nicht priviligiert und mangelberechnung

 Nicola Bader Frage an Nicola Bader Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht

Frage: nicht priviligiert und mangelberechnung

Hallo Frau Bader, der Sohn meines Mannes ist jetzt priviligiert volljährig. Im nächsten Jahr hat er seine Schulausbildung abgeschlossen und geht dann aller vorraussicht nach studieren. Ist er dann immer noch priviligiert volljährig, wenn er dann n Student ist? Jetzt wo er doch priviligiert volljährig ist steht doch er doch gleichrangig mit mir, der Ehefrau, auf einer Stufe oder? und Nächstes Jahr, angenommen er ist dann nicht mehr priviligiert volljährig, steht er dann hinter mir? Vielen Dank. Gruß pamela

Mitglied inaktiv - 05.07.2006, 12:41



Antwort auf: nicht priviligiert und mangelberechnung

Hallo, Mit Vollendung des 18. Lebensjahres erlischt das elterliche Sorgerecht, d.h. beide Eltern sind ab sofort barunterhaltspflichtig und zwar bis zum Ende eines ersten berufsqualifizierenden Abschluss. Das volljährige Kind muss also jetzt selbst für die Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche sorgen. Mag die Mutter das Unterhaltsgeld noch so dringend für den gemeinsamen Haushalt benötigen- ihr Konto bleibt leer, wenn Kind und Vater eine andere Zahlungsweise vereinbaren, z.B. auf das Konto des Kindes. Das Kind kann allerdings dem Elternteil, bei dem es lebt, auch erlauben, weiterhin seine Rechte gegenüber dem anderen Elternteil wahrzunehmen. (Vollmacht). Auf der einen Seite gehen zwar Gesetz und die Unterhaltstabellen davon aus, dass mit dem 18. Lebensjahr die Bedürfnisse des jungen Menschen steigen, was sich insbesondere dann auswirkt, wenn der Jugendliche aus dem Haushalt der Eltern auszieht und einen eigenen Hausstand begründet. Auf der anderen Seite verschlechtert sich die finanzielle Situation des Jugendlichen unter Umständen. Minderjährige Kinder sind ihm gegenüber privilegiert (Ausnahme priviligierte Volljährige), hat er eigenes, in der Regel durch Verwandte angespartes Vermögen, so hat er dieses Vermögen vorrangig zur Deckung seines Lebensbedarf einzusetzen, auch sittliches Fehlverhalten kann ihm nunmehr entgegengehalten werden. Mit steigendem Alter wachsen auch die Anforderungen an das Kind, seinen Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise selbst zu decken. Der Volljährige hat gegen seine Eltern prinzipiell den Anspruch, eine angemessene Ausbildung zu erhalten (§ 1610 Abs. 2 BGB). Unterhaltsansprüche privilegierte volljährige Kindern (§ 1603 Abs.2 S.2 BGB) Vorraussetzungen dafür: • bis 21 Jahre und • befindet sich noch in einer allgemeinen Schulausbildung und • sie leben im Haushalte der Eltern oder eines Elternteils und • unverheiratet sind Der Unterhalt für volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils wohnen, richtet sich in der Regel nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle*. Ihr Bedarf bemisst sich, falls beide Eltern leistungsfähig sind, nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern in der Regel ohne Höhergruppierung (wegen mehr oder weniger Unterhaltsberechtigter) der Düsseldorfer Tabelle* . Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu leisten, der sich allein nach seinem Einkommen ergibt. je nach OLG können hier Abweichungen sein. Auszubildender, im Haushalt mindestens eines Elternteils lebend. Anrechnung der Ausbildungsvergütung abzüglich 90,- Euro für ausbildungs- bzw. berufsbedingte Aufwendungen(Fahrkosten, Bücher usw.)*. Eigenes Einkommen des volljährigen Kindes wird, bereinigt um eventuelle Aufwendungen, in vollem Umfang auf den Bedarf abgerechnet. Zu den Einkünften des Kindes gehören auch BAföG-Darlehen und Ausbildungsbeihilfen, hier aber ohne Berücksichtigung der 90,- Euro Aufwendungen. Abweichungen der einzelnen OLG`s sind zu berücksichtigen. Unterhaltsbedarf eines volljährigen Kindes, Auszubildender/Schüler/Student, das nicht mehr bei seinen Eltern lebt beträgt 640,- Euro (OLG-abhängig). Das Kindergeld ist an Volljährige auszuzahlen und wird in voller Höhe auf den Bedarf angerechnet!!! BGH Urteil vom 26.10.2005 Sind volljährige Kinder verheiratet, so ist der vorrangig der Ehegatte unterhaltspflichtig. In welcher Art und Weise der Unterhalt gewährt werden soll können Eltern, die Unterhalt gewähren bestimmen, kommt das volljährige Kind dieser Anordnung nicht nach, so verliert es zumindest teilweise seinen Unterhaltsanspruch. Z.B. ein volljähriges, unverheiratetes Kind noch in der Ausbildung, so können die Eltern bestimmen, dass das Kind bei ihnen wohnt, statt sich eine Mietwohnung zu nehmen. § 1612 Abs. 2 BGB Dabei wird die Barunterhaltspflicht nicht hälftig, sondern anteilig nach Leistungsfähigkeit zwischen den Eltern verteilt. Da kein Betreuungsunterhalt mehr geleistet werden kann, ist beim volljährigen Kind die Barunterhaltspflicht auf beide Eltern zu verteilen.(§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) Mitteilung der Pressestelle/ Bundesgerichtshof vom 9. Januar 2002 Barunterhaltspflicht beider Elternteile für einen volljährigen Schüler in der allgemeinen Schulausbildung PressemitteilungenBGH Vor der Ermittlung der Haftungsquoten der Eltern sind von deren Einkommen zunächst die für ihren eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge (angemessener Selbstbehalt) abzuziehen. (BGH, FamRZ1986, 151 und 153) Selbstbehalt im Unterhaltsrecht Die Barunterhaltspflichten gegenüber minderjährigen Kindern sind auch vorweg abzuziehen. Hiervon kann im Einzelfall abgesehen werden, wenn der Vorwegabzug zu einem unbilligen Ergebnis führt wie z.B. bei der Berücksichtigung nicht gemeinsamer minderjähriger Kinder. Beispielrechnung 1: 19 jähriger Schüler, keine eigenen Einkünfte, lebt bei der Mutter Nettoeinkommen beider Elternteile Vater 2100 Euro Mutter 1950 Euro zusammen 4050 Euro nach der Düsseldorfer Tabelle wäre ein Unterhalt von 637,- Euro zu zahlen, abzüglich 154,- Euro Kindergeld = 483,- Euro. Von dem Nettoeinkommen der Eltern den Selbstbehalt abziehen Vater 2100 Euro - 890 Euro = 1210 Euro Mutter 1950 Euro - 890 Euro = 1060 Euro zusammengerechnet ergibt sich 2270 Euro. Die Eltern haften also für den Unterhalt i.H.v. 483,- Euro im Verhältnis Vater 1210,-Euro zur Mutter 1060,- Euro. der Vater zahlt 1210 : 2270 x 483,- Euro = 257,46 Euro, die Mutter zahlt 1060 : 2270 x 483,- Euro = 225,54Euro. Beispielrechnung 2: 20 Jahre Auszubildender, Ausbildungsvergütung 400,- Euro Netto 17 Jahre, Schülerin, beide Kinder leben bei der Mutter Vater wieder verheiratet, zwei weitere Kinder 8 und 5 Jahre altEhefrau, die nicht berufstätig ist. Nettoeinkommen: Vater 1900,- Euro Mutter 1650,- Euro zusammen 3550,- Euro. Nach DüsseldorferTabelle hätte der Auszubildende einen Bedarf von 570,- Euro hiervon ist der Ausbildungsbetrag nach Abzug einer sogenannten Ausbildungsmehrbedarfspauschale von 90 Euro abzuziehen* und das Kindergeld welches an ihn auszuzahlen ist. Bedarf nach DT 570,- Euro Bereinigte Ausbildungsvergüttung (400-90) - 310,- Euro Kindergeld - 154,- Euro Verbleibender Bedarf 106,- Euro Haftungsquote: Beim Vater werden zunächst die vorrangig Berechtigten berücksichtigt. Laut Einkommen wäre das Stufe 4 der DT, da er aber für insgesamt 5 Personen unterhaltspflichtig ist, gilt die Stufe 2 der DT zwei Stuffen runter. Es ergibt sich zunächst folgender Bedarf: 17 Jahre = 312,- 8 Jahre = 265,- 5 Jahre = 219,- Frau = 800,- ergibt einen Gesamtbedarf von 1596,-. 1900,- Euro - 1596,- Euro = 304,- Euro, damit verbleiben ihm weniger als der Selbstbehalt, d.h. schon bei den vorrangig Berechtigten muss eine Mangelberechnung durchgeführt werden, somit ist der Vater für den Auszubildenden nicht leistungsfähig. Mutter 1650,- Euro - 1100,- Euro (SB) = 550,- Euro Da Mutter leistungsfähig ist, hat sie den KU in voller Höhe zu erbringen. Anzurechnen ist • Der Unterhalt enthält keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, diese müssen die Eltern zusätzlich zahlen oder das Kind bei sich mitversichern. • BAföG-Leistungen mindern im allgemeinen auch dann die Bedürftigkeit des Kindes, wenn sie lediglich darlehensweise gewährt werden (BGH, FamRZ 1985,916) • Hat er eigenes, in der Regel durch Verwandte angespartes Vermögen, so hat er dieses Vermögen vorrangig zur Deckung seines Lebensbedarf einzusetzen ( § 1602 Abs. 2 BGB) • Wehr- und Ersatzdienst: Leistet das volljährige Kinder seinen Wehr- oder Ersatzdienst ab, besteht in dieser Zeit in der Regel kein Unterhaltsanspruch. Unterhaltstitel Ist der Unterhaltsanspruch für ein minderjähriges Kind tituliert, so sind die Änderungen, die sich aus dem Erreichen der Volljährigkeit ergeben, im Wege der Abänderungsklage geltend zu machen. Das gleiche gilt, wenn der Unterhaltsschuldner sich auf eine Beschränkung oder einen Wegfall der Unterhaltsverpflichtung nach § 1611 BGB beruft. In solchen Fällen kann der Kläger von der Vollstreckungsgegenklage zur Abänderungsklage übergehen. Urteil Es ist zwar anerkannt, daß Jugendamtsurkunden nach § 49 JWG unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Titulierung für den Zeitraum nach Eintritt der Volljährigkeit beinhalten können (vgl. LG Kleve, FamRZ 1991, 357; OLG Zweibrücken FamRZ 1992, 840, Jans/Happe, JWG, Kommentar, Stand August 1988, Erläuterung zu § 49, Anm. V 3. C). Ergibt sich aber aus der Urkunde durch genaue Datumsangaben eindeutig und zweifelsfrei, daß eine zeitliche Beschränkung auf den Zeitraum bis zur Volljährigkeit gewollt ist, wird der anerkannte Unterhaltsbetrag ausdrücklich als Regelunterhalt im Sinne des § 1615 f BGB bezeichnet und entspricht er der Höhe nach dem Regelunterhalt, dann ist von einer zeitlich befristeten Geltung des Unterhaltstitels auszugehen. OLG Ffm vom 28.06.1999 unter Az. 3 WF 149/99 Kindergeld Anspruch auf Kindergeld besteht auch über das 18. Lebensjahr hinaus. Wenn sich das Kind in der Ausbildung befindet und sein Jahreseinkommen die Summe von 7.188 Euro nicht überschreitet, wird bis zum 27. Lebensjahr Unterhalt gezahlt; in Einzelfällen auch länger. Das Kindergeld wird auf die Unterhaltssumme angerechnet. § 1612 b, 1612 c BGB Auszahlung an Kinder, andere Personen oder Behörden Wenn der Berechtigte seinem Kind, trotz bestehender Verpflichtung (Unterhaltstitel o.ä.),nachhaltig keinen Unterhalt leistet bzw. nur unregelmäßig, kann die Familienkasse das auf dieses Kind entfallende Kindergeld auf Verlangen an das (volljährige) Kind selbst oder an diejenige Person oder Behörde auszahlen (abzweigen), die dem Kind tatsächlich Unterhalt laufend gewährt. Das Kindergeld kann auch dann abgezweigt werden, wenn der Berechtigte seiner Unterhaltspflicht mit einem geringeren Betrag als dem anteiligen Kindergeld nachkommt. Eine Abzweigung ist außerdem möglich, wenn wegen fehlender Leistungsfähigkeit dem Kind kein Unterhalt gezahlt werden kann. Der Berechtigte erhält vor der Abzweigung seines Kindergeldes Gelegenheit, sich zu dem Auszahlungsantrag zu äußern. Rangprobleme zwischen Unterhaltsberechtigten Bei einer Mehrzahl von Unterhaltsberechtigten stellt sich die Frage: Wer hat die größeren, die besseren, die stärkeren oder die älteren Rechte? Minderjährige Kinder - gleich aus der wievielten Ehe - sind einander gleichberechtigt, § 1603 II BGB. Das gilt nach dem Gesetz nicht, wenn die minderjährigen Kinder schon verheiratet sind (denn diese haben dann ja Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehepartner). Auf der anderen Seite gilt diese Regelung auch für priviligierte volljährige Kinder und Ehefrauen. Minderjährige Kinder, geschiedene Ehefrau und die neue Ehefrau sind grundsätzlich den volljährigen (nicht priviligierten) Kindern vorrangig. Kann der Unterhalt verwirkt werden? Das volljährige Kind kann den Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise verlieren, wenn es während der Volljährigkeit insbesonders: seine Bedürftigkeit aufgrund sittlichen Verschuldens herbeiführt, (§ 1611 Abs. 1 BGB) die Eltern tätlich angreift, sie grob beleidigt oder schwer bedroht, die Unterhaltspflicht gegenüber den Eltern schwer vernachlässigt hat. Keine Verwirkungsgründe allein sind die Verweigerung des Kontakts zu den Eltern oder Spannungen. Das volljährige Kind ist verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, kommt es dieser Arbeitspflicht aber nicht nach, so entfällt sein Unterhaltsanspruch ebenfalls. Die Rechtsprechung ist umfangreich, einzelne Oberlandesgerichte vertreten im Einzelfall abweichende Auffassungen! Gruß, NB

von Nicola Bader, Rechtsanwältin am 06.07.2006