleen“ schreiben, die „wie ein Zombie durch die Gegend läuft“, finde ich bei dem Ausmaß an Schlafmangel schon bemerkenswert. Aber Spaß beiseite: Für mich das ist wirklich keine Situation, die so dauerhaft tragbar ist, und ich hoffe, für Sie auch nicht! Mutterliebe zeigt sich nicht allein im Durchhalten, obwohl es sicher auch dazugehört. Doch wir Eltern haben eben auch die Aufgabe, unseren Kindern zu zeigen, wie diese Welt funktioniert – und mit nächtlichem Spielen setzten Sie da die falschen Signale! Dass dies nicht mit böser Absicht geschieht, ist mir klar. Auch finde ich es verständlich, dass dies kurzfristig das kleinere Übel zu sein scheint. Doch ich denke, auch Ihnen ist bewusst, dass dies keine Lösung ist. Ich lehne mich mal an dieser Stelle sehr weit aus dem Fenster, denn ich kenne Ihr Kind ja nicht, doch es ist eben ein ziemlich typisches Muster. Ich gehe ganz stark davon aus, dass Ihr Kleiner einfach einen sehr geringen Schlafbedarf hat, und sich daher eine Rhythmusverschiebung eingeschlichen hat. Das an sich ist nicht pathologisch, denn es gibt eben Menschen die mit wenig Schlaf auskommen. An dieser Schraube lässt sich leider auch nichts drehen, wir können durch keine Mittelchen, Methoden, mehr Nähe usw. den Schlafbedarf erhöhen. Jedoch kann es, wenn ein Kind dauerhaft länger im Bett liegen soll, als es an Schlaf braucht / und oder am Tage zu viel schläft, zu hartnäckigen Durchschlafstörungen kommen. Nicht immer ist daher zu wenig Schlaf das eigentliche Problem Dafür spricht, dass Ihr Kind nachts wach und munter ist, und – sofern Sie eben dabei sind, auch nicht weint oder gar sich in Rage brüllt. Auch tagsüber scheint er ja ausgeglichen zu sein, und weniger Schwierigkeiten zu haben, in den Schlaf zu finden. Diese ist paradoxerweise meist nicht der Fall, wenn ein Kind völlig übermüdet wäre. Fazit: die zwei, drei Stunden nächtlichen Aufseins scheinen ihm nicht zu fehlen. Leider ist es dann jedoch so, dass die Tagesschlafzeit von dem vermutlich geringen Gesamtschlafbedarf abzuziehen ist, dass so viel nicht mehr übrig bleibt, und die Nacht trotz der Unterbrechung schob so früh zu Ende ist (= Rhythmusverschiebung). Die Lösung des Problems ist einfach, doch nicht ganz leicht umzusetzen. Sie besteht darin, den Schlafdruck durch gezieltes Verkürzen der Tagesschläfchen zu erhöhen, so dass sich der Schlaf nachts in kompakter Form, sprich durch längeres am Stück schlafen, geholt werden kann. Das bedeutet nichts anderes als Wecken. Ich würde empfehlen, das Vormittagsschläfchen auf eine halbe Stunde zu verkürzen und das Mittagsschläfchen um eine Stunde. Dann ist es wichtig, auch morgens immer um die gleiche Zeit aufzustehen. Selbst wenn er mal eine Nacht zum Tage gemacht hat, ist es leider nötig, ihn zu wecken und nicht länger in den Tag schlafen zu lassen. Ich kann dabei nicht verhehlen, dass dies in der ersten Zeit wirklich anstrengend sein wird, doch dafür sollte sich nach 14 Tagen konsequenten Durchhaltens das Schlafverhalten gebessert haben. Alles Weiter wie Homöopathie, Phytotherapie, Massagen, Bäder etc. können dabei unterstützen, aber sicher nicht die Wende bringen. Wünschenswert wäre natürlich schon, wenn Sie in dieser anstrengenden Übergangszeit ein wenig mehr Entlastung und Unterstützung hätten. Vielleicht starten Sie mal am Freitag und Ihr Mann macht ein verlängertes Wochenende, dann hätten Sie die schlimmsten Tage gemeinsam schon mal hinter sich. Oder die Große bleibt mal bei Oma etc. So oder so, auf jeden Fall drücke ich Ihnen die Daumen für bald längere Nächte ohne Spielpausen! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 18.08.2016


Antwort auf: Schlaflos seit 8 Monaten

Liebe Meike! Vielen Dank für die schnelle Antwort. Es klingt alles sehr schlüssig für mich und gleich morgen fange ich mit der Umsetzung an :-) vielen Dank für die Ratschläge! Schade, dass Sie bald nicht mehr in diesem Forum zu finden sind... Ich glaube, Sie werden hier einigen Mamas fehlen. Alles Liebe und Gute für Sie :-)

von Marlen123 am 18.08.2016, 17:56


Antwort auf: Schlaflos seit 8 Monaten

Liebe Marleen! gern geschehen! Und danke für die lieben Worte. Natürlich werde ich meine Arbeit weiterhin an anderer Stelle fortsetzen, doch eben nicht mehr hier. Auch für mich kam das überraschend, doch wo eine Tür sich schließt, öffnen sich andere... Alles Gute weiterhin! Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 21.08.2016