Hängt extremer Bewegungsdrang mit guten kognitiven Faehigkeiten zusammen?

Dr. rer. nat. Meike Bentz Frage an Dr. rer. nat. Meike Bentz Diplom-Psychologin

Frage: Hängt extremer Bewegungsdrang mit guten kognitiven Faehigkeiten zusammen?

Sehr geehrte Frau Bentz, ich habe einen dreijährigen Sohn der einen starken Bewegungsdrang hat. Da er wie ein Computer ist, d.h. er merkt sich Sachen sehr schnell und stellt Verbindungen her, spricht perfekt, grammatikalisch richtig, kennt den Zahlenraum 1 - 15 und erkennt die zahlen 0 -10, frage ich mich, ob sein starker bewegungsdrang mit den kognitiven Faehigkeiten zusammenhängen? Er kann nicht lange sitzen bleiben, auch in seinen Spielen steckt immer viel Bewegung drin. Wie kann ich es aendern, dass er z.b. mal sitzen bleibt und so alleine spielt?

von Lumax am 02.02.2016, 23:57


Antwort auf: Hängt extremer Bewegungsdrang mit guten kognitiven Faehigkeiten zusammen?

Liebe Lumax, als Mutter von ebenfalls so einem Exemplar würde ich natürlich auch spontan sagen: Unbedingt!!! Doch ernsthaft: die Schnelligkeit der motorische Entwicklung ist für die Vorhersage kognitiver Fähigkeiten, sprich der Intelligenz, nach bisherigem Stand nicht relevant. Es ist also egal, ob ein Kind früh oder spät laufen lernt, krabbelt etc. Das sagt nichts über seinen IQ. Was es gibt, sind Zusammenhänge zwischen der Qualität der motorischen Entwicklung ein Teilbereichen kognitiver Fähigkeiten. So wird z.B. das Krabbeln als wichtiger Schritt für die Entwicklung räumlichen Vorstellungsvermögens und damit auch mathematischer Fähigkeiten betrachtet. Ein deutlicher Zusammenhang besteht jedoch zwischen früher sprachlicher Entwicklung und IQ, d.h. Kinder die sehr schnell reden und einen großen Wortschatz entwicklen, sind im Mittel intelligenter. Das intelligente Kinder auch motorisch unruhig sein können, widerspricht dem nicht. Allerdings gibt es meines Wissens eben keinen systhematischen Zusammenhang, d.h. auch sehr intelligente (hochbegabte) Kinder können durchaus motorisch ruhig sein. Allerdings langweilen sich sehr intelligente Kinder schnell, haben eine raschere Aufmerksamkeit, sind neugieriger, nehmen mehr Reize auf und können dadruch selbstverständlich unruhig werden (und als "störend" erlebt werden). Sie sehen quasi nicht die grüne Wiese, sondern jeden einzelen Halm, die Biene die summt und bestimmte Blumen ansteuert, andere nicht, wie sich das Licht verschieden bricht, etc. Hinzu kommt, dass intelligent und "weit" noch nicht einhergeht mit emotionaler Reife. Unruhe kann also auch ein Zeichen für Überforderung sein. Den Bewegungsbedarf von Kindern unterschätzen Erwachsene oft, während sie die Fähigkeit zum Stillsitzen und alleinigem Spiel überschätzen. Das führt dann nicht selten zu Konflikten und ein Kind wird als "schwierig" und "schlecht erzogen" erlebt. Das Gute ist, dass gerade bei intelligenten Kinder, Eltern sehr viele Möglichkeiten haben, spielerisch für mehr Ruhe zu sorgen. Neben der generell Empfehlung, auf ausreichend Bewegung zu achten (Faustregel: vormittags eine Stunde raus und nachmittags ebenso!), gibt es Angebote wie Kinderyoga und kindgerechte Achtsamkeitsübungen, die teilweise schon in Kindergärten und Schulen angeboten werden. Auch ruhige Spiele, die Konzentration und Ausdauer erfordern, sind gute Übungen, ebenso wie der "Klassiker" gemeinsames Kochen / Backen. Hier lernen Kinder Aufgaben Schritt für Schritt zu erledingen und bei einer Sache zu bleiben (=Prinzip der vollständigen Aufgabe) und das trainiert das Hirn. Ansonsten können kleiner Helfer, wie etwa Sanduhren hilfreich sein, wenn es etwa darum geht, bei Tisch eine gewisse Zeit ruhig zu sein. Der Fkos sollte dabei immer auf das Gelingen sein (also Loben und Anreize setzen, nicht kritisieren, schimpfen). Ebenso sollte dem Kind klar, ruhig und freundlich vermittelt werden, wie man sich in einer Situation zu verhalten hat. "Am Tisch setzen sich alle hin." etc. Wichtig ist, dass ein Kind lernt, seine innere Unruhe auszudrücken und positiv Dinge vermittelt bekommt, diese angemessen zu regulieren. Das wichtigste Lehrinstrument sind dabei Sie als Vorbild! Man muss sich nur mal anschauen, wie einige Eltern in Restaurants, am Strand oder auf dem Spielplatz hektisch auf dem Handy rumdaddeln und muss sich nicht mehr wundern, warum viele Kinder extrem kurze Aufmerksamkeitsspannen haben. Erwarten Sie nicht, dass Sie gleich einen Musterschüler haben werden. Erziehung ist ein Prozess, der sich in vielen Schritten vollzieht und keine Dressur. Ich wünsche Ihnen daher Geduld und ganz viel Spaß an Ihrem kleinen "Computer"! Herzlichst, Ihre Meike Bentz

von Dr. Meike Bentz am 04.02.2016