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Geschrieben von Joaninha am 27.05.2019, 16:06 Uhr

Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Hallo,

auf den Post unten hin zu den Migrant mamas habe ich mir die Webseite zum Buch einmal angesehen. Die "Migrant kids" sagen ja, dass sie ihre Situation, also das Hin- und Hergerissen-Sein zwischen zwei Kulturen, lange Zeit nicht wirklich zu schätzen wussten und ihre Mütter, die migrant mamas, entsprechend eher uncool bis peinlich fanden. Sehr interessant und eigentlich erwartbar, obwohl ich natürlich heimlich gehofft habe, für meine Tochter ein Leben lang die Coolness-Queen zu sein ;)

Wie ist es bei Euch, wie stehen Eure Kinder zur Bikulturalität?

Mein eigenes Kind ist knapp vier und merkt erst jetzt langsam, dass es "anders" ist als die anderen. Sie schätzt es also weder besonders noch findet sie es besonders unangenehm, es ist einfach normaler Alltag für sie. Ich denke aber, das wird sich in der Grundschule, spätestens in der Pubertät ändern. Interessant finde ich, dass ihre beste Freundin auch den bikulturellen Hintergrund hat. Ob sich da doch schon ein elementares Bewusstsein herausbildet, dass sie quasi gemeinsam anders sind als die anderen? Na ja, reine Spekulation...

 
18 Antworten:

Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von DK-Ursel am 27.05.2019, 17:04 Uhr

Hej!

Interessante Frage, aber ichd frage mich dazu gerade, inwieweit sie sich Kindern wirklich stellt?
setzt man wirklich ein Fragezeichen an sowas, außer, es kommt jemand und fragt dezidiert danach?
Oder ist die eigene Familie nicht einfach das,was man nun mal hat - und die ist eben,wie sie ist.


ich glaube, meine Große hat es gelassen genommen. Sie ist natürlich deutlich dänischer als deutsch geprägt, dennoch ist sich eines gewissen UNterschieds bewußt , allerdings steltl sie mich dann auch manchmal in die "deutsche Ecke" und grenzt sich da "dänisch" von mir ab ("Ihr Deutschen...").
Sie ist aber eh ein gewisser Außenseitertyp (aus Überzeugung, wenn es sowas gibt ) , so daß sie dieses zusätzliche Anderssein weniger belastet hat, glaube ich.
Die Jüngste hat eine Zeit gehabt, wo sie deutlich so sein wollte "wie die anderen" und ich als deutsche Mutter dann noch der letzte Punkt auf einem I war, das sowieso schon Anderssein, Individualität etc. betonte.
Sie hat aber auch ein gewisses Päckchen zu tragen, das sie anders als andere macht, und das durchaus auch ein gewisses "Leidenpotential" beinhaltet, so daß ich verstehe, daß wenigstens der Rest "gleich" sein soltle, enifach, angepaßt.
Heute denke ich, sie leben beide recht gut damit, daß ihre Mutter Deutsche ist und nicht danach strebt, eine Neu-Dänin zu sein.

Letztendlich ist es ja auch eine Frage, wieviel die Nicht-Umgebungskultur wirklich ins Familienleben reinspielt, wahrgenommen wird - von den eigenen, aber auch Besucherkindern etc.
Wie man selber dazu steht - ob man beide als positiv empfindet oder sich bewußt auf die Seite von nur 1 schlägt, ob man versucht,s ien Kind stark von der Umgebungskultur zu wegzuerziehen oder ob man nicht her versucht, integriert und doch "anders" zu leben und beide Kulturen zu vereinen.
Ich renne ja nicht täglich mit der deutschen Keule herum, predige deutsche Kulztur (ja, was soltle ich da auch predigen?) und mache darauf aufmerksam, daß wir "anders" sind.
Das Bewußtsein kan nauch davon abhängen, wieviel derart "andere" man in seinem Umgangskreis hat...
Ich denke nämlich, in ihrer Wahrnehmung fühlen sich meine beiden sehr dänisch und unterscheiden sich auch kaum von ihren Freundinnen,außer eben durch bessere Sprachkenntnisse und einen gewissen deutschen Horizont.
Da prallen in Menschen, die wie wir die eine Kultur lange einseitig-allein mit sich herumgetragen haben, ihr ihr aufwuchsen. von ihr geprägt wurden, und die sich dann an die andere anpassen mußten, sicher ganz anders Konflikte aufeinander, die wir den Kindern ja im Prinzip ersparen, indem wir versuchen, beide Kulturen und deren Eigenarten in einem Familien zu vereinen.

Und:
Letztendlich ist jede Familie doch irgendwie anders als die Nachbarfamilie - die einen haben mehr kinder, die anderen Stiefeltern, die nächsten nur eine mutter/einen Vater u msich, die nächsten sehr junge/sehr alte Eltern und undund...
Dafür den Blick schärfen, indem man eben das Anderssein als normal erlebt, ist doch auch eine Art, den Fokus nicht (nur) auf dem Ausländersein zu halten!

Also - ich denke, kein wirkliches Problem bei uns.

Gruß Ursel, DK

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Joaninha am 28.05.2019, 8:57 Uhr

Den Gedanken, dass sich der eigentliche "Kulturkonflikt" in uns abspielt und nicht in den Kindern, finde ich sehr schön. Ich finde es manchmal doch ziemlich anstrengend, in einer "anderen Welt" zu leben. Da wäre meine Hoffnung schon, dass es meiner Tochter einmal anders ergeht. Ja, stimmt, meine Tochter wird "den" Spaniern später einmal ein anderes Verständnis entgegenbringen können als ich.

Was Deine jüngere Tochter betrifft, weiß ich, was Du meinst - meine Tochter hat auch ein Zusatzpäckchen zu tragen und man würde sich schon manchmal etwas weniger "Gesamt-Anderssein" wünschen. Aber da es die Möglichkeit nicht gibt, kann ich nur hoffen, dass sie vom Typ her eher wie Deine Große wird, eine überzeugte Individualistin.

Die Idee, dass man Kinder auch "wegerziehen" kann von der Umgebungskultur finde ich auf jeden Fall nachdenkenswert. Ich versuche, meinem Kind die Möglichkeit zu geben, beide Kulturen kennen und schätzen zu lernen, aber dennoch ist sie im Moment deutlich mehr in der deutschen Kultur verwurzelt als in der spanischen. Auf Anhieb würde ich meinen, dass ich sie nicht wegerziehe, sondern dass eher die äußeren Umstände dazu geführt haben. Aber nachdenkenswert ist das auf jeden Fall.

Danke für Deine Antwort, es war sehr anregend, sie zu lesen :)

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von DK-Ursel am 28.05.2019, 10:27 Uhr

Naja, Deine Kleine ist eben auch noch sehr klein.
Meine Große hat mit ca. 3 mal behauptet, sie könne ein klitzekleines bißchen besser Deutsch als Dänisch.
Da sie noch nicht viel mit anderen Kindern und anderen Dänen zusammen war und ich eben viel mit ihr, habe ich das auch so gesehen und auch gespürt; es war auch mehr ein Gefühl,denn sie sprach altersgemäß - d.h.als kleine Qasselstrippe eher besser als ihre ensprachigen Kameraden - beide Sprachen gleich gut.
Mein Mann war entrüstet: das stimme nicht
War ja auch nicht zu beweisen.
.
Das hat sich dann durchaus auch geändert, als sie in den KIGA kam und den ganzen Tag mehr Dänisch als Deutsch hörte - an der Qualität der dt. Sprache hat sich nichts geändert, aber eben an ihrem Kulturverständnis, denn letztendlich lebe ich ja nicht NUR deutsch zuhause. ich koche auch dänische Sachen (so es die so dezidiert überhaupt unterschiedlich gibt), ich spreche auch mal Dänisch (jedoch weniger zu den Kindern), ich diskutiere dänische Vorkommnisse in Gesellschaft, Politik etc. mit ihnen - also, wir leben ja nicht in einer deutschen Dunsthaube.
Uns fiel dann aber oft auch erst im Kontrast zu den anderen auf, daß da was anders bei uns läuft --- eigentlich hat mich erst unsere Pastorin in einer bestimmten Situation darauf aufmerksam gemacht,daß wir ja immer wieder versuchen (müßten), 2 Kulturen unter einem dach zu leben.
Die hatte da mehr drüber nachgedacht als wir .

Nochmal zu dem Unterschied - wir-unsere Kinder:

ich habe vor kurzem Anna Loos, die (ost-)deutsche Schauspielerin und Sängerin, in einer Talkshow gehört, und als sie sagte, daß sie den Unterschied Ost-West doch noch öfter spüre und früher natürlich noch mehr, ihren Kindern aber gar nicht mehr bewußt sei, daß es da mal 2 Deutschlands mit völlig unterschiedlich Systemen gegeben hat, dachte ich:
So ist es doch auch bei uns.
WIR kommen aus dem einem, dem anderen Land und leben nun im neuen - wie ein DDR-Bürger sich eben in die westliche BRD einfügen mußte.
Und WIR merken den Unterschied natürlich immer wieder - es ist absoluter Blödsinn zu erwarten, daß die Bürger, die dort aufgewachsen sind, das alles plötzlich auf die andere Seite drehen (können)!
Ich bin ja auch keine Dänin, nur weil ich so lange hier lebe.
Mir ist immer noch manches fremd, mir ist immer noch manches in Dtld. und der Denkart dort vertrauter.
Aber unsere Kinder kennen letztendlich Dtld. auch nur als - ausgedehnteres - Ferienland, die wachsen in 1 Land auf, sofern wir nicht Expats sind und viel umziehen.
Die haben ihren Mittelpunkt hier so wie wir das in unserer Kindheit, Jugend, jungen Erwachsenjahren in Dtld. hatten.
DEN Konflikt mit 2 Kulturen haben sie nicht so bewußt täglich.

Ich kann mir allerdigs vorstellen,d aß es Menschen,auch Kindern, mit einem nicht so westlichen Hintergrund noch einmal andersgeht. Nicht nur der Integrationprozeß der Ersteinwanderer ist ein anderer, auch die 2. Generation hat da sicher andere "Probleme" oder Konflikte.

Gruß Ursel, DK

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Nachtrag

Antwort von DK-Ursel am 28.05.2019, 10:39 Uhr

Ich denke gerade, wir kommunizieren den Unterschied ja auch nicht täglich.
Eebnso selbstverstäündlich ,wie ichDeutsch spreche, dänische koche itdeutschen Sachen,wennwir gerade was importieren konnte, ebenso selbstverstäündlich wie ich Weihnachtenaus einer mIschung deutsch-dänisch feiere, ohne dies viel zu kommentieren, ebenso wenig spreche ich auch ansonsten täglich - und schon gar nciht mit meinen Kindern, darüber, wo nun die landesüblichen, kulturellen Unterschiede gibt.

Die gibt es, und seit vor allem meine Große sich für Politik u.a. interessiert, haben wir das auch schon mal diskutiert, aber es ist ja nicht so, daß ich irgendwas "deutsch" gemacht habe und dabei betonte: Das machen jetztd ieanderen nicht, aber bei uns wird das so gemacht, weil ich aus Dtld. bin.

Viele Dinge esind eben bei uns durchaus anders, weil ich aus Dtld. bin und von dort aus viel "mitgebracht" und weitergeführt habe,aber das Anderssein, das sich daraus ergibt, liebt bei anderen vielleicht daran, daß sie vom Land in die Stadt gezogen sind und von da aus, obwohlaus 1 Land (DK)stammend) einiges anders machen, eine andere Beziehung zu Tieren haben z.B.
Oder sie sind unterscheiden sich von uns, weil - wie ich ja schon schrieb - die Eltern jünger sind oder eben nicht so kulturell,sondern sportlich interssiert oder ...
Jede Familie ist eh anders, darauf habe ich dann eher hingewiesen als es generell nur auf unsere 2 Kulturen zu schieben.

Hier war immer wichtig - (vielleicht vor allem vor etlichen Jahren noch mehr als heute), daß Anderssein absolut in Ordnung ist. daß Individualismus eben kein Nachteil, kein Egoismus, kein Fehler ist. (Und DAS ist eine dt. Ansicht,denke ich. ) Daß man so sein darf, wie man ist - und alle anderen eben auch.
Und daß alle anders sind als wir, weil wir alle einzigartig sind - dafür dann gibt es eben viele Gründe.
Ichg laube, wenn man damit eher selbstverständlich bis positiv umgeht, merken Kinder den Konflikt noch weniger, den ich durchaus manchmal spüre.
Und wenn man eben nicht bewußt gegen die neue Kultur lebt, sondern das, was man kann und begrüßt, auch aktiv i nden eigenen Alltag einbaut, dann merken die kinder auch nicht so sehr einen Konflikt als vielmehr eine Bereicheurng - ohne darüber dauernd nachzudenken.

Kurz gesagt.
ich glaube, WIR Einwanderer merken den Konflikt mehr als die Kinder,die ja hier ihren festen Angelpunkt haben und nichts anderes wirklich verinnerlichen.
Und zweitens glaube ich, daß es unser Vorbild ist, wie wir mit unserer neuen Heimat umgehen, das dazu führt, ob unsere Kinder die 2 Kultur annehmen, sie als Bereicherung empfinden oder darunter leiden.
Und dabei kann ich durchaus auch Kritik an der neuen Kultur üben, menie eigene mal prioritieren und eben nicht assimiliert sein: Aber ich kan nja trotzdem zeigen, vorleben, daß ich vieles hier gut - ja sogar besserals in Dtld. finde, anderes dann wieder nicht, daß ich gern hier bin und mich nicht vor Sehnsucht nach Dtld. verzehre und daß Anderssein okay ist und nicht versteckt werden muß.
Die Frage ist ja auch: Muß ich das thematisieren - oder ist es nicht genug, vorzumachen, wie man in 2 Kulturen lebt?
Wenn man selber das trotz eigener Konflikte kann, denken Kinder nicht nur weniger darüber nach - sie lernen auch, wie es geht.

Gruß Ursel, DK

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Joaninha am 29.05.2019, 10:27 Uhr

Ja, Du hast sicher recht, dass die Kinder Konflikte nicht mehr so deutlich erleben werden wie wir.

Ich selbst merke schon immer wieder, dass ich hier an meine Grenzen komme. Wir haben gerade jetzt aktuell einen richtig heftigen Konflikt mit der Leitung des KiGa. Wir haben für unsere Tochter ein ärztliches Attest, das in bestimmten Zusammenhängen auch für den KiGa relevant ist, doch der Direktor, der die Notwendigkeit des Attests nicht einsah, verkündete quasi ex cathedra, der KiGa könne dieses Attest nicht erfüllen. Ich dürfe das Kind für die Dauer des Attests aber auch nicht aus dem KiGa nehmen.

Für mich eine Ungeheuerlichkeit. Genauso, wie es für ihn vermutlich eine Ungeheuerlichkeit war, dass jemand sein Urteil in Zweifel zieht. Am Ende entschied das Schulamt zu unseren Gunsten, aber unser "Sieg" hat den Beigeschmack, dass alle Beteiligten, insbesondere meine Tochter, nun unter der angespannten Situation leiden.

Ich lese die ganze Sache schon als Kulturkonflikt. Mir wurde da sehr deutlich bewusst, wie sehr ich eigentlich in meiner deutschen "Denke" befangen bin: Individualistisch und von Moralvorstellungen geprägt, die es mir einfach verbieten, mein Kind in einem KiGa zu lassen, wenn ich genau weiß, dass dort die Anweisungen der Ärzte übergangen werden. Ich stehe hinter meinen Entscheidungen, ich würde auch nie anders entscheiden. Aber: Ich sehe auch, dass die korrektere Formulierung an dieser Stelle wäre: "Ich würde nie anders entscheiden *können*". Ich kann es nicht, so jedenfalls meine Lesart, weil ich viel zu stark auf meine Kultur geprägt bin. Und ich sehe auch, dass es dann einfach kulturell an dieser Stelle nicht passt und vermutlich nie passen wird. Ich wäre wirklich froh, wenn meine Tochter in dieser Hinsicht andere Kompetenzen entwickeln würde, denn sonst würde sie sich hier nicht zu Hause fühlen können, daran habe ich keinen Zweifel.

Ansonsten, ja, der kulturelle Unterschied ist sicher gravierender, wenn man aus nicht-westlichen Ländern kommt. Ein Vorteil ist es sicherlich auch, wenn man, wie wir, in ein Land kommt, weil man eine bewusste Entscheidung für den Lebenspartner getroffen hat. Und nicht zuletzt ist Immigration eben nicht Immigration - jedes Land hat seine "Lieblingsimmigranten", und dass es denen besser ergeht als den anderen ist ja klar.

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von DK-Ursel am 29.05.2019, 13:05 Uhr

Hej Joanhina!

Ja, wie ich wohl bereits schrieb, habe ich auch mit dem Kopf die dänische Pädagogik bejaht - sie prägt ja auch die ganze Gesellschaft, die gerade Touristen oder andere, die nur ein "äußeres" Bild von DK haben, so mögen, ABER ich habe dann bei der praktischen Anwendung gemerkt, wie schwer mir vieles gefallen ist, weil innen drin in mir die deutsche Mutter dagegen fühlte.
Ich habe heute noch eine liebe Studienfreundin in Dtld., die nicht versteht, daß wir tun, was wir tun: In einer Situation wie unsere Tochter müßten wir doch ... und dann spricht sie aus, was ich alle die Jahre fühlte, zu machen versuchte. Was (die meisten) deutsche(n) Mütter eben tun würden.
MEIN Vorteil jetzt ist, daß ich sehe: So geht es nicht nur "auch", so geht bei es Tochter sogar besser.
Zumindest bin ich ja auch mit meiner Methode, meinen Prinzipien, meinen Versuchen nicht weit gekommen - nicht, weil nun die deutsche Pädagogik per se "verkehrt" ist, aber die Umstände waren eben so, daß wir Neues probieren mußten, und was lag eben näher als auf die dänischen Ratgeber zu hören, die mit ihrem System ja durchaus auch nicht ihre Kinder dem Untergang weihen, überhaupt nicht.

Seitdem stehe ich deutlich auch gefühlsmäßig eher hinter dem dänischen Prinzip - wenngleich auch oft noch die deutsche Mutter protestiert (der Bauch eben).
Und ich erinnere mich daran, daß ich öfter dann, wenn die Kritik kam "du solltest doch... wolltest du nicht, hör doch mal auf uns..." entgegnete:
DAS TUE ICH JA, Ihr ahnt ja gar nicht, wie oft ich mir auf die Zunge beiße, den Mund halte, mich zurückhalte etc. --- aber es reichte den Dänen dann oft immer noch nicht.

In so einen (oder ähnlichen) Konflikt kommen unsere Kinder ganz sicher nicht - die sind wie alle einsprachigen, einkulturellen Kinder ja in dieser Gesellschaft so aufgewachsen. Sie kennen es kaum anders, verinnerlicht habensie anderes sowieso nicht.
Da überschätze mal nicht den Einfluß, den wir Mütter haben - die Umgebung erzieht weitaus mehr. Zumal wir ja auch die Kulturen vermischen - ich grenze mich zumindest selten deutlich ab und betone nie, daß ich das jetzt aber sehr deutsch mache

Andere Dinge mache ich sehr bewußt anders als die Dänen, ich muß ja auch nicht ALLES toll finden, was sie machen.
Das ist ja der Vorteil bei uns: Wir können uns die Rosinen oft herauspicken - und manchmal muß man dann leider auch ein paar Kröten schlucken.

Emigration bedeutet ja noch lange nicht bewußte Imigration, ich denke, sogar bei vielen, die wie wir der Liebe folgen, ist das kein bewußter Schritt für das Land.
Da kenne ich Leute aus den 90ern, die im deutsch-dänischen Forum aufgrund der guten Touristenerfahrungen absolut nur nach DK wollten. So war das bei mir ja nie.
dennw enn mein Mann Spanier, Niederländer, Engländer wäre, wäre ich sicher dorthin - und eben nicht nach DK - gegangen. Das ist ja letztendlich dann auch ein Zufall, denn ich liebe den Mann ja auch nicht, weil er Däne ist.
So gesehen ist also auch unsere Entscheidung nicht unbedingt eine reine Entscheidung für ein Land, sondern sie folgt auf der Seitenspur mit.

Darum kann ich aber vielleicht auch anders schauen - ich bin nicht enttäuscht worden wie mancher Touristen-DK-Fan, der nur rosarote Wölkchen sah und uns, die Alteingesessen, noch bezichtigte, Miesmacher und Neider zu sein, die wohl selbst alles falsch gemacht haben (Motto: wie man in den Wald reinruft...---- als ob wir den Einheimischen gleich mit der Keule eins überbraten und deshalb manches nicht so toll fühlten, erfuhren, wie die Touristen-Dk-Liebhaber).
Genauso kann ich dann sehen, was wirklich besser ist als in Dtld. - das ist nicht immer nur dieser oberflächliche Kram, den Touristen,die ja nie das Arbeitsleben, Steuersystem,. Gesundheitssystem, Schulsystem... kennenlernen.

Mich hat erst vor kurzem an der Kasse eine andere Deutsche, die mich wohl durch das dt. Gespräch mit meiner Tochter, die dabei war, erkannte, gefragt, ob ich es nicht toll hier fände.
Und ich sagte: Ja, so toll wie anderswo auch - alles hat doch Vor- und Nachteile, nicht immer an denselben Stellen, in denselben Bereichen, aber letztendlich muß ich für mich entscheiden, ob das, was ich als Vorteil empfinde, das Leben hier so lebenswert macht, daß ich das, was ich persönlich als Nachteil empfinde, aushalte.
das gilt aber für überall.
Auch diese beiden Empfindungen - was ist Vorteil, was ist Nachteil - sind ja von Mensch zu Mensch verschieden.
Und somit auch bei unseren Kindern, sollten sie überhaupt je viele Gedanken zu dem Thema haben, verschieden.

Ich habe immer gern hier gelebt, so gern wie ni Dtld., ich denke, das merken meine Kinder ihr Leben lang, und wenn ich mich hier über etwas aufrege, weiß ich, daß es auch Aufreger in Dtld. gäbe - die lägen dann nie (?) an der Kultur, aber die gäbe es auch. Hier sind sie eben manchmal AUCH kulturell bedingt.

Ist es denn in Deinem Beispiel wirklich typisch, daß ein Institutionleiter sich derart unwidersprochen fühlen kann - oder ist der Mensc, von dem Dzu erzählst, vielleicht doch nur eine besonders ausgeprägte Version einer evtl. durchaus auch autoritätsgläubigeren Gesellschaft?
Und auch dies kann man unterschiedlich sehen:
Im Lesekreis meinte bei einem (dt.) Buch eine Dänin, ein nicht aufgeklärter Fall von staatstragender Bedeutung wie in dem dt. Buch, das auf authentischen Begebenheiten beruhte, könne hier so nicht vorkommen. Zum Glück widersprachen ihr andere.
Sie hielt uns Deutsche für autoritätsgläubig - was ich eher genau andersrum sehe: Wir kiritisieren, mecken, gehen auf die Barrikaden und hinterfragen - wir haben doch im Dritten Reich schlechte Erfahrungen genug gesammelt, wie es ist, als Lemminge einem Führer zu folgen.
Die Dänen aber - und das ist ja eigentich ein sehr sympathischer Zug - sind durchaus vertrauensvoller - in beide Richtungen:
Behörden wollen weitaus weniger Dokumentation, sie vertrauen zuerst mal. Aber auch umgekehrt traut man eben, s.o., den dänischen "Mächtigen" solche Vertuschungen, Korruption etc. nicht so zu.
Uund (hinter)fragt deshalb vielleicht auch weniger...
(Weshalb weniger rauskommt? Keine Ahnung... )

Obwohl sich das Bild, so Freunde im pädagogischen Arbeitsleben, durchaus ändert, traut man hier den Pädagogen eben durchaus Kompetenz zu, vertraut ihnen, rennt (noch) nicht wegen jedem angestrichenenFehler zur Lehrerin etc. --- andererseits gehört es zur dän. Kultur, zu reden, offenzulegen, durch Verständnis mehr zu erreichen als durch Druck und Autorität, daher ist man immer bereit, sich zu erklären und zu begründen,warum man etwas tut.
Man muß also abschätzen,was wirklich typisch für das Land / die Gesellschaft ist und was der einzelne Sturkopf veranstaltet - solche gibt es ja schließlich auch in jedem Land.

UND nicht zu vergessen: Die Gesllschaften ändern sich - überall und immer
Was vor 20, 30 jahren noch verpönt war, ist heute auch in DK nicht mehr sooo schlimm: Individualismus ist mehr und mehr "in", war zu den ersten Schulzeiten meiner Tochter keine positive Qualität --- da merkte ich dann absolut meine dt. Kultur , von der ich in diesem Punkt auch niemals abweichen wollte.

Ich sehe Konflikte, so sie wirklich kulturell bedingt auftreten, als normal an: In Dtld. hätte ich auch welche, würde auch mla über den einen oder anderen Lehrer, Rektor oder sonstwen geschimpft haben - und gehe dann eben weiter im Leben.
Und so haben mich meine Kinder ja auch erlebt: Ich habe dann auf die Person und nicht auf die Person oder Nation als Dänen geschimpft!

Puh, schon wieder viel zu lang, ist aber auch ein sehr interessantes Thema mit vielen Nebenschausplätzen und Aspekten.

Gruß Ursel, DK

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Joaninha am 30.05.2019, 12:16 Uhr

Danke, Ursel, für Deine ausführliche Antwort! Es tut unheimlich gut, zu lesen, dass man nicht die Einzige ist, die solche Probleme hat.

Ich bin ja eher in den Süden hin orientiert und habe daher gar keine klare Vorstellung vom deutschen Dänemarkbild oder der Pädagogik dort. Ich lese aber aus Deinem Post heraus, dass es eher nicht um Individualismus geht, sondern ums Kollektiv, und dass entsprechend erzogen wird? Welche Konsequenzen hat das denn konkret, kann man das irgendwie festmachen? Ich glaube, hier in Spanien ist es ähnlich. Das war wohl einer der Gründe, weshalb der Leiter unseres KiGa so empört auf das Attest reagierte. Nicht, dass es hier keine Atteste geben würde, aber unseres war ihm wohl suspekt, weil es für unser Kind etwas einforderte, was im Grunde dann jedes andere Kind auch für sich in Anspruch hätte nehmen können - also ein Präzedenzfall für weitere Individualisierungsbestrebungen ;) Man merkt es aber auch an anderen Kleinigkeiten, z.B. am obligatorischen Mittagsschlaf für alle Kinder, egal ob sie den zu Hause noch halten oder nicht. Oder daran, dass die Kindergartengruppen nach Altersstufen organisiert sind und an altersgemischte Gruppen gar nicht zu denken ist. Unser KiGa macht das gelegentlich und schreibt es sich als besondere Fortschrittlichkeit auf die Fahnen :)

Was hier glaube ich teils eher fehlt, jedenfalls im Vergleich zu dem, was Du zu Dänemark schreibst, ist die, sagen wir mal kulturelle, Regel, zu begründen, Verständnis zu wecken. Ich sage "teils" und meine damit konkret, dass in meiner bisherigen Erfahrung die Frauen dazu neigen, zu erklären, die Männer eher nicht. Das hört sich so klischeehaft an, wenn ich das jetzt schreibe, aber wenn ich die Erfahrungen der letzten vier Jahre durchgehe, dann war es mit wenigen Ausnahmen tatsächlich so.

Ob die Betonung des Kollektiven langfristig zu einer anderen, "besseren", "altruistischeren" Gesellschaft führt? Ich habe ja meine Zweifel. Mein Eindruck ist eher, dass man den Individualismus eben dann eher verdeckt weiterlebt.

Glaubst Du tatsächlich, dass die Umgebung mehr erzieht als die Eltern? Bei uns kann ich das im Moment gar nicht bestätigen. Ich erkenne im Gegenteil sehr viel von mir in meiner Tochter wieder. Das wird sich aber sicher mit zunehmendem Alter ändern.

Ansonsten, ja, der Blick auf das Land, den man hat, wenn man dort lebt, unterscheidet sich sehr von dem Blick dessen, der dort im Urlaub ist. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen. Ich war schon bevor ich hier eine Familie gründete oft in Spanien, auch für längere Aufenthalte. Aber zwischen meinem letzten Aufenthalt und meinem jetzigen Erleben liegen Welten. Und klar, der Blick wird differenzierter. Man sieht zunehmend nicht "den" Spanier, sondern eben den Einzelnen. Was ja auf jeden Fall einmal gut ist.

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von DK-Ursel am 30.05.2019, 17:29 Uhr

Hej Joaninha!

Schade,daß niemand anderes aus seinem Land und Blickwnkel mitdiskutiert, ich finde das Thema sehr spannend.

Hffentilch nicht ganz so lang wie vorher kurz zu Deinen Fragen:
Als wir hierherzogen und ich dann menie Kinder in KIGA und Schule schickte, war alles nochsehr auf dieGeminschaft ausgerichtet.
es galt noch sehr das sog. "Jantelov", in der Kurzfassung auf den nenner "glaub ja nicht, su bist wer!" gebracht.
Um mal provokant zu sagen, erzählte man sich damals, daß Auswanderer aus der ehem. DDR damals hier besser klarkamen als wir Wessis, weil die das ähnlich gewohnt waren:
Frühe "Fremdbetreuung", Gemeinschaftssinn vor Individualismus und auch eine gewisse Abschottung.
Ich vergesse niemals die Aussage der von mir an sich geschätzen älteren Pädagogin in der 0. Klasse über meine älteste Tochter:
"Sie ist Individualistin und Perfektionistin."
Beides stimmte, bis heute - und ich ahnte damals:
Das war, entgegen meiner Auffassung zumindest zum Thema Individualismus, nmicht als Kompliment gemeint, sondern ließ Schwierigkeiten vorausahnen (die es dann nur bedingt gab, auch Individualisten sind eben nicht, wie vor allem früher hier angenommen, grenzenlose Egoisten und unsozial, auch sie kämpfen nicht dauernd gegen den Strom und auch sie schließen Freundschaften, lernen gern von und mit anderen und freuen sich über gemeinschaftliche Aktivitäten).

das ändert sich aber, heute snid die jungen Eltern durchaus individueller, sehen ihr Kind als Erfolgskonzept und möchten, daß es individuell und nach seinen Bedürfnissen behandelt wird - manchmal eben mit denselben Nachteilen wie anderswo auch.

ich denke, die unterschiedlichen Betonungen oder Interpretationen von Indivusdlaismus und Gemeinschaft liegen in der Geschichte:
In Dtld. haben wir eben die Diktaturerfahrung und was es auslöste,daß alle ohne zu selbst zu denken 1 Mann oder 1 Idee folgten.
In DK hat man in genau derselben Zeitepoche gelernt, daß man als so kleines Land bestenfalls bestehen kann, sich wehren kann, wenn man sich zusammenschließt und nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht.
Dazu kommt,daß Dtld. ein großes Land mit den verschiedensten Regionen ist, hierzulande gibt es sicher auch Unterschiede zwischen den Bewohnern auf den Inseln und Jütland, West- und Ostküste -aber das war es dann auch fast schon - so gravierend und vielfältig wie in Dtld. findetsichd as nicht.
Darum ist man AUCH mißtrauischer gegenüber allem,was von dem Gewohnten abweicht.

Ja,die Gesprächskultur ist hier respektvoller, umgänglicher, ausgeprägter (was manchen Arbeitnehmer, der zum soundsovielten Meeting soll, auch oft nervt, vor allem, wenn er aus Dtld. kommt ) ; man begegnet sich, auch den Kindern, auf Augenhöhe und ist vielleichtauch kompomißbereiter; man vertraut sich (noch) mehr und man traut anderen mehr zu in punkto Kompetenz.
Ich kenne genug Leute, für die Autorität und Disziplin quasi Schimpfworte sind - wenn ich das manchmal in geiwssen Veranstaltungen anmahne, einfach um eine gewisse Arbeitsruhe zu erzielen, wird mir das übel manchmal genommen.Leider habe ich da manchmal das Gefühl, mit der Zunahme der Akzeptanz für eigene Bedürfnisse VOR den gemeinschaftlichenwird leider sowas wie freiwillig Rücksicht auchseltener, und dann braucht es eben manchmal eine klare Ansage,damit wieder Ruhe herrscht, in der ALLE etwas von dem haben,was passieren soll.
Aber der Zeiger schlägt ja oft erst i ndie eine und dann dieandere Richtung extremaus, um sich irgendwann in der Mitte einzupendeln.

Ich denke zwar öfter mal überdie kulturellen Unterschied nach, muß aber gestehen, daß ich blöde Leute als blöde Leute wahrnehme und nicht als bldöde Dänen oder blöde Deutsche.
es gibt über all solche und solche. Die meisten sind zum Glück nett - und da bin ich ganz bei meiner Tochter, die es auch nicht mochte, wenn ihre kleinen Kameraden sie lobten, weil sie gut in etwas war. Naja, du bist ja auch eine Deutsche.
Nee - die sind nett, weil sie nett sind, nicht,weil sie deutsch oder dänisch sind und sich kulturkonform verhalten.
Es kann einfach sein - und man kann es komplizierter machen als es ist. '102.

Dochwieder zu lang, darum enteile ich jetzt --- Ursel, DK

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Connitaa am 30.05.2019, 23:10 Uhr

Interessantes Thema! Unsere Große wird jetzt 6 und findet es vor allem cool, dass sie was kann was die anderen nicht können (nämlich deutsch) und das sie viel öfter in den Urlaub fliegt (wir sind so 3-4 mal im Jahr in Deutschland ).
Mein größter Kultur Konflikt ist das Thema Autonomie und Selbständigkeit...die Spanier neigen eher zur Überbehütung. Sie darf mehr, z.b. Allein auf den Spielplatz vor dem Haus, muss aber auch mehr selber machen. Ich gehe nach dem Schwimmunterricht nicht in die Dusche um ihre Haare zu waschen.
Ich habe das Gefühl,dass sie beides recht stolz macht, und sie es positiv erlebt. Sonst bin ich nach 16 Jahren hier glaube ich so integriert,dass ihr nicht direkt Unterschiede zu anderen Mamis auffallen...

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Joaninha am 31.05.2019, 10:29 Uhr

Ich habe gerade "Jantelov" gegoogelt, das hört sich ja gruselig an. Unglaublich vor allem, dass der Terminus, der ja offenbar ursprünglich kritisch gemeint war, überhaupt positiv gewendet werden konnte.

Ich stelle es mir schwer vor, in ein Land auszuwandern, in dem "Jantelov" herrscht. Gibt es da überhaupt Platz für Toleranz? Integration bedeutet dann ja wohl automatisch vollständige Assimilation an die andere Kultur.

Interessant auch, dass sich die Verhältnisse dann innerhalb einer Generation so sehr geändert haben.

Mir fallen da schon auch die Parallelen zu unserer Situation hier am KiGa auf. Inzwischen denke ich, dass wir einfach das Pech hatten, in einer Enklave des Kollektivismus zu landen - mit allen Nachteilen, die das mit sich bringt, und leider momentan nicht mit ersichtlichen Vorteilen. Ich hoffe nun auf einen KiGa-Wechsel und auf einen entspannteren Umgang mit individuellem Anderssein. Denn die meisten Menschen in meiner Umgebung sind, wenn ich es mir recht überlege, doch sehr tolerant und überhaupt nicht auf Gleichmacherei eingestellt. Insofern scheint der KiGa hier doch seine eigenen Wege zu gehen.

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Joaninha am 31.05.2019, 10:33 Uhr

Oh, schön, noch eine spanisch-deutsche Erfahrung!

Ich weiß nicht, ob Du die ganzen Beiträge oben gelesen hast. "Mein" aktueller Kulturkonflikt ist das Thema "Individualismus vs. Kollektivismus in der Schule". Darf ich einfach mal so ins Blaue hinein fragen, ob Du den Eindruck hast, dass in spanischen Schulen stärker des Kollektiv betont wird? Mich würde interessieren, ob das nur uns an unserer Schule so geht oder ob das überall so ist.

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von DK-Ursel am 31.05.2019, 12:58 Uhr

Hej nochmal!

Auch wenn ich Deine Frage in Bezug auf Spanien nicht beantworten kann, so doch generell,auch, weil Du sie inanderer Fotrm eigentlich auch oben mal gestellt hast:
Es ist ja im Prinzip durchaus die Aufgabe und Pflicht einer Institution, die Gemeinschaft zu fördern, zu unterstützen und über das Individuum zu stellen.
Meint:
Jeder muß lernen,sich einzufügen, zurückzustecken, nicht (immer) die Nummer 1 zu sein bzw,. auf jedes Bedürfnis zugeschnittene Sonderwünsche erfüllt zu bekommen.
Dagegen habe ich auch hier in DK absolut nichts - im Gegenteil! Das ist wichtig, sonst gibt es Wörter wie Respekt vor anderemn, Rücksicht, Zusammenleben gar nicht mehr-
Hier wurde allerdings Individualismus (früher) gleichgesetzt mit Egoismus, Egozentrik (im besten Fall), und dagegen habe ich mich schn gewehrt.
Man war immer äußerst besorgt, daß meine Tochter nicht so der Cliquenmensch war und mit ihrer Busenfreundin allein absolut glücklich und zufrieden.
Und darum war dann ein Lehrer (erst) in der 8. oder 9. Kl. äußerst erstaunt zu sehen - auf einer Klassenfahrt , wie "sozial" sich meine Tochter benahm und erwies.

Genau weil ich aber auch von einer Schule, einem KIGA etc. erwarte, daß sie eben das Wohl und das Funktionieren der ganzen Klasse im Auge haben, ist ja die Zusammenarbeit wichtig:
ICH als Mutter stelle natürlich men Kind oft in den Mittelpunkt, für mich ist es das wichtgste Kind - für die Schule naturgegeben nicht.
Berechtigte Forderungen, auch mal eine Ausnahme zu machen, sind dabei dann - hierzulande - immer schon leichter "durchzubekommen" gewesen, weil man im Gespräch ist, weil man sich zuhört und mit Respekt behandelt.
Da muß man m.E. als Mutter aber auch vertragen, einsehen, unterstützen (!) - eben respektieren, daß letztendlich trotz allem für die Pädagogen, Lehrer etc. das Gemeinwohl zunächst wichtiger ist. Davon ausgehend, kann man dann auf das Individuum schauen.

AUCH das ist ja eine Art der Integration, die wir alle täglich(er)leben:
Daß wir ins in eine andere Gemsinschaft als unsere nächste Familie einfügen - können --- und das können wir nicht nur gesellschaftlich von Ausländern einfordern, das müssen wir auch selber, ggf. auch anderswo als in der Gesellschaft als großen Begriff, sondern im kleinen KIGA, in der kleinen Schule - leisten.

Deine Frage, wie es nun in Spanien ist, ist insofern interessant, weil ich ja auch nachfragte, ob der Rektor bei Euch vielleicht ienfach nur ein Sturkampf war oder ein "Machtdespot" oder zu faul, um sich auch mal nach rechts /links zu bewegen...
Solche Leute gibt es egal welches Prinzip bevorzugt wird.
Das ist dann nur nicht typisch dänisch/spanisch/deutsch und kein Kulturkonflikt, sondern einfach nur blöd.
Ich kenne das, daß man, wenn man nur oft genug auf: hier nennen wir es mal Kulturunterschiede - gestoßen ist und sich ärgerte, dann alles nur noch in diesem Zusammenhang sieht. ich habe das in anderem Zusammenhang, ohne Kulturunterschied, auch gemerkt und war froh, wenn michdann jemand geerdet hat und sagte: Du, das ist nicht typisch XY, sondern typisch blöd, "typisch" Fachmann, "typisch "Teenager", "typisch Mutter" typisch... was immer es nun auch war.


Gruß Ursel, DK

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Re: Kollektivität vs. Individualität

Antwort von Connitaa am 01.06.2019, 18:59 Uhr

So ähnliche Probleme wie ihr hatten wir im ersten Kindergarten unserer Tochter auch,z. B. Obligatorischen Mittagsschlaf für alle bis 6 Jahre, gegen den ich protestiert habe und dann beim Elternabend fast schon bloßgestellt wurde. Wir haben zum Vorschuljahr gewechselt und bei der neuen Schule habe ich das Gefühl,dass sie viel besser auf die Individualität der Kinder eingehen. Auch in der Kita von der kleinen läuft es in der Hinsicht sehr frei ab und sie haben kein Problem damit, dass sie jeden Tag etwas von Zuhause mitbringt und ihren Mittagsschlaf nur im buggy und nicht im üblichen Bettchen macht.

Inzwischen denke ich, dass bei diesen Themen in Spanien weniger eine Ideologie dahinter steckt,sondern vor allem die Angst vor Kontrollverlust. Die Leiterin des ersten Kindergartes hat beim Abschlussgespräch auch mehr oder weniger zugegeben, das sie beim Mittagsschlaf vor allem deshalb keine Ausnahme genehmigen, weil ja sonst vielleicht bald die halbe Klasse nicht mehr schlafen will und die Erzieherinnen dann ihre Mittagspause nicht mehr machen, so dass sie mehr Personal bräuchte und die Gebühren erhöhen müsste.

Auch bei den Eltern beobachte ich solche ängste öfter. Das Kind soll ja nicht zu stark von der Gruppe abweichen. Gerade in unserem "Mittelklasse Umfeld" habe ich oft das Gefühl,das nach der Krise da auch immer die Angst vor dem sozialen Abstieg dahintersteckt. Viele investieren viel Geld in private Schulen und zusätzliche Förderung wie z.b. Englisch und machen sich schon jetzt Gedanken,ob ihr Kind genug lernt. Häufig wird verglichen wer schon was kann . Als wir die jetzige Schule angeschaut haben, ging es im offiziellen Teil nur darum,was die Kindergärtenkinder wie lernen werden. Bei der anschließenden Besichtigung habe ich die Erzieherin privat gefragt, wann die Kinder überhaupt spielen dürfen. Da hat sie mich lachend angeschaut und gesagt...wir spielen den halben Tag, aber sowas kann ich doch beim Elternabend nicht sagen!

Wir haben es in der Hinsicht leichter,weil wir uns mit unseren beruflichen Spezialisierungen nicht vor Arbeitslosigkeit fürchten müssen und entspannter in die Zukunft blicken. Manchmal habe ich schon das Gefühl,dass andere Mütter mir bewusst ihre Sorgen zur Entwicklung ihrer Kinder erzählen,damit ich sie beruhige.

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Maria_Bu am 04.06.2019, 8:59 Uhr

Hallo,

unsere Jungs sind 7 und 13. Beide sind weder davon begeistert noch genervt/finden es peinlich oder unangenehm. Sie nehmen es einfach so hin, dass sie zweisprachig aufwachsen und die etwas andere Kultur auch kennen.
Seitdem wir aber in Russland Urlaub gemacht haben (jetzt sind es bereits zwei Mal gewesen, nächsten Sommer geht es wieder hin), weiß, vor allem, der Kleine wieso wir darauf bestehen, zu Hause Russisch zu reden. :)
Während des Urlaubs haben sie auch neue Freunde gefunden, mit denen der Große Kontakt über die SocialMedia aufrechterhält. Er findet es ganz cool.

LG Maria

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Joaninha am 05.06.2019, 8:22 Uhr

Hallo noch einmal und danke für Eure Impulse!

Ursel, ich musste so lachen, als ich las "das ist nicht typisch..., sondern typisch blöd". Ja, ich denke, das trifft den Nagel auf den Kopf.

Conitaa, vieles von dem was Du schreibst, kommt mir sehr bekannt vor, aber ich hatte das bisher noch gar nicht so für mich sortiert. Ja, ich denke, Deine Erklärung kommt schon hin: Da sind einerseits die teils völlig willkürlichen und überhaupt nicht mit der allgemeinen "normativa" in Einklang zu bringenden Regeln, die der Schulleiter "erlässt", und andererseits die Eltern, die sich zwar darüber ärgern, aber nichts sagen, um ihrem Kind keine (Bildungs-)Chancen zu nehmen. Puh, auch ganz schön schwierig. Wobei ich aber absolut verstehen kann, dass die Eltern der Nach-Krise solche Ängste haben.

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Re: Wie erleben eure Kinder die Bikulturalität?

Antwort von Korya am 09.06.2019, 17:19 Uhr

Viel zu spät entdeckt- interessante Frage und noch interessante Antworten :-)

Bei uns ist es etwas anders, weil wir nach unserer langen Englandzeit ins Wandern gekommen sind, und die Kinder deshalb gerade überall fremd sind.
Deshalb ist die Wahrnehmung anders als vorher in Europa.

In England hatte ich die heimliche Sorge, dass sie irgendwann den unterschwellig noch sehr präsenten Vorbehalten gegenüber dem deutschen "Feind" begegnen würden - was zum Glück nie passierte.

Wir haben auch das "Deutschsein" nie hervor gekehrt, zumal ich die einzige Deutsche bei uns bin - mein Mann ist Italiener. Und in den Augen der Kindergarten-
und später Schulkameraden war die Große - in England geboren - selbstverständlich erst einmal Engländerin, auch wenn die komische Mama mit ihnen manchmal irgendwas anderes sprach.

Dann zogen wir nach Asien, und auf einen Schlag stachen die beiden Großen - später kam noch Nr. 3 dazu - schon allein durchs Aussehen überall hervor.
Allerdings war diese neue Erfahrung für sie zunächst extrem positiv - blonde weiße Europäer wurden hoch geschätzt und unsere Kinder von allen Seiten hofiert, mit kleinen Aufmerksamkeiten beschenkt und auf den Thron gehoben. Alle fanden sie toll, sie konnten sich alles erlauben. Nur wir "bösen" Eltern versuchten dagegen an zu gehen und sie regelmäßig auf den Boden der Tatsachen zurück zu bringen.

Jetzt, wo wir innerhalb Asiens weiter gezogen sind und im neuen Land Ausländer eher geduldet werden als vergöttert, war der Fall entsprechend groß. Und auf einmal sehen sie auch ihre Andersartigkeit in ganz neuem Licht. Mittlerweile sind sie fast trotzig stolz, anders zu sein, nicht zur Gesellschaft zu gehören. Allerdings gehen sie hier auf eine internationale Schule, erleben alles also etwas abgefedert.

Wieder ganz anders ist es bei der Jüngsten. In Asien geboren und quasi nie etwas anderes gesehen, war als Zweijährige beim ersten bewussten Aufenthalt in Europa erstmal baff, dass alle so aussahen wie sie. Ich glaube, ihr war nie bewusst klar, dass sie selbst blond und blauäugig ist. Der Typ Mensch existierte in ihren Augen nun mal nur als Asiate. Die ersten Tage in Europa hat sie nur alle angestarrt und uns immer wieder überrascht gesagt: "Die da / der da redet wie Mama!"

Inzwischen geht sie in den lokalen Kindergarten und spielt täglich ihr Vokabelspiel mit uns: "Mama, wie sagt der Kindergarten zu Schuhen? Wie sagt der Kindergarten Essen / Trinken / spielengehen?"
Im ihrem Alter noch ohne jede Wertung oder bewusstes Verständnis des Andersseins - dennoch, in England hatten unsere beiden Großen es nie so hinterfragt, das Englische war ganz selbstverständlich Teil ihrer Welt, und ebenso waren sie ein Teil derselben.

LG

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ich weiss gar nicht, ob wir bikulturell sind

Antwort von Benedikte am 10.06.2019, 15:50 Uhr

Eigentlich nicht-denn wir sind expats.
Sprich, als durch und durch deutsche Familien leben wir immer wieder im Ausland.

In Kanada waren die Kinder klein und haben kanadische Einrichtungen besucht. Die kamen nie auf die Idee, etwas anderes als Kanadier zu sein- oder anders als andere zu sein. Sprache war problemlos, das haben sie ruckzuck gelernt und ihre Freumdschaften zu Kanadiern ( oder was auch immer) gepflegt- aber die waren kanadisch.

In den Niederlanden haben sie eine deutsche Schule besucht, wir waren da weniger Teil der Gastgesellschaft, sondern mehr der internationalen. Auch da war das Leben wunderbar, man kriegt schnell und viel Kontakt, aber weniger zu Einheimischen, mehr zu expats- aber da war schon klar- this is us and that is them. Da waren wir aber vor allem Nichteinheimisch, nicht unbedingt deutsch.


Hier jetzt ist es anders- anderes gepräge, Sprachprobleme, anderes politisches System. Wir halten nach wie vor am deutschen Schulsystem fest weil alles andere probematisch wäre wenn man in Deutschland studieren würde ( ich kenne inzwischen eine größere zweistellige Zahl von Eltern, die ighre Kinder haben international erziehen lassen, in englischer Sprache und das heute bereuen, eben gerade bezüglich des Studiums).

Ich bin inzwischen relativ zurückhaltend was unsere Lebensweise angeht, ih habe das Gefühl, nicht nur mir selber, sondern auch meinen Kindern eine Heimat vorenthalten zu haben. Heimat ist für die, wo die Familie ist, eigentlich, aber je älter sie werden, umsoweniger stimmt das. Wir haben derzeit keinen festen Wohnsitz in Deutschland, keine Burg. Meine Kinder sind recht zufrieden-meine ich- mit dem Leben, dem, was sie gesehen haben, an fremden Kulturen und Sprachen aufgegriffen haben. Keiner hätte Probleme, seinerseits mal einen "turn" im Ausland zu machen, quasi von jedem Posten gibt es noch Kontakte, auch dank der modernen Medien. Ein Kind lässt seinen facebook account regelmäßig offen und ich sehe, dass er in mehreren Sprachen kommuniziert, völlig locker. Das ist den Kindern- oder jungen Erwachsenen- auch bewusst, dass sie Globalisierung recht gekonnt leben.

Benedikte

PS- peinlich bin ich auch

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Re: ich weiss gar nicht, ob wir bikulturell sind

Antwort von DK-Ursel am 11.06.2019, 13:15 Uhr

Hej Korya und Benedikte!

Bei Euch liegt die Sache ja total anders, daher finde ich es enorm spannend, was Ihr zu erzählen habt.
Danke für Eure Berichte!

Ich finde es übrigens auch --- hm, problematisch zu sagen, Heimat ist ,wo meine Familie ist.
Gerade ältere Kinder sind ja nun mal flügge und ziehen heutzutage in die Welt (und nicht nur innerhalb eines halben Dtld.s rum wie unsereiner, wenn er früher als Zugvogel bezeichnet wurde. - wobei die techn. Möglichkeiten es eben sofern machten - oder noch ferner - als ein Aufenthalt in Amerika heute ist).

Aber Heimat ist ja nun mal mehr als nur Menschen, die man mag.
Natürlich fühle ich mich dort geborgen, wo diese Menschen sind, aber das Drumherum muß ja auch stimmen, muß auch vertraut sein, darüber machen sich wohl am wenigsten die Gedanken, die meinen, "Heimat ist dort, wo meine Familie ist".
Über den Begriff "Heimat" kann man natürlich unendlich diskutieren, ob man ihn treffsicher definieren kann
Ich kann da irgendwie trotz meines langen Lebens hier keinen wirklichen Ort benennen, den ich als Heimat bezeichne.
Hier ist mein Zuhause, aber Heimat???
Und meine Kinder sind ja auch schon wieder woanders - verliere ich dann auch als Eltern meine Heimat, wenn die Kinder woanders sind?
Ich glaube, das zeigt schon, wie schwierig das ist.

Sicher haben die Kinder, die von jeher viel umziehen mußten, kaum je Heimat im ursprünglichen Sinn kennengelernt, aber ich denke immer, daß alles eben zwei Seiten hat und man schauen muß, ob der Verlust auf der einen Seite nicht durch Gewinn auf der anderen ausgewogen oder sogar verbessert wird.
Man darf nie nur das eine oder nur das andere betrachten,das ibt ein schiefesBild.

Und ichdenke an das, was eine Psycholgin mir mal sagte: Kein Teenie hat nur Teenieprobleme.
Alle tragen auch noch ein anderes Päckchen - geschiedene Eltern, Krankheit oder Tod eines Elternteils oder Geschwisterchens, eigene Unfälle, Krankheiten, Armut/Reichtum, Schulprobleme undundund -- bei uns isnd es eben die Gegebenheiten durch Bilingualität, mehrere Länder, viele Umzüge etc.
Aber seien wir ehrlich:
Auch wir hatten unser Paket - das ist nun mal das, was man am Anfang eines jeden Lebens steht und sich hindurchzieht.
Und das, was uns einzigartig und verschieden voneinander macht.



Gruß Ursel, DK

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