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Wissenschaftliche Quellen zu Sprachmix

Thema: Wissenschaftliche Quellen zu Sprachmix

Hallo zusammen, mein Mann ist aus Indien und ich konnte ihn bislang nicht überzeugen nur eine Sprache mit unserem Kleinem zu sprechen. Da wir untereinander Englisch sprechen und er derzeit Deutsch lernt, was er alltagstauglich spricht, redet er mit dem Kleinen mal in Englisch, mal in Deutsch und mal in Hindi. Er ist der Auffassung dass man alles mischen darf da in Indien auch viele Sprachen nebeneinander gesprochen werden. Ich habe nun die Befürchtung dass sich bei dem Kleinen eine Sprachverwirrung einstellt. Kann mir jemand wissenschaftliche Quellen nennen, die besagen dass man nur eine Sprache sprechen soll und auch Quellen, die negative Folgen von einem Sprachmix nachwiesen ? Danke schonmal

von Marishka am 06.08.2019, 21:19



Antwort auf Beitrag von Marishka

Hej! ioch würde da gar nicht weit suchen, sondern ihm verdeutlichen, daß jede Sprache Zeit braucht. Je mehr Sprache ein Kidn (auf enmal) lernen soll, umso mehr verringert sich der Zeitfaktor für jede Sprache. D.h. Je mehr Zeit er der Sprache quasi wegnimmt, die nur ER Eurem Kind mitgeben kann, nämich Hindi, umso schlechter wird Euer Kind Hindi lernen (können). Das muß ihm doch enleuchten! Dazu kommt, daß sen deutsch ja nun nichts ist, was er wirklich weitergeben kann, wenn er es selbst gerade erst lernt. Für Deutsch sind die Deutschen zuständig - Du als Mutter mit Deutsch als Muttersprache und alle um Euch herum, die Deutsch sprechen. Englisch schnappt Euer Kind auf, wenn Ihr untereinander als Familiensprache Englisch habt, zudem lernen alle es früh in der Schule und sind ja eigentlich auch von Englisch dauernd umgeben (Lieder, Internet etc.) Aber Hindi??? Dafür ist nur ER zuständig, nur er, denn es gibt keinen anderen!!! Diese Aufgabe sollte er ernst(er) nehmen!!! Pack ihn bei der Ehre! Dazu kommt eben, daß Eltern die Sprache mit ihren Kindern sprechen sollten, die die sog. "Herzenspsrache" ist - und das wird kaum eine Fremdsprache wie Deutsch sein für Deinen Mann. Das verbessert nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern auch die Beziehung zwischen Kind und Eltern,denn in einer Fremdsprache kommt manches verkehrt oder gar nicht so rüber, als/wie man es von Herzen gemeint hat. Mischen prinzipiell ist nicht schädlich, solange es nicht im selben Satz geschieht - also 3 Sprachen in 1 Satz sind Murks, So lernt Dein Mann ja auch kein Deutsch, oder? Hingegen dürfen Eltern durchaus wechseln - auch Du wechselst ja zu Englisch, wenn Ihr miteinander redet, zu Deutsch, wenn Ihr unterwegs seid. Das schadet nichts. Aber der Zeitfaktor ist eben wichtig. Wir haben mal, ich erzähle es manchmal noch, an einer Untersuchung für mehrsprachige Eltern mitgemacht und soltlen anschließend einen Flyer für neugebackene bilinguale Eltern erstellen helfen. Meine wichtigsten "Prinzipien" waren damals ( zu meinem eigenen Erstaunen) kene wissenschaftlichen, sondern der Zeitfaktor - und den kann ich jezt als Deutschlehrer inzwischen auch für Fremdsprachen so unterstreichen! - und die Selbstverständlichkeit, die Authenzität bei den Sprachen. Und nirgends ist Dein Mann authentischer, nirgends ist er mehr er selbst, nirgends kann er mehr selbstverständlich reden als in seiner ureigensten Sprache. Wenn das keine Argumente sind... Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 06.08.2019, 22:14



Antwort auf Beitrag von Marishka

Da antworte ich mal mit Schopenhauer: "Wissenschaft ist Irrtum auf dem neuesten Stand." Nur weil Du irgendeinen Aufsatz findest mit einer These, empirischen Untersuchung und Ergebnis, ist es noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss. Selbst wenn es ein Review in der allerrenommiertesten Zeitschrift ist, das die Ergebnisse der letzten fünf Jahre zusammenfasst. Es ist einfach nur das Ergebnis der Arbeit von ein paar Leuten, das zur Diskussion veröffentlicht wurde. Und gerade bei so Themen, wo es um Psychologie, Biologie, Entwicklung von Organismen geht - und letztlich geht es Dir bei "schädlich" ja darum, ist das besonders schwierig. Man hat nie genug Probanden, um statistisch verwertbare ERgebnisse zu bekommen. Es gibt IMMER versteckte Störfaktoren, die das Ergebnis (mit-)beeinflussen. Deswegen wird ja weiter diskutiert . Jemand anderes findet später zusätzliche Erkenntnisse. und die bringen alle idealerweise weiter. Ein Beispiel aus den 70ern. In Kanada wurde von Wissenscchaftlern festgestellt, dass zweisprachigkeit den Kinder schadet. Die französischsprachigen Kinder waren alle schlechter in Englisch und in anderen Fächern. Später wurde diese These widerlegt, die Forscher hatten eine ganze REihe Faktoren nicht beachtet, welche letztlich für die schlechteren Ergebnisse der bilingualen Kinder stärker verantwortlich waren, als die zweisprachigkeit selber. ich habe die Details nicht mehr im Kopf, ist auch unwichtig. Was ich sagen will: in diesem Fall würde ich Deinem Mann durchaus Recht geben: er hat eine Spracherfahrung, die uns total fremd ist - in Indien herrscht eine Mehrsprachigkeit, wie wir sie überhaupt nicht kennen. Millionen Menschen sind so aufgewachsen und wachsen so auf. Wie dort die Kommunikation mit den Kindern funktioniert ist überhaupt nicht untersucht (meines Wissens)! Mein Vorschlag: Entspann Dich und vertrau Euch allen dreien. Du sprichst konsequent deutsch. Dein Kind lernt nach der hier bewährten Methode "Eine Person - eine Sprache" deutsch und hat damit eine solide Sprache "sicher". Dein Mann spricht - authentisch - nach seiner Intuition mit dem Kind, wie er sich fühlt. Es ist die ihm bekannte "Methode". Euer Kind WIRD mischen. Aber das machen alle mehrsprachigen Kinder, egal welche "Methode". Vielleicht wird es nicht so gut Hindi sprechen, vielleicht kein perfektes Englisch. Das macht nichts, es kann auch später noch vervollkommnen. Der Grundstock ist da! Und Euer Kind wird das schon meistern. Kinder sind perfekt im Sprachenlernen, aus dem Salat um sie herum picken sie sich raus, was sie gerade brauchen. Lass ihm die Zeit - bis zur Schule ist es weit. und bis dahin wird es seine sprachkenntnisse für sich so geordnet haben, dass es in seinem Umfeld prima zurecht kommt. Vielleicht nicht ganz so, wie Du es Dir vorstellst. Aber darauf darfst Du ruhig etwas neugierig sein, das ist spannend. In einem liebevollen Umfeld, wo miteinander gesprochen wird, kann nichts schaden :-) Also es droht keine "Deformation des Gehirns" in dem Sinne, da bin ich mir sicher. Später kannst Du Deinem Kind dann vermitteln, dass jede Sprache eine Bereicherung ist, um seinen positiven Bezug dazu zu stärken... Je länger ich mich mit dem Thema beschäftige, umso klarer wird mir eins: es sind nicht die Sprachen das Problem bei der mehrsprachigen Kindheit. Probleme bereiten nur die sozialen Konflikte, die emotionalen Stressfaktoren, die dabei eventuell entstehen. Vertrau also auf Eure sozialen Kompetenzen, auf den gesunden Menschenverstand und geh natürlich und offen mit solchen Konflikten um. Keine Dogmen und Doktrinen, keine Grabenkämpfe. Die schaden viel mehr als Sprachensalat :-)

von Kacenka am 08.08.2019, 07:47



Antwort auf Beitrag von Kacenka

Hej nochmal! Toller Beitrag, Kacenka, und auch wenn es anders aussehen mag, bin ich durchaus einig mit Dir, zumal ich ja auch denke: Mischen per se ist nicht schädlich oder verwirrend, Kinder kommen mit viel klar. Und wenn Zeit der eine meiner wichtigen Faktoren ist, so ist eben Authenzität , Selbstverständlichkeit in der (mehrsprachigen) Erziehung die andere. Nicht nur je mehr = öfter das Kind Gelegenheit zum Üben einer Sprache bekommt, sondern auch je selbstverständlicher die Anwendung verschiedener Sprachen in der Familie praktiziert wird (eben als Muttersprache und nicht als Übungsfach, wo man Prinzipien und Regeln aufstellt und befolgt...), umso leichter geht es. Daher kann ich Deinen Rat absolut unterschreiben: Der Vater hat sicher Recht, wenn er an sein Heimatland denkt. Trotzdem kann ein Hinweis auf den Zeitfaktor ja nicht schaden, denn Hindu lernt das Kind wirklich nur von ihm , gerade Englisch ist ja überall präsent. Und daß er für Deutsch noch lange nicht zuständig sein sollte, liegt auf der Hand, wenn er es selbst erst lernt und rudimentär beherrscht, so daß Ihr Englisch miteinander kommunizieren müßt, um klarzukommen. Zudem ist Deutsch Umgebungssprache, da werdet Ihr heftig gegensteuern müssen, je größer das Kind wird - gleichzeitig wird gerade der Zeitfaktor dann immer kleiner, weil deutsche Freunde zu Besuch kommen und Euer Kind viel außer Haus spielt/agiert. Von daher macht es in meinen Augen weiterhin durchaus Sinn, gerade die Sprache zu prioritieren,. für die es eben nur 1 Vermittler weit und breit gibt: Deinen Mann. Erzähl doch mal später, wie es so läuft! Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 08.08.2019, 10:38



Antwort auf Beitrag von DK-Ursel

War auch nicht gegen Deine Argumentation gerichtet, denn Du weisst, ich seh es eigentlich genauso. Wollte eher einen Akzent gegen die Überhöhung der Wissenschaft setzen und ein bisschen für die interkulturelle Toleranz werben. Aber wenn sich jemand in einen Inder verlieben kann, ist das vielleicht auch "Eulen nach Athen tragen", zugegeben... Fakt ist, Südasien ist sprachenmäßig total spannend, auch viele Regionen von Afrika. Unsere abendländische Wissenschaft ist aber eben in vielem ziemlich eurozentristisch :))

von Kacenka am 08.08.2019, 14:53



Antwort auf Beitrag von Kacenka

Habe ich auch nicht so verstanden, alles gut! Ich stimme Dir ja zu - und ich finde Aspekt, den Du hineinbringst - daß der Mann eben ganz andere Erfahrungen als wir hat - ja auch spannend. (Ich saß übrigens beim Familientreffen in einem absolut internationalen Vierkleeblatt angeheirateter Frauen, wo ich natürlichdie "Normalste", Langweiligste war --- die eine Cousinfamilie meines Manens lebt nach einer Odyssee quer über die Landkarte von Japan bis ... nun in der Schweiz, wo die Kinder 4 Sprachen jonglieren - ohne größere Probleme bislang...Allerdings sind die Sprachen natürlich irgendwie zugeordnet: Dänisch zuhause, Schweizerdeutsch draußen, Deutsch in der Schule etc.) Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 08.08.2019, 16:03



Antwort auf Beitrag von DK-Ursel

Ha, das klingt super, wir werden immer mehr und bald ist die Einsprachigkeit ganz ausgerottet :-) dann haben wir auch endlich genug Probanden um alle unsere Erfahrungen wissenscchaftlich zu belegen!! :-)

von Kacenka am 08.08.2019, 17:00



Antwort auf Beitrag von Kacenka

Nee, dann müssen die Einsprachigen belegen, daß sich (auch) normal sind...und nicht stottern, später/früher sprechen, komisch sprechen, manche Laute (noch) nicht aussprechen können, nur weil sie ensprachig sind, sondern daß das eben stinkenormal von Mensch zu Mensch verschieden ist! An dem Tisch mit Angeheirateten konnten wir kaum abzählen, wieviele Nationane da vereint waren, nicht nur als Staatsbürgerschaften, sondern auch, wo die einzelnen gelebt hatten und jetzt lebten und mit wem... Wir mußten uns dan nauch Englisch eniigen als gemeinsame Sprache - jeder,der sich zu uns setzen wollte, bekam zuerst entgegengeschleudert. "English spoken!", was für Dänen ja keinProblem ist, insofern wurde keiner desTischs verwiesen

von DK-Ursel am 08.08.2019, 18:05



Antwort auf Beitrag von DK-Ursel

stimmt auch wieder. naja und die Normalität ist eben auch so eine relative Sache. In Indien ist Einsprachigkeit bestimmt nicht normal :-) das hört sich spannend an. und nett. K

von Kacenka am 09.08.2019, 07:22



Antwort auf Beitrag von Kacenka

Vielen Dank Euch beiden für die tollen Beiträge :) Ich sehe das Ganze jetzt etwas gelassener und werde es laufen lassen wie es sich für uns am natürlichsten anfühlt.

von Marishka am 10.08.2019, 20:32



Antwort auf Beitrag von Marishka

Hej Marishka! Das ist bestimmt der beste Weg! Erzähl doch bei Gelegenheit, wie sich alles entwickelt... Gruß Ursel, DK

von DK-Ursel am 10.08.2019, 21:14