Frage: Acrylamid

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Costa, ich befinde mich zwar nicht mehr in der Schwangerschaft, sondern in der Stillzeit, meine Frage betrifft aber irgendwie beide Phasen. Ich stieß vor einigen Tagen auf einen Artikel zu Acrylamid in Lebensmitteln und das Thema macht mir seitdem Sorgen. Bis dahin war ich ehrlich gesagt der Annahme, dass sich Acrylamid nur in stark Gebräuntem bzw. Angebratenem befindet. Insgesamt habe ich mich in der Schwangerschaft und auch jetzt in der Stillzeit schon gewissenhaft und ausgewogen ernährt. Zugenommen hatte ich in der Schwangerschaft knapp 11 Kilo bei einem Startgewicht von 55 Kilo, also völlig im Rahmen. In dem Bestreben, eine Toxoplasmose- bzw. Listerioseinfektion zu vermeiden, ist man allerdings so eingefahren, dass man gar nicht unbedingt an andere Risiken denkt. In den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln habe ich bis auf ein tägliches, kleines Stück dunkler Schokolade komplett auf Süßes oder auch stark Fettiges/Frittiertes verzichtet. Im letzten Schwangerschaftsdrittel wurde ich etwas „mutiger“ und gönnte mir ab und zu etwas, was „Spaß macht“ und habe eine Zeit lang abends ab und an gerne Kichererbsenchips gegessen in der Annahme, diese seien „gesünder“ als Kartoffelchips. Dies war aber immer maßvoll und sollte an den Tagen nicht mehr als 30 Gramm gewesen sein. Auch bereiteten wir in der späteren Schwangerschaft eine Zeit lang bestimmt ca. einmal die Woche Toast im Sandwichtoaster (eine Temperatur von 70 Grad wird hier laut Hersteller überschritten) mit einem frischen Salat dazu zu, wobei ich dann meist 2 Sandwiches (=4 Scheiben) aß. Und das dritte „Vergehen“: Ich würde schätzen so alle 10 Tage bis 2 Wochen gab es in einem gewissen Zeitraum Bio-Tiefkühlkartoffelpuffer mit Apfelmus. Hiervon aß ich dann pro Mal 4 Stück. Zubereitet wurden sie nach Zubereitungsempfehlung in der Pfanne bei mittlerer Hitze. Sie waren gerade einmal im Ansatz leicht golden. Nun musste ich leider feststellen, dass Puffer so ziemlich die am stärksten belasteten Lebensmittel sind, wenn es um Acrylamid geht. Pommes zum Beispiel habe ich nie gegessen. Leider entdeckte ich in diesem Zusammenhang auch erst jetzt, dass sich inzwischen die Ernährungspyramide dahingehend verändert hat, dass nicht mehr Getreide die Basis bildet, sondern Obst und Gemüse. In dem Zuge werden dann auch nur noch 4 Portionen Getreideprodukte empfohlen. Ich habe mich eher an die allgemeinere Empfehlung „reichlich bzw. empfehlenswert – mäßig – sparsam - weniger empfehlenswert“ (wie auch hier auf der Seite zu finden) gehalten und nicht genau die Portionen abgezählt. 5 Portionen Obst und Gemüse habe ich sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit gegessen. Ansonsten habe ich mich wie in meiner ersten Schwangerschaft auch viel von Brot, Nudeln, Haferflocken, Reis usw. ernährt. Da kamen täglich bestimmt auch 4 Portionen Brot – und damit sicherlich auch ein höherer Acrylamidgehalt - zusammen. War ein etwas höherer Brotkonsum (neben Vollkornbrot waren täglich meist auch zwei ungetoaste Scheiben Dinkeltoast dabei) als nach der aktuellsten Ernährungspyramide empfohlen sehr „verkehrt“? Ehrlich gesagt weiß ich aber nicht, wie ich sonst hätte satt werden sollen. Ich war bis zur Geburt den ganzen Tag über aktiv. Das ist auch jetzt in der Stillzeit der Fall und ich habe auch bisher recht viel Brot gegessen. Ich dachte wirklich, ich hätte in der Ernährung alles richtig gemacht und bin nun doch ein bisschen ärgerlich über mich selbst, meinem Kind aus Unwissenheit eventuell Schaden zugefügt zu haben. Zum Großteil der Schwangerschaft war ich denke ich weit weg von einer nennenswerten Acrylamidbelastung. Danach zeitweise aber leider wohl nicht mehr so. Schätzen Sie die Situation schon als besonderes Risiko ein? Ist es wohl schlimm, wenn es Tage mit „Spitzen“ (Konsum von Kartoffelpuffern oder Sandwich) gab? Auf der Seite des BfR gibt es sogar einen Acrylamidrechner. Laut dem war ich in der oben genannten„Hochzeit“ noch gerade so im Durchschnitt. Unser Kind ist mit einem durchschnittlichen Gewicht zur Welt gekommen, ist fit und aufgeweckt. Ich weiß nicht, ob ich dann davon ausgehen kann, dass ihm der Stoff nicht geschadet hat oder ob sein Krebsrisiko nun dennoch erhöht ist. Dazu kenne ich mich leider nicht mit der Entstehungsweise von Krebs aus. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre tolle Arbeit hier sowie Ihre Einschätzung!

von hejo15 am 26.03.2020, 21:42



Antwort auf: Acrylamid

Ihre Ausführungen habe ich mit großem Interesse gelesen. Will damit nicht sagen, dass ich bei anderen Fragen ansonsten nicht so interessiert wäre, aber es gibt nun mal einfachere oder komplexere Fragestellungen, die ich erhalte. In Ihrem Fall beschreiben Sie ein Verhalten in der Schwangerschaft, welches ich ohne wenn und aber als vorbildlich bezeichnen möchte. Sie haben sich "bewusst ernährt" - das ist mehr als "die halbe Miete" und das gilt unabhängig davon, ob man "alles richtig gemacht hat"... Eines möchte ich klarstellen. Wenn Acrylamid giftig oder ganz sicher Krebs verursachen würde, käme kein Mensch mehr auf die Idee, auch nur Spuren von Acrylamid in Nahrungsmitteln zuzulassen. Auch die Hersteller von Lebensmitteln darf man nicht als Bösewichte hinstellen, die sich vorgenommen haben, aus Habgier und Rücksichtslosigkeit einen Krieg gegen ihre Kunden zu führen. Acrylamid ist in vielen Speisen vorhanden, mal mehr und mal weniger. Es ist richtig, was Sie schreiben, dass es zahlreiche Hinweise darauf gibt, dass Acrylamid in höherer Menge schädlich ist. Aber kein Mensch kennt die genaue Menge, ab der man "Stopp" sagen muss. Das gilt, bei allem Respekt auch für die BfR, eine Institution, die ich sehr schätze, weil sie sozusagen "auf uns alle aufpasst". Das meine ich ganz ernst. Aber auch die dortigen Fachleute wissen nicht, wie viel ist ... zu viel. Weizenhaltige Speisen, also auch Brot und Kartoffeln können eine erhöhte Menge an Acrylamid enthalten, weil dieses bei hohen Temperaturen entsteht. Eine Ernährung ohne Acrylamid ist aber nicht möglich, weil dieser Stoff in fast allen Lebensmitteln enthalten ist. Es gibt kein Lebensmittel, das von den Fachgesellschaften bzw. den nationalen Behörden oder der WHO als gefährlich eingestuft wird, weil es zu viel Acrylamid enthält. Sonst würde man z.B. die Pommes, Toastbrot oder Chips in der Schwangerschaft komplett verbieten... Acrylamid bleibt aber nicht im Körper sondern wird über die Niere ausgeschieden. Wenn Sie also im letzten Schwangerschaftsdrittel häufiger "gesündigt" haben und danach einige Nahrungsmittel (z.B. überbackenes Brot, Pommes und Chips) weggelassen haben, können Sie davon ausgehen, dass nur noch wenig Acrylamid in Ihrem Körper vorhanden ist. Obst, Gemüse, Salate und Milchprodukte können Sie nach all dem, was wir heute wissen, bedenkenlos essen, eine "Obergrenze" gibt es nicht. Sie dürfen also davon ausgehen, Ihrem Kind nicht geschadet zu haben. Dass es so ist, schreiben Sie ja selbst - Sie haben ein "Kind mit durchschnittlichem Gewicht, fit und aufgeweckt". Mehr kann man sich wirklich nicht wünschen.. Machen Sie sich also keine Sorgen und ernähren Sie sich weiterhin "vernünftig". Also so, wie Sie es jetzt, während der Stillzeit machen. Wenn Sie ab und an "Gebräuntes bzw. Angebratenes" zu sich nehmen, dann sollten Sie kein schlechtes Gewissen haben. Das dürfen Sie, wenn es nur "ab und an" ist...

von Prof. Dr. med. Serban-Dan Costa am 04.04.2020