Frage: Was ist richtig?

Meine SchwiMu erzählt mir häufig folgendes: sie arbeitete früher um Betrieb ihres Mannes mit. Mein Mann u seine Geschw. wurden ab und an im Nebenraum auch mal 30 Min. o. so schreien gelassen, wenn gerade Kundschaft da war und es nicht anders ging. Alle Kinder wurden praktisch von Geburt an von der Oma mitbetreut, auch mehrere Tage hintereinander. Bei Feierlichkeiten wurden die Kinder "durchgereicht", weil ja jeder mal kuscheln wollte. Familienbett gab es nicht. Widerspricht dieses Verhalten der SchwiMu nicht der Bindungstheorie?Mein Mann u. seine Geschw. beschreiben ihre Mutter als sehr liebevoll und würden heute noch alles für sie tun. Ich frage, weil ich gerne mit meinem Mann ein paar Tage ohne Kinder (8 Monate, 2,5 Jahre) wegfahren würde. Ich brauche eine Auszeit, weil ich mich zur Zeit von meiner persönl. Situation überfordert fühle. Die Kinder bleiben bei der SchwiMu, die sie kennen und lieben. Ich möchte meinen Kindern aber auch nicht Schaden. Was meinen Sie? Ist es vertretbar?

von Else2011 am 03.06.2013, 08:53



Antwort auf: Was ist richtig?

Hallo, es ist gut und richtig, dass Sie sich solche Fragen stellen. Bei der Beantwortung werden Sie aber daran scheitern, dass die von einer solchen autoritären Erziehung Betroffenen kaum je eine kritische Antwort bezüglich ihrer Kindheit geben. Woran liegt das? Die Eltern, jetzt also die Großeltern, können und wollen natürlich nicht zugeben, dass sie vieles falsch gemacht haben. Und die Betroffenen selbst, damals die Kinder, können nicht zugeben, so lieblos großgezogen worden zu sein. Das heißt, sie verdrängen die Erinnerung, sofern diese überhaupt noch in ihren Köpfen spuken. Nur die schweren Traumatsierungen, also die seelischen und körperlichen Verletzungen in Form von Gewalt, ob einmal schwer oder immer wieder mehr oder weniger schwer, werden niemals vergessen. Ist dann in etwas höherem Lebensalter der innere Befreiungschlag gelungen, kommen massive Vorwürfe auf die Eltern zu. Es ist nun einmal nichts schwerer zuzugeben, als eine schlechte Kindheit gehabt zu haben. Denn die Erziehung ging ja dahin, den Kindern einzutrichtern, selbst daran Schuld gehabt zu haben, dass sie schlecht behandelt worden ist. Die Leute sagen folglich: "wenn ich eine Ohrfiege bekommen habe, dann hatte ich es auch verdient." Man selbst war schlecht und musste bestraft werden, oder weil man störte ins Nachbarzimmer gesperrt, die Strafe war gerecht. Viele Menschen, die schwer gelitten haben, veklären sogar ihre Kindheit hinterher, weil sie nur so ihren Schmerz ertragen können. Das ist also alles ziemlich paradox und oft nicht verstehbar, aber es ist immer der Anlass dafür, selbst nie mit seinen Kinder so umzugehen. Wenn Ihre beiden Kinder aber bei der Großmutter glücklich und zufrieden sind, was man ihnen ja ansieht (wie ist es mit dem 8 Monate alten Säugling?!), dann können Sie und Ihr Mann auch einmal ein paar Tage wegfahren. Aber fahren Sie nicht zu weit, denn wenn es schief geht, sollten Sie schnell zurückkommen können. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 06.06.2013