Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

M. Sc. Martina Höfel Frage an M. Sc. Martina Höfel Master of Science in Midwifery, Hebamme im DHV - Deutscher HebammenVerband e.V.

Frage: Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

Liebe Frau Höfel, Sie haben mir bereits in meiner letzten Schwangerschaft immer einfühlsam und hilfreich zur Seite gestanden, deshalb wende ich mich jetzt an Sie. Unsere Tochter ist jetzt drei Jahre alt geworden und wir wünschen uns ein zweites Kind (ich bin 35). Im Sommer wurde ich bereits einmal schwanger, hatte aber einen sehr zeitigen Abort, ca. 5. SSW. Trotz dass es noch früh war, habe ich einige Monate gebraucht, um das zu verarbeiten, zumal wir das erste Mal auf natürlichem Wege schwanger geworden waren und unser Glück kaum fassen konnten. Im Oktober wurde ich überraschend wieder schwanger. Als ob das nicht reichte, erfuhren wir in der 7. SSW, dass es sogar Zwillinge sind. Beide Herzchen schlugen, es war alles bestens und meine FÄ machte uns viel Mut, da beide eine eigene Fruchthöhle und Placenta hatten und gut entwickelt waren. Dasselbe 2 Wochen später, alles Top. Vergangenen Freitag hatte ich wieder einen Termin, dieses Mal bei der Vertretung meiner FÄ. Diese FÄ ist sicherlich auch in Ordnung, aber nicht halb so einfühlsam wie meine FÄ. Sie stand ziemlich unter Zeitdruck und scheuchte mich gleich in den Ultraschallraum. Während des Schalles sahen wir, dass das eine Baby (Ende 12. SSW) sich nicht mehr bewegte und wohl auch kleiner als das andere war. Sie eröffnete mir, dass das Kind "avital" sei und konzentrierte sich dann darauf, das andere Kind zu vermessen. Dieses scheint in Ordnung zu sein. Ich war wie gelähmt und wollte nur noch raus. Die FÄ meinte, so etwas sei ihr in 13 Jahren noch nie untergekommen und sie sei jetzt selber neben der Spur. Mit diesen Worten und dass es ihr Leid täte, wurde ich entlassen. Nachdem ich den ersten Schock überwunden hatte, informierte ich mich selber im Internet über Vanishing twins etc. Doch was man da zu lesen bekommt, verunsichert einen ja noch mehr und macht mich fast panisch. Mittlerweile schwanke ich zwischen Heulanfällen, panischer Angst um das zweite Baby, aber manchmal auch Resignation, nach dem Motto, am besten ich rechne mit dem schlimmsten. Den nächsten Termin habe ich von der sehr unfreundlichen, ruppigen und gehetzten Arzthelferin erst in 4 Wochen wieder bekommen. Ich fühle mich so hilflos und alleingelassen. Meine Freunde sagen solche Sachen wie: Wer weiß wozu das gut war. etc. Was soll daran gut sein, wenn ein Kind stirbt? Was wird aus meinem zweiten Baby? Hat es eine Chance auf ein glückliches Leben (vorgeburtliches Trauma...)? Woher nehme ich den Optimismus, die weitere Schwangerschaft durchzustehen und meinem ungeborenen Kind zu vermitteln, dass ich mich von ganzen Herzen darauf freue? Momentan wird alles von Angst und Trauer überschattet...Und meine kleine dreijährige Tochter ist ja auch noch da und sie bekommt alles ganz genau mit, will momentan keine Sekunde von mir getrennt sein. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Haben Sie einen Rat für mich? Vielen Dank und entschuldigen Sie die lange Nachricht.

von lieselotte2015 am 08.12.2015, 11:03



Antwort auf: Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

Liebe lieselotte, da ist die medizinische und da ist die emotionale Seite. Die medizinische Seite kennt viele Schwangerschaften, die als Einlingsschwangerschaften enden. Allerdings meist in sehr frühen Wochen. Zu diesem Zeitpunkt ist der Körper noch in der Lage, dass verstorbene Kind zu resorbieren. In der späteren Schwangerschaft mumifiziert das Kind und wird mit geboren. Wenn keine gravierenden Schäden (z.B. chromosonal) Vorliegen, wird sich das verbliebene Kind normal entwickeln und dann geboren werden. Emotional haut es Sie natürlich erst einmal in die Ecke. Fehlgeburt. Trauer. Spontan schwanger. Freude. Zwillinge. Schock. Freude.- Jetzt wieder Trauer und Angst um das zweite Kind. Aber vielleicht auch ein wenig Hoffnung, dass mit dem überlebendem „starken“ Kind alles gut ist. Es kann sein, dass Sie aus dieser Gemengelage nicht alleine herausfinden. Deshalb wenden Sie sich bitte umgehend an die Schwangerschaftskonfliktberatung der Diakonie, Pro Familia, Donum vitae oder dem Sozialdienst der Kath. Frauen. Dort steht geschultes Personal zur Verfügung, welches sich Zeit für Ihr Anliegen nimmt, Raum für Ihre Fragen und Ihre Gedanken schafft! Und das eröffnet manchmal völlig neue Blickwinkel! Ja, Ihre Dreijährige bekommt mit, dass etwas mit Ihnen los ist. Das ist auch okay, denn krampfhaftes „es ist alles gut“- Vorspielen hilft auch nichts. Erklären Sie dem Kind mit einfachen Worten was los ist (Sorgen um das Geschwisterchen), damit es nicht denkt, dass es an ihm liegt. Eine Anmerkung in die Zukunft: erzählen Sie dem „neuen“ Kind recht früh, dass es mal ein Zwilling war. Tining hat es gut beschrieben: man weiß, dass da einer fehlt! Liebe Grüße Martina Höfel

von Martina Höfel am 08.12.2015



Antwort auf: Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

Hallo Liselotte, es tut mir leid, dass du diese Erfahrung gemacht hast. 2003, ich war gerade einmal 18 Jahre, bin ich durch sehr unglückliche Umstände schwanger geworden, sehr schnell erkannte man, dass es Zwillinge waren. Mit 18 war das ein furchtbarer Schock und ich war auch allein. Der zweite Zwilling wuchs nicht so gut, wie der erste Zwilling. Deshalb schickte man mich in der 19.SSW zur Feindiagnostik. Leider erfuhr ich, dass Zwilling B eine Anencephalie hatte. Er hatte keine Schädeldecke und dadurch wird das Gehirn schwerst geschädigt, die Kinder haben keine Überlebenschance. Die SS setzte ich fort, denn Zwilling A war kerngesund. In der 29.SSW verstarb mein Sohn noch im Bauch. Es war eine schwere Situation, denn die Trauer wechselte sich mit Glück ab, denn meine Tochter lebte. In der 38.SSW brachte ich beide auf natürlichem Weg zur Welt. Tränen des Glückes und der Trauer, flossen an diesem Tag viele. Ich sehe es als großes Glück an, dass mein Sohn, in meinem Bauch verstarb, beschützt und behütet, ohne Schmerzen und der leidvollen Erfahrung kurz und unglücklich zu leben oder unter der Geburt zu versterben. Er starb an dem Ort, denn er kannte und an dem er auch seine Schwester jeden Tag spürte. Im Leben ist selten etwas gerecht und auch der Tod des Zwillings von dir ist nicht gerecht aber vielleicht einfach "notwendig" gewesen. Notwendig ist definitiv nicht das richtige Wort dafür aber ich weiß nicht, welches ich wählen soll. Die Natur regelt das in einer so frühen Woche sehr selbstständig, man kann da nicht eingreifen. Meine Tochter ist 12 Jahre alt und sie führt ein glückliches und sehr zufriedenes Leben. Das Thema "vorgeburtliches Trauma" solltest du bei Seite legen, denn es wäre zu viel des Guten. Ein Kind lebt in dir, es wird stark und kräftig werden, deine Tochter zur großen Schwester machen. Deshalb denk positiv und versuche nach vorn zu blicken. Meinen zweiten Sohn verlor ich ebenfalls an Anencephalie, er lebte wenige Stunden und machte mich in dieser Zeit zu einer sehr stolzen Mama. Ganz egal wie klein die Spuren im Leben sind, sie bleiben ewig und meine beiden Söhne, sind ein Teil unserer Familie. Viele Jahre später, 2011 habe ich meine zweite Tochter geboren, sie wird gleich 5. Blick nach vorn Liselotte, du brauchst positive Gedanken für deine Schwangerschaft und dein Baby im Bauch spürt schon ganz von allein, dass es von Herzen geliebt wird! Lg

von Colien07022004 am 08.12.2015, 11:43



Antwort auf: Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

Da Deine eigene FÄ längere Zeit nicht dazu sein scheint, kannst Du einfach den Arzt wechseln, das geht auch in der SS. Du musst nicht zur Vertretung gehen. Der Clou ist nämlich, dass Ärzte an Schwangeren gut verdienen. Deshalb werden diese - auch als neue Patientin - gern gesehen und bei der Terminvergabe bevorzugt. Wenn Du in einer andere Praxis anrufst und sagst, dass Du mit Zwillis risikoschwanger bist und sehr zeitnah einen Termin brauchst, dann sollte das klappen. Die meisten Gyns geben ihren Mitarbeiterinnen Anweisung, schwangere neue Patientinnen nicht lange auf einen Termin warten zu lassen, das sagte mir ein Freund, der selbst Gyn ist. Ich würde auf gar keinen Fall vier Wochen warten, bei keinem Gyn. Du brauchst jetzt engmaschige Kontrolle und Hilfe. LG und alles Liebe für Dich und Deinen Krümel!

von Mijou am 08.12.2015, 12:08



Antwort auf: Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

das berührt mich sehr , was ihr da schreibt und wie damit umgegangen wird ! Es gibt sowas schon lange und ist immer wieder ein Schock ! Ich bin ein Zwilling und mein Bruder hat nicht überlebt ! Bei dem Vater meiner ersten Tochter ist das ebenso gewesen - ihm war auch etwas eingewachsen davon ! Als mein jetziger Mann sich Zwillinge wünschte dachte ich nur bitte nicht - da ich genau vor sowas Angst hatte ! Wir können es nicht ändern - diese Macht haben wir nicht ! Trauer ruhig es ist wichtig und gib diesem Kind einen Platz in deinem Herzen - es gehört dazu ! Manchmal klappt es nicht gleich positiv nach vorn zu schauen und die Trauer an die Seite zu legen ! Such dir Hilfe - Gespräche - das machen auch Hebammen ! Und es ist niemanden Schuld das Gefühl damit verbinde dich immer wieder ! Und ob es ein vorgeburtliches Trauma wird siehst du nach und nach - jetzt ist es das - muss aber nicht für immer sein ! Und wenn du das Gefühl hast drüber reden zu müssen mach das immer wieder ! Ich habe immer gespürt das mir da einer fehlt aber es wurde über vieles nicht gesprochen ! Und seit ich es weiß fühl ich mich ganz ! Von Ganzem Herzen einen guten Weg für dich und Euch !

von Tining am 08.12.2015, 12:20



Antwort auf: Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

Hallo lieselotte, Deine Geschichte hat mich sehr berührt. Neben dem was gesagt worden wollte ich dir nur sagen. Das eine Beratung in einer Mutter kind Stiftung Diakonie ect. Wirklich viel helfen kann. Gerade weil du sagst das deine Tochter 3 merkt das was nicht stimmt. Mein großer Sohn war ebenfalls 3jahre 3 Monate alt als unsere Tochter gestorben ist. Ich war am Boden zerstört da es bereits meine 3. Fg war ,da er auch bereits wusste das wir ein baby erwarten. Haben wir ihm auch gesagt das es gestorben ist. Wie ich ihm da in seinen fragen und seiner trauer helfen kann hab ich dort ganz pass genau auf ihn zugeschnitten erhalten. Wirklich wichtig war das er wusste warum mama ständig weint und kaum aus dem Bett kommt. So wusste er es liegt nicht an ihm.und auch in der folgeschwangerschaft haben die mir sehr geholfen. Ich wünsche euch alles Gute. Lg nita

von nita83 am 09.12.2015, 04:52



Antwort auf: Zwilling während der schanegrschaft verloren, wie damit umgehen

Hallo an alle, die mir geantwortet haben. Eure Anteilnahme und Tipps haben mir sehr gut getan. Ich war mittlerweile bei meiner Heilpraktikerin und bei meiner Hebamme. Beide konnten mir sehr helfen und es geht mir hundert Prozent besser. Ich kann wieder positiv nach vorne schauen und mich freuen. Auch Ihnen, Frau Höfel, vielen lieben Dank. Ich bin auf jeden Fall nicht allein damit und werde es schaffen. Liebe Grüße, lieselotte

von lieselotte2015 am 10.12.2015, 16:17