Frage: Zurückhaltung/Schüchternheit in der Gruppe

Hallo Dr. Posth! Mein Sohn wird Anfang Dezember 2 Jahre und war immer recht zurückhaltend gegenüber Fremden, was ich aber als normal ansehe. Im letzten halbe Jahr ist er offener geworden und weniger schüchtern, was mich natürlich freut. Nun gehen wir seit fast drei Monaten einmal in der Woche in einen Spiel-/Singkreis. Dort ist er aber wieder sehr schüchtern, macht kaum mit (obwohl er die Lieder zu Hause komplett singen kann) und traut sich einfach nicht. Ich denke, dass es an der Gruppensituation liegt. Ich selber war als Kind in Gruppen auch immer super ängstlich und schüchtern und habe ab dem Kiga-Alter auch sehr darunter gelitten! Noch heute fühle ich mich in größeren Gruppen total unwohl. Ich würde gern meinem Sohn das ersparen, was ich immer wieder erlebe, habe aber im Moment das Gefühl, dass es sich beim ihm wiederholt. Was meinen Sie, ist das eine Charaktersache oder kann es sein, dass ich irgendetwas auf ihn "übertrage"? Wie verhalte ich mich am besten? Wie kann ich sein Selbstbewusstsein in Gruppen fördern? Bei uns im Ort gibt es eine (feste) Kiga-Gruppe für Kinder ab 2 Jahren für zwei Vormittage in der Woche. Ich bin am Überlegen, ob es gut für ihn wäre, dort hinzugehen (nach entsprechender Eingewöhnungszeit natürlich), oder halten Sie das eher für weniger sinnvoll? Vielen Dank, Janet

Mitglied inaktiv - 24.11.2003, 13:49



Antwort auf: Zurückhaltung/Schüchternheit in der Gruppe

Liebe Janet, daß Schüchterheit als Charakteranlage vererbt wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. Man muß auch erst einmal sagen, was Schüchterheit ist. Aber bei Kindern von knapp 2 Jahren, wie bei Ihrem Sohn, kann man solche Chrakterisierungen noch gar nicht treffen. In diesem Alter beginnt sich erst das Selbstgefühl und damit auch das Selbstbewußtsein zu entwickeln. Es kann noch nicht "da sein". Allerdings gibt es Kinder, die in diesem Alter schon weiter sind und ihren Willen und ihre Wünsche tatkräftiger umsetzen. Und es gibt Kinder, die weniger Umgangsschwierigkeiten mit fremden Personen haben. Das ist eine Frage v.a. der bisherigen Erfarungen im eigenen Gefühlsleben und im Umgang mit den Bezugspersonen. Wenn sie von Ihrem Sohn jetzt fordern, daß er sich in einem Spielkreis schnell und problemlos zurechtfindet, wird er Ihnen voraussichtlich das Gegenteil präsentieren. Und wenn man dann in dieser Form weiter vorgeht, dann wird die Schüchternheit u.U. ein fester Persönlichkeitsbestandteil. Aber gerade das wollen sie ja verhindern. Also müssen Sie Ihrem Sohn erst die Gelegeheit geben, über Wille, Widerstand und Trotz, welche einfühlsam von Ihnen aufgenommen werden müssen und nicht mit Härte beantwortet werden dürfen, sein Selbst zu entwickeln und mit dem Ich zusammen als seinen Persönlichkeitskern zu finden und auszuformen. Sagt er denn schon "Ich", beansprucht er Dinge als "meins", will er "alleine" handeln? Das sind nämlich alles untrügerische Zeichen seines aufkommenden Selbst. Dieses Selbst erfährt er und verteidigt er auch im Trotz, was bedeutet, daß man dem Trotz mit Verständnis begegnen sollte (s. alles mein Text über das emotionale Bewußtsein, link oben rechts). Und wenn das nun alles gut läuft, dann erst erwächst die Bereitschaft, ja geradezu das Bedürfnis nach Kontakten zu neuen Menschen und Gruppenerfahrungen. Dann können Sie wahrscheinlich ziemlich problemlos mit Spielgruppe oder Kiga-Gruppe beginnen. Nur, wenn Sie die hier aufgezeigte Reihenfolge umdrehen, wirds schwierig. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 25.11.2003



Antwort auf: Zurückhaltung/Schüchternheit in der Gruppe

Hallo Dr. Posth! Ja, mein Sohn sagt schon seit geraumer Zeit "ich" "meins" etc. Er will auch zunehmend vieles allein machen (neuerdings z.B. Milch eingießen). Ich habe diese Persönlichkeitsentwicklung bisher immer positiv gesehen und unterstützt. Temperamentvolle Trotzanfälle haben wir allerdings noch nicht. Bisher läuft es meist gut mit verhandeln, einfühlsamem Verständnis und/oder auf spielerische Weise. Wir waren heute wieder zum Spielkreis und es war dasselbe wie letzte Woche. Immer wenn ich dann doch mal versucht habe, ihn zum Mitmachen zu animieren , hat er sofort mit Widerstand und ein wenig Schmollen reagiert. Nach der Stunde, die immer recht gelenkt mit Lieder, Fignerspielen etc. abläuft, taute er allerdings plötzlich auf: Unterhielt sich mit einer anderen (ihm eher unbekannten) Mutter, sprach mit einem kleinen Baby :-), suchte Kontakt zu zwei anderen Jungen und erzählte immer, was diese gerade machten. Diese Verhaltensweisen haben mich dann schon wieder beruhigt, so dass ich nun denke, dass diese gelenkte Spielsituation in der Gruppe, die nur wenig spontanen Spieltrieb und Kontaktaufnahme unter den Kindern erlaubt, ihm noch Schwierigkeiten bereitet. Ist denn sein Verhalten im Anschluss an den Spielkreis schon so zu bewerten, dass sich sein Selbstbewusstsein entwickelt und ist es altersgerecht? Nochmal vielen Dank! Janet

Mitglied inaktiv - 25.11.2003, 22:09



Antwort auf: Zurückhaltung/Schüchternheit in der Gruppe

Liebe Janet, ja, ich meine, daß man seine Kontaktaufnahme, die er im Anschluß an den Spielkreis selbst initierte, durchaus Zeichen von Selbstbewußtsein sind. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 26.11.2003



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