Hilfe! Ich will mein Kind nicht schlagen!

Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Frage an Dipl.-Soz.päd Sylvia Ubbens Diplom Sozialpädagogin

Frage: Hilfe! Ich will mein Kind nicht schlagen!

Hallo! Ich habe ein sehr schreckliches Anliegen. Ich bin selbst Erzieherin und begegne gerade übermächtigen Impulsen, die mir bei der Arbeit in all den Jahren noch nie untergekommen sind. Ich müsste es besser wissen. Ich berate andere Eltern und muss jetzt feststellen, dass ich selbst machtlos gegenüber meinen Gefühlen bin. Ausgerechnet bei meinem eigenen Kind. Ich wurde als Kind viel geschlagen und von meiner Mutter in der Pubertät provoziert. Sie fand es wohl lustig, wenn ich mich so schön aufrege. Ich vermute das ist der Grund für meine unglaubliche Wut die in mir aufkommt, wenn meine Tochter so richtig "frech" wird. Vorab: Ich liebe Kind unglaublich. Sie ist super erzogen. Wir sind eine gut situierte Familie mit viel Liebe, kuscheln, usw. Bis auf "die Situationen". Meine Tochter ist 3 Jahre alt. Ein Beispiel: Es ist morgens, ich muss zur Arbeit. Meine Tochter soll sich anziehen. Ich gebe ihr schon extra zwei Hosen zur Auswahl. Sie soll sich eine aussuchen und sich anziehen. Alles ganz freundlich. Das Gebrüll beginnt. Es ist Sommer, sie will eine kurze Hose, usw. Es ist aber zu kalt. Nein, sie zieht keine lange Hose an. Ich komme zu spät zur Arbeit. Werde unglaublich wütend. Warum tut sie mir das an? Sie lässt sich fallen wie ein nasser Sack. Heult, kreischt. Tritt um sich, wenn ich sie anziehen will. In mir steigt diese unglaubliche Aggressivität hoch. Ich gehe extra raus und sage ihr, ich ziehe meine Schuhe schon mal an und komme gleich wieder. "Bis ich wiederkomme hast du dir bitte eine Hose ausgesucht." Manchmal sage ich auch: "Du bist doch so gerne Mamas Hilfe. Jetzt müssen wir schnell beide mitmachen, damit wir rechtzeitig los kommen. Kannst du das schon?" Wenn ich merke, dass ich gleich ausflippe sage ich schon: "Ich möchte gar nicht mit dir schimpfen. Es ist viel schöner, wenn wir uns vertragen und du dir eine Hose aussuchst."Meist ist ihr das alles sch... egal. Sie brüllt weiter. Wenn ich nach dem Schuhe anziehen wieder da bin und sie hat alle Hosen weg geschmissen, raste ich aus. Ich muss JETZT los. Ich schreie sie an, aber nichts passiert. Sie ist so unglaublich frech und hört einfach nicht. Ich weiß, dass ich jetzt gleich zuhaue. Ich bitte ich sie, weil ich das nicht will. (pädagogisch absolut hirnrissig, das weiß ich doch) "Wenn du jetzt keine Hose anziehst, wird Mama sehr sehr böse und das möchte ich nicht." Dann passiert es. Ich kann diese Wut einfach nicht in Worte fassen, die mich dann überkommt. Wie früher bei meiner Mama. Was wäre jetzt an dieser Stelle ihrer Meinung nach das richtige? Ich würde den Eltern jetzt raten: Gehen sie raus, zählen sie bis 10, trinken sie einen Schluck. Usw. Das bringe ICH aber nicht fertig. Ich habe mich nicht unter Kontrolle. Ich habe tatsächlich zu-gehauen. Ich will es sogar in dem Moment nicht. Ich schlage auf die Erde. Auf ein Kuscheltier, das neben ihr liegt und dann habe ich sie auch gehauen (Nicht so feste. Aber fest genug, um ihr weh zu tun.) Dann weinen wir beide. Meine Wut ist weg. Ich entschuldige mich bei ihr, nehme sie in den Arm und sage ihr, dass es mir so leid tut. Mama darf dich nicht hauen, du hast recht. Wir vertragen uns wieder und sie zieht sich an. Das ich sie haue ist neu. Ich habe alle Wutanfälle in ihrer Trotzphase locker mitgemacht. Es ist neu, dass sie es wirklich durchzieht und nein sagt. Sie bleibt einfach bei nein. Das finde ich in dem Moment so unendlich frech, unverschämt, Respektlos und gemein von ihr. Bei der Arbeit passiert sowas nicht oder ist bei mir nicht mit Emotionen verbunden. Ich bin eine gute Erzieherin und würde der Mutter jetzt raten, sich an eine Erziehungsberatungsstelle zu wenden, die oben genannten Methoden zu probieren, eine Mutter-Kind-Kur zu beantragen, wenn sie sich auch allgemein überlastet fühlt. Ich könnte ihnen jetzt theoretisch aufschreiben, wie ich die Stresssituationen mit der Mutter auseinander nehme und aufarbeite. Aber ICH kann es selbst nicht umsetzen und stelle Ihnen jetzt die Frage: " Wenn ich rausgehe um keine Gewalt auszuüben, lernt mein Kind ja: " Prima, Mama haut ab, wenn ich nur lange genug schreie. " Was soll ich tun, wenn sie stur bei nein bleibt? Beim anziehen, Zimmer aufräumen, Zähne putzen ( es sind immer andere Situationen. Völlig unvorhersehbar. Die Hose, die heute blöd ist, ist morgen super) . Was soll ich dann tun? Diskutieren doch nicht? Bitten? Ohne Hose mitnehmen? Ich habe Angst, dass mir das hauen bald leichter fällt. Ich möchte das nicht und fühle mich so grausam. Ich liebe mein Kind so sehr. Vielen Dank!

von Momoka am 18.06.2015, 16:04



Antwort auf: Hilfe! Ich will mein Kind nicht schlagen!

Liebe Momoka, die besten Hilfsmittel haben Sie schon genannt: Rausgehen, einige Male tief Luft holen, bis 10 zählen bis hin zu eine Erziehungsberatungsstelle aufsuchen. Gerade letzteres würde Ihnen (und Ihrer Tochter) unheimlich gut tun. Nicht, weil Sie Tipps brauchen, die kennen Sie augenscheinlich, nein, um sich Ihren Ärger von der Seele reden zu können. Es wird Ihnen unheimlich gut tun, Ihren Gefühlen Luft zu machen. Genau, wie beim Aufschreiben, werden Ihnen so manche Dinge auffallen, wie sie laufen und Sie werden selbst Ideen haben, was Sie wie verändern können. Konkret rate ich Ihnen am genannten Beispiel: Legen Sie schon am Abend gemeinsam die Kleidung für den nächsten Tag raus. Vielleicht können Sie sich darauf einigen, dass Ihre Tochter die Hose aussucht, wobei Sie sagen, ob vom Stapel mit den kurzen oder langen Hosen und Sie den Pullover oder das T-Shirt dazu legen. Fragen Sie morgens von vorneherein nach, ob Sie ihr beim Anziehen helfen sollen, auch wenn Ihre Tochter es eigentlich schon gut alleine kann. Kommen Sie Ihrer Tochter entgegen, bevor es zur Eskalation kommt. Mag sie sich weder alleine anziehen, noch sich helfen lassen, ja, dann geht es auch mal im Schlafanzug mit in den Kindergarten. Das aber, bevor Sie laut geworden sind und vor allem, bevor Sie geschlagen haben. Genauso in ähnlichen Situationen. Erwarten Sie nicht, dass Ihre Tochter alleine das Zimmer aufräumt. Gehen Sie wie selbstverständlich hin und sagen ihr, dass Sie gemeinsam das Zimmer aufräumen: "Du räumst die Puppen in die Kiste und ich sammel die Duplosteine ein." usw. Bitte setzen Sie einige Ihrer eigenen Tipps an andere Eltern bei sich selbst um, gerne mit der Unterstützung einer Beratungsstelle vor Ort. Reden ist so unheimlich wichtig. Sie wissen selbst, dass Kinder nicht geschlagen werden sollten und auch, dass es schwierig ist, ohne Unterstützung aus der Situation wieder rauszukommen. Sie tun Ihrer Tochter nicht nur körperlich, sondern auch der kleinen Seele weh. Sie wollen aber ja eigentlich, dass es Ihrer Tochter gut geht. Bitte holen Sie sich Hilfe und schreiben auch gerne wieder, wenn es Ihnen hilft, sich Ihrer Gefühle und Ihres Handelns bewußt zu werden. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 19.06.2015



Antwort auf: Hilfe! Ich will mein Kind nicht schlagen!

Aufschreiben hilft schon bei der Problemanalyse. Stolz ist es. Wir haben beide einen unglaublichen Stolz in dem Moment. Jeder ist zu stolz zum nachgeben. Mein Kind ist extrem stolz. Wenn ich die Tür geöffnet habe, die sie öffnen wollte, muss sie allen ernstes zurück gehen, die Tür wieder schließen, um sie dann selbst zu öffnen. Das ist es. Das halte ich nicht aus. Das ständige nachgeben. Stolz und Ehre? Wer gibt nach?

von Momoka am 18.06.2015, 16:58



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