Sehr geehrter Herr Posth
Ich habe Ihre Antwort 44594 bezüglich des schreiens auch gelesen und bin sehr froh um Ihre Kompetenz in diesem Bereich. Ich interessiere mich wegen des Babyphons das ja wahrscheinlich oft zu spät reagiert hat (sie erinnern sich). Sie meinen mit den 30 min. sicher schreien im Arm der Eltern. Was aber wenn nun evt.etliche Minuten alleine schreien pro Tag waren? welche Anzeichen, dass ihm dies geschadet haben könnte? Ab welchem Alter "sieht" man Schäden?Was genau „verletzt“ es ihm Gehirn? Wird ein Kind stressempfindlicher od. weniger intelligent od.was macht es genau? Therapieformen, welche unterstützend wirken?
2. Unser Junge schaut schon seit Geburt sehr interessiert umher. Wenn etwas im Raum verändert ist, sieht er es sofort und muss es minutenlang anschauen. Auswärts kommt er aus dem "umherschauen" fast nicht heraus. Auf was für ein Themperament deutet das? Oder ist dieses Verhalten üblich mit einigen Monaten? Vielen Dank
von
buzzidil
am 04.04.2011, 08:20
Antwort auf:
Welche Anzeichen gibt es das Schreien dem Kind geschadet hat?
Stichwort: Säuglingsschreien / Schreibaby
Hallo, Schreien erzeugt Stress, wobei die Anfangssignale, die dem Herbeirufen der Mutter oder einer anderen Bezugsperson gelten, noch tolerabel und von der Natur gewollt sind. Ab welchem Augenblick das Rufschreien ind Angstschreien übergeht, das kann man, wenn man erfahren ist, heraushören, aber man muss natürlich den Säugling auch hören können. Wenn die Säuglinge in Panik schreien, sind sie hochrot im Kopf, nass geschwitzt und ihr Herzschlag bewegt sich bei 140/min und mehr. Meistens überstrecken sie sich und ihre Hände sind gefaustet usw. Ihr Stresspegel ist enorm hoch messbar im peripheren Blut durch Cortisol. Aber im Gehirn selbst arbeiten CRH und Norandrenalin, z.T. Adrenalin und andere Neurotransmitter in ungünstiger Konstellation. Und diese Kombination an Neurosubstanzen verstellen mit der Zeit die Stressschwelle nach unten und behindern die Vernetzungsfuktionen. nachgewiesen wurde das an gezielt gestressten Tieren mit dem Menschen ähnliche Sozialfunktionen. Der Säugling lebt also in Angstanspannung und unter hoher, aber ungerichteter Aufmerksamkeit. die Schäden sieht man bei den Tieren in den Angstzentren, insb. der Amygdala (Mandelkerne) und dem Hippocampus (Gedächtniszentrum), sowie in der Frontalhirnrinde. Wie schädlich das ganze letzendlich ist, hängt von der Stärke der Schädigungsauswirkung im 1. Lebensjahr ab. Störungen im Bereich der Intelligenz sind durchaus möglich, Störungen in der Emotionalität die Regel. Einzige Therapie ist das Abstellen der Stresseinwirkungen, und zwar möglichst früh.
Interessiertes, aufmerksames Umhergucken bei einem Säugling ist eigentlich immer auch ein Zeichen für ein lebhaftes Temperament. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 06.04.2011