Nächtliche Unruhe

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Nächtliche Unruhe

Sehr geehrte Frau Dr. Bentz, ich lese schon seit einiger Zeit in Ihrem Forum. Ich habe lange überlegt, ob ich meine Frage hier einstellen soll oder ob ich es noch eine Weile mit Ruhe & Gelassenheit versuche. Ich weiß aber leider nicht weiter. Meine Tochter, mittlerweile 6 Monate, war ein Schreibaby. Die ersten 3 Monate liess sie sich tagsüber nur im Tragetuch beruhigen und machte darin ihre Tagschläfchen. Nachts schlief sie nur direkt an mir dran. Nach 3 Monaten konnte ich sie dann auch mal in ihr Beistellbett legen. Tagsüber wurde das Tragetuch zur Qual: bei jedem Geräusch und jeder Bewegung wachte sie auf. Also entschlossen wir uns, ihr das Tuch abzugewöhnen. Dafür machte ich den Mittagsschlaf mit ihr zusammen, was auch sehr gut klappte. Tagsüber schläft sie mittlerweile 3x, das 1. und 3. Schläfchen in ihrem Bett, jedoch nur jeweils 30min. Das 2. im Kinderwagen, 1,5-2,5h, je nachdem wie lange man spazieren geht. Alternativ kann man auch mit ihr zusammen ein Schläfchen machen, dann schläft sie auch länger (das funktioniert aber nur, wenn man auch schläft, nur daneben liegen geht nicht). Das Problem besteht jedoch nachts. Sie schläft nach ihrem Einschlafritual sehr gut in ihrem Beistellbett auch ohne Stillen ein. Meistens zappelt sie noch ein wenig, rollt sich dann auf der Seite zu mir und schläft dann ein. Meistens halte ich dabei ein Händchen vor ihr und bleibe dann im Bett und lese noch etwas in meinem ebook-reader. Nach 30 min ist sie auch dann jedoch wieder wach. Legt man sich neben sie und hält beide Hände fest, schläft sie relativ schnell wieder ein. Hält man sie nicht fest, zappelt sie rum und kommt nicht zur Ruhe. Das ist in jeder folgenden Wachphase so. Sie wird ca. alle 2-2,5h wach. Dann stille ich sie und am Anfang der Nacht schläft sie danach meist schnell wieder ein. Je weiter die Nacht voranschreitet, desto schwieriger wird dies aber. Ich muss immer beide Händchen festhalten. Teilweise schläft sie auch gar nicht mehr ein. Letzte Nacht hat sie nur 9,5h mit diversen Unterbrechungen geschlafen. Gepuckt habe ich sie am Anfang. Mittlerweile schreit sie sich dabei in Rage. Einen Schnulli hat sie am Anfang genommen, jetzt wird er immer ausgespuckt und geschrien, wenn ich versuche ihn ihr wiederzugeben. Wie kommen wir nachts zu mehr Ruhe? Soll ich sie zappeln lassen? Sie schreit dabei zwar nicht, aber kann doch sehr laute Töne von sich geben, so dass an Schlafen nicht zu denken ist. Hat sie vielleicht noch keinen ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus? Oder braucht sie wirklich nur so wenig Schlaf? Da mein Schlafdefizit meine gesundheitlichen Beschwerden (Migräne, allergische Reaktionen) verschlimmert, bin ich für jede Hilfestellung sehr dankbar. Lia

von Lia83 am 09.02.2016, 09:46


Antwort auf: Nächtliche Unruhe

Liebe Lia83 schön, dass Sie sich mit Ihrer Frage an mich wenden. Es ist schließlich eine große Belastung Sorgen immer in sich hineinzufressen und allein das „Von-der Selle-Schreiben“ hilft ja manchnmal schon etwas. Zudem muss ich Ihnen ein großes Kompliment machen! Sie haben schon sehr viel geschafft und sind dabei ja fast Musterschülerartig vorgegangen. Toll, dass Ihre Kleine mit sechs Monaten schon ohne aufwendigste Einschlafhilfen im Bettchen schlafen kann. Davon träumen hier ganz viele Eltern! Nun aber zu dem bestehenden Problem: 1) Was die Gesamtschlafdauer betrifft, so wäre ich da gar nicht so allarmiert. Selbst wenn man eine schlechte Nacht, wie diese mit 9,5 Stunden mit den Tagesschläfchen addiert, so kommt sie ja im Schnitt auf 12-13h. Da solche Nächte ja die Ausnahme sind, dürfte sie imm Mittel also über 13h liegen. Das ist wäre völlig im Rahmen. Ganz genau kann man dies aber nur über 24-h-Protokolle herausfinden, die man dann über 14 Tage führt (Anleitungen und Vordrucke gibt es im Netz). Zudem ist immer auch entscheiden, wie sich ein Kind in den Wachzeiten verhält: ist es quengelig, wirkt es erschöpft, ständig müde und unausgeglichen? Oder ist es – trotz der kurzen Nächte – munter und fröhlich? 2) Was das Thema nächtliches Aufwachen betrifft, so hilft Ihnen vielleicht folgende Information: Babys starten ihren Schlaf mit zunächst mit einer ca. 20 Minutigen aktiven Schlafphase(REM-Schlaf), bei Erwachsenen ist es umgekehrt, wir treten nach dem Einschlafen sehr schnell in eine Tiefschlafphase ein und schlafen daher ruhig. D.h. Zappeln, Hin- und Herwälzerei, Brabbeln, Lachen, Weinen, Stöhnen, Grummeln, Schmatzen etc. sind alles Nebenerscheinungen des aktiven Schlafs. In dieser Phase ist die Schwelle zur Erweckbarkeit niedrig, d.h. wenn man ein Kind dann streichelt zur Beruhigung oder leise mit ihm spricht, ist es schnell wach. Da viele Eltern aufgrund der Geräusche oder der körperlichen Unruhe meinen, ihr Kind sei wach und hätte Angst, Schmerzen, sei in irgendeiner Form bedürftig, greifen sie dann vorzeitig ein und sorgen damit selbst erst dafür, dass ihr Kind nicht schläft. Und das Spiel beginnt wieder von vorn. Hinzu kommt, dass die REM Schlafanateile bei Babys noch deutlich höher sind als bei Erwachsenen – Störungen gehören daher im gewissen Sinne zum System Kinderschlaf. Mein Tipp daher: greifen Sie nicht ein, es sei denn ihr Kind ist wirklich, wirklich wach (Augen offen) und schreit, dann aber auch bitte nur mit wenig elterlicher Hilfe (Streicheln, leise sprechen Kind neben sich legen) versuchen, das Kind zu beruhigen. Hochnehmen, Licht anschalten und Bespaßen ist da wirklich kontraproduktiv. Gehört Ihr Kind zu den sogen. noisy-sleepers, also Menschen, die sehr, sehr lebhaft Ihre REM Phasen durschlafen und sehr unruhig sind, kann es angebracht sein, tatsächlich in getrennten Schlafräumen zu schlafen und die Empfindlichkeit des Babyphones so zu regulieren, dass nicht jeder Seufzer und Schmatzer, sondern nur lautet Weinen. Damit gewährleisten Sie, dass Sie Ihr Kind nicht zu frühzeitig wecken und können selber ungestörter schlafen. Ich wünsche Ihnen alles Gute! Sie sind auf einen guten Weg und wenn Sie es schaffen, sich etwas mehr zurückzuhalten, wird es sicher bald- wenn auch nicht sofort- besser klappen! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 10.02.2016