Frage: Wunsch erfüllen

Guten Tag, wir sind mit unserem Sohn (18 M.) nicht oft bei den Großeltern, weil diese 1. weiter weg wohnen und 2. ganz andere Erziehungsprinzipien haben als wir, diese allerdings nur schwer akzeptieren können. Distanz ist also das Mittel der Wahl und tut uns als junger Familie gut. Wenn wir dann mal dort sind, brauchen wir ein dickes Fell, das wir haben. Dennoch eine Frage: Meine Eltern merkten, dass unser Sohn "immer seinen Willen bekommt". Aktuelles Beispiel war ein großes Stück Apfel, das er wollte, obwohl ein kleines Stück Apfel bereits vor ihm lag. Ich gab ihm das große Stück. Hätte er nach dem dabeiliegenden Messer verlangt, hätte ich seinen Wunsch nicht erfüllt. Ich erklärte daraufhin, dass unser Sohn seinen Willen nur bekommt, wenn es Sinn macht (warum sollte er das große Stück Apfel nicht bekommen?). Für solche Kleinigkeiten trägt man doch keine Machtkämpfe aus, oder?

Mitglied inaktiv - 14.03.2005, 15:06



Antwort auf: Wunsch erfüllen

Stichwort Umgang mit dem kindlichen Willen Liebe Niki, dieses Thema ist neben "wie umgehen mit dem schreienden Säugling?" das wahrscheinlich umstrittenste Thema in der Kindererziehung überhaupt. Die Bücher, die es hierzu gibt, füllen eine ganze Regalwand. Das, was unsere Elterngeneration sagt, gehört in das Kapitel "autoritäre Erziehung", und da galt es als gängige Praxis, den Willen des Kindes früh unter elterliche Kontrolle zu bekommen, um aus den Kindern leicht verfügbare Wesen zu machen. Einige dieser Kinder hat die Erziehung direkt zum Psychoanalytiker geführt. Andere sind komplett daran zerbrochen. Aber die antiautoritäre Erziehung war und ist auch nicht die Antwort. Meiner Auffassung nach liegt das Problem der rein autoritären Erziehung darin, daß die Ichkonstruktion des Menschen durch permanentes Einschränken und Untergraben seines Willens erheblich geschwächt wird (besonders in dieser frühen Entwicklungsphase). In meiner Vorstellung hat der Wille des Menschen etwas Entscheidendes mit seinem Ich zu tun. Das zu erklären führte hier zu weit. Ein schwaches Ich kann sich jedoch auch immer nur ein schwaches Selbst halten, und da liegt dann der springende Punkt im Sozialverhalten. Solche Kinder entwickeln vielmehr Scham auf sich selbst bezogen als Stolz, und damit sind sie mit der Zeit immer stärker angreifbar, immer verletzlicher. Das spüren sie natürlich im sozialen Kontakt und leiden daran, meist versteckt, was dann später heraus kommt, aber oft auch offenkundig in frühen Verhaltensstörungen. Da das Leben ohnehin viele natürliche Grenzen und Einschränkungen bereit hält, und man erzieherisch auch in wichtigen Dingen nicht an solchen Einschränkungen vorbei kommt, ist die erzieherische Praxis mit einem Programm bewußt Grenzen zu setzen meines Erachtens eher schädlich und falsch. Die elterliche Funktion muß generell die der Rückenstärkung und der Unterstützung sein. Dazu gehört es, den berechtigten Willen des Kindes zu beachten und zu födern, und nur den übermäßigen, egoisitsch gefärbten Willen sachlich! (nicht persönlich!) zu kritisieren und zu unterbinden. Das ist zwar eine gewisse Kunst, die nicht immer ideal funktioniert, aber allein das Bemühen hierum genügt schon, damit das Kind versteht, daß es liebende und unterstüzende Eltern hat. Von diesem Eindruck zehrt ein Kind sein Leben lang. Unter dem entgegengesetzten Eindruck aber leidet ein Kind sein Leben lang. Wahrscheinlich war es schon immer etwas schwerer, seine Kinder richtig zu erziehen, un deshalb geschah es nicht allzu oft. Aber neben der Pflicht hierzu, die man als Eltern hat, ist es auch eine überaus lohnende Mühe und Arbeit. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 15.03.2005



Antwort auf: Wunsch erfüllen

Ist es richtig, bei solchen Kleinigkeiten lieber nachzugeben und das Kind "gewinnen" zu lassen, um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens behutsam aber bestimmt durchsetzen zu können? Oder ist man zu nachlässig und produziert sich einen anspruchsvollen Tyrannen, wenn man in diesem Alter den Willen gibt und zu viele Wünsche erfüllt? Wo fängt das viel zitierte Grenzen setzen an? Eigentlich denke ich, dass wir "gut auf Kurs" sind, aber den eigenen Eltern gelingt es dann doch immer wieder, einen zu verunsichern.Niki

Mitglied inaktiv - 14.03.2005, 15:10



Antwort auf: Wunsch erfüllen

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Mitglied inaktiv - 14.03.2005, 15:12



Antwort auf: Wunsch erfüllen

Voellig richtig finde ich. Ich mache es genauso und stosse bei meiner Mutter damit auf voelliges Unverstaendnis. Das ist mir egal. Ihre drei Kinder (mich eingeschlossen) waren alle in der Psychotherapie (dass sie daraus so gar nichts gelernt hat...), ich hoffe mein Elio kommt ohne Therapie aus. Ich wuerde ihm auch den grossen Apfel geben. Das Messer bekommt er sicher nicht und das wird schon schwer genug fuer ihn sein. Wuensch dir alles Gute und Gruss Christiane

Mitglied inaktiv - 14.03.2005, 16:25



Antwort auf: Wunsch erfüllen

Hallo! Du hast es genau richtig gemacht, finde ich. Lass Dich nicht verunsichern. Wenn sich die Kinder gerade selbst entdecken, ist es doch schön, wenn sie auch mal ihren Willen durchsetzen können und "gewinnen". Du merkst es selbst am besten, was deinen Sohn stolz macht, und wann er über die Stränge schlägt und Grenzen sucht. Hier hatte er doch wohl einfach nur Hunger auf das große Stück Apfel - gibt´s doch gar nichts gegen zu sagen. Verbot nur um des Verbietens willen ist wirklich Unsinn! Liebe Grüße

Mitglied inaktiv - 15.03.2005, 15:16



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