Frage: Wie reagiere ich am besten......

Sehr geehrter Dr. Posth, heute hab ich nach langer Zeit auch mal eine Frage an Sie, nachdem ich Ihr Forum seit Bestehen fleißig nutze als Informationsquelle :-) Mein Sohn ist 3 1/4 und es kommt öfters vor, daß er zu mir kommt und sagt:"Mama ich hab Blödsinn gemacht" und "beichtet" mir dann was er getan hat, z.B. die Cremetube ausdrücken, ohne welche zu brauchen, oder andere mehr oder weniger "schlimme" Verfehlungen. Wie reagiere ich dann am sinnvollsten? Einerseits müßte ich ja schimpfen, weil er etwas getan hat, das nicht sein sollte, und auf der anderen Seite denke ich, sollte ich ihn darin bestärken zu seinen Taten zu stehen. Ich möchte ja schließlich, daß er in Zukunft weiterhin mit mir darüber redet. Außerdem bin ich alleinerziehend, wobei der Vater sich gar nicht interessiert. Vielen Dank schon mal im voraus Meike und Eric (*7.3.01)

Mitglied inaktiv - 25.05.2004, 20:49



Antwort auf: Wie reagiere ich am besten......

Liebe Meike, was Ihr Sohn da vollzieht, ist das Einüben von Gewissen. Die Erklärung des menschlichen Gewissens ist nicht leicht. Zunächst muß man Verstehen, wieso ein Mensch überhaupt ein Unrechtsbewußtsein entwickelt. Schließlich ist er auf Erfolg und Gewinn programmiert, und jedes Kleinkind arbeitet fleißig daran, seine guten Eigenschaften und Fähigkeiten in Szene zu setzen und dafür Applaus zu ernten, und seine Schwächen und Fehler zu verbergen und möglichst auch nicht zu wiederholen. Was ein Fehler ist, erkennt das Kind entweder sofort im Mißerfolg, oder es wird ihm von Eltern, Erziehern oder Gleichaltrigen auf oft dramatische Weise vor Augen geführt. Dadurch ist das Kind beschämt, und seine negativen Attribute vermehren sich. So stehen sich negative und positive Attribute, bzw. Mißerfolge und Erfolge gegenüber und der nicht nur vom Kind selbst erwünschte Zustand (auch den Eltern ist es so lieber) ist natürlich ein Überwiegen der Positiv-Waagschale, weil sich dadurch Stolz einstellt. Ein stolzes Kind macht auch seine Eltern stolz. Ein beschämtes Kind beschämt in unserer Gesellschaft auch seine Eltern. Mißerfolg, Fehler und daraus resultierende Kritik lassen das Kind über kurz oder lang, daß es falsch gehandelt hat und das falsches Handeln in der Gesellschaft irgendwie bestraft wird. So stellt sich über die Scham Schuldbewußtsein her. Scham und Schuld sind aber unangenehme Gefühle, die auch ein Kind gerne wieder los wird. So stellt sich die Reumütigkeit ein, und das Kind kommt zu seinen Eltern (als beurteilende Instanz) und bemüht sich um Wiedergutmachung. Genau das tut Ihr Sohn, wenn er Ihnen seine Missetaten "beichtet". Er hat noch das volle Vertrauen, daß er hierfür nicht noch weiter bestraft wird. Das wäre übrigens ein krasser erzieherischer Fehler, so schlimm, wie jene grausame Haltung, ein weinendes Kind auszuschimpfen oder gar zu Ohrfeigen, weil es Schwäche zeigt und sich offenkundig schämt. Sie rügen also weiterhin die Tat, loben aber die ehrliche Haltung Ihres Sohnes und besprechen mit ihm die Möglichkeiten zur Wiedergutmachung. So wird der Stolz des Kindes erhalten, die Sache aber eindeutig auch kritisiert. Zusätzliche Beschämung eines Kindes z.B. durch "In-die Ecke-stellen" oder Schmähung sollte es in der Erziehung nicht geben. Der Fehler und der Mißerfolg allein sind die Faktoren, welche Scham und Selbstkritik erzeugen und das Kind zur zukünftigen Unterlassung solcher Handlungen veranlassen. Dieses Erziehungsziel wird durch die Kritik an der Sache verstärkt und durch die Chance zur Wiedergutmachung noch unterstrichen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 28.05.2004